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  • Astrid Böhmisch – Ein neues Kapitel für die Leipziger Buchmesse

    Seit 2024 ist Astrid Böhmisch die Direktorin der Leipziger Buchmesse. Eine Stelle, die angeblich große Fußstapfen zu füllen hat. Doch hier stellt sich die Frage: Wer ist Astrid Böhmisch überhaupt?

    Unzufriedenheit, leise Boykottaufrufe und das große Fragezeichen um ihre Person – Astrid Böhmisch betrat die große Bühne, die ihr die Medien bereiteten, umringt von vielen verschiedenen Reaktionen. Seit dem 1. Januar ist sie Direktorin der Leipziger Buchmesse. Doch ihr Amtseinstieg stand im Schatten des Unmuts, der sich durch die Kündigung ihres Vorgängers, Oliver Zille, verbreitete. Zille, in der Buchbranche hoch angesehen, galt nicht nur als der Direktor, der die Buchmesse erfolgreich machte, sondern auch als beliebter Mensch. Seine Leidenschaft, seine Nähe zu den Menschen und das Vertrauen, das er über 30 Jahre in seinem Beruf genoss, machten seinen plötzlichen Abschied von der Buchmesse zu einer großen Überraschung. Böhmisch, die in der Branche weniger bekannt war, musste sich somit einigen Herausforderungen stellen. 

    „Die Verleger sind unzufrieden mit der Leipziger Buchmesse, sogar die Idee einer Konkurrenzveranstaltung kursiert.“ So hieß es Anfang des Jahres in der Süddeutschen Zeitung. Auch viele Kommentare zu Böhmisch wie „not a book person, not a people person“ aus der FAZ im November 2023 belagerten Artikel rund um die neue Direktorin. Sie selbst beschreibt, sie sei „in Leipzig mit großer Offenheit aufgenommen“ worden, und empfand den Austausch mit wichtigen Beteiligten der Buch- und Verlagsbranche als „positiv, gehaltvoll und kooperativ“. Während Böhmisch anfangs noch im Hintergrund blieb und nur wenig Auskunft über ihre neue Position gab, stellte sich weiterhin die Frage: Wer ist eigentlich Astrid Böhmisch? 

    Das Aushängeschild für Böhmisch ist ihre Erfahrung im Marketing. Über vier Jahre arbeitete sie als Marketingchefin des bekannten Piper Verlags, zwei Jahre als Managerin im Marketing der Bookwire GmbH und seit Anfang 2023 ist sie freiberuflich Business Consultant und Coach. Doch ihre Geschichte fängt viel eher an. Ihre Leidenschaft zum Lesen sei einer ihrer Gründe gewesen, Germanistik und Anglistik zu studieren. „Seit über 20 Jahren ist es mein Job, Geschichten zum Publikum zu bringen“, erklärt Böhmisch, die ihre Erfahrungen im Marketing als sehr nützlich einschätzt, um „die Buchmesse als internationales Kulturereignis und attraktive Veranstaltung für Gäste aus nah und fern weiterzuentwickeln“. Ihr Ziel sei es vor allem, das Gegenteilige zu verbinden: Große und kleinere Verlage, Buchbranche und Publikum oder auch das Digitale und Analoge, um junge Zielgruppen auch im digitalen Raum zu erreichen. 

    Während Böhmisch auf der diesjährigen, noch von Zille geplanten Buchmesse vorerst als Beobachterin agierte, freue sie sich bereits auf die Weiterentwicklung für die nächste Messe. „Da existiert ganz klar nicht ausgeschöpftes Potenzial, das es zu heben gilt.“ Besonders der Bereich Audio solle hier neues Potenzial bieten. Obwohl Böhmisch Veränderungen und neue Ideen antreibe, wolle sie dennoch „Kontinuität bewahren, wo sie sich bewährt hat, aber auch die Zukunftsfähigkeit der Leipziger Buchmesse sicherstellen“. 

    Auch die Aussteller und Austellerinnen sehen Verbesserungspotenzial für die Leipziger Buchmesse. Einige betonten ihren Wunsch nach fachbewussterem Arbeiten. So schilderte ein Aussteller, es sei „für viele Verlage langsam nicht mehr möglich nach Leipzig zu kommen“, gerade aus wirtschaftlichen Aspekten. Eine andere Ausstellerin lobte vor allem, eine weibliche Person in der Direktion zu sehen: „Dass eine Frau das Amt übernimmt, finde ich gut.“ Dennoch sei sie „skeptisch wegen des Marketings, ob das für eine Buchmesse das ist, was wir brauchen“. Das Gros der Kritik erhielt Böhmisch auf der vergangenen Buchmesse jedoch für ihre unzureichende Erscheinung bei den Verlagen. „Ich hätte gern eine Präsenz von Frau Böhmisch hier, auch während der Aufbau-Tage“, erzählt ein weiterer Aussteller, der – trotz Jubiläum seines wichtigen Leipziger Verlags – Böhmisch weder vor Ort antraf noch im Voraus erreichen konnte. „Ich hatte mehrmals versucht, Frau Böhmisch über verschiedenste Wege im Vorfeld zu kontaktieren, und hätte gerne mit ihr auf der Buchmesse kooperiert.“ Eine legitime Kritik, da Böhmischs Vorsatz für die Buchmesse 2024 noch folgender war: „Genau hinschauen, hinhören und Fragen stellen – sowohl im Vorfeld als auch während und nach der aktuellen Buchmesse.“ 

    Astrid Böhmisch muss sich und ihre Ideen bei der Leipziger Buchmesse im nächsten Jahr beweisen. Auch wenn die Branche noch nicht weiß, was sie von ihr erwarten kann, werden ihre Veränderungen mit neugierigen Blicken verfolgt. Ob sich diese als Chance oder Risiko herausstellen, werden die Verlage und das Publikum wahrscheinlich erst 2025 herausfinden. Bis dahin wünscht sich Böhmisch die Leipziger Buchmesse nur als zentralen Ort für Leidenschaft, Kreativität, öffentliche Diskussion, Meinungsfreiheit, Vielfalt und als Ort, der „einfach alle Menschen zusammenbringt“. 

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