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  • Keine Zeit, um Pause zu machen

    Seitdem die Libelle, ein Stadtteilprojekt, vor der Schließung gerettet werden konnte, gab es viele Änderungen, aber der zentrale Bestandteil als selbstverwalteter Raum für politische Debatten bleibt.

    Nahe der Innenstadt Richtung Westen gibt es einen kleinen, versteckten, die Sorgen des Alltags auflösenden Ort − die Kolonnaden­straße. Hier gibt es eine Punker*innenkneipe, Cafés, Platten­läden und die Libelle – einen Stadtteilladen. Beim Betreten des Raums an einem Sonntag Anfang Mai fällt der Blick als erstes auf den reichlich gedeckten Tisch. „Wir brunchen heute“, erklärt Lena, die Teil des Organisationsteams der Libelle ist. Es ist bereits 16 Uhr. Zu dritt haben sie sich heute den ganzen Tag genommen, um aufzuräumen. Denn still und heimlich hat sich einiges geändert in der Libelle.

    Seit 2003 gibt es das Projekt, dass von Anfang an Raum für politische Gruppen und verschiedene Veranstaltungen geboten hat. Zu Beginn war alles ein bisschen unkomplizierter. Die Miete hat nur 300 Euro gekostet und es gab einige Leute, die sich engagierten. Doch mit den Jahren stieg die Miete. Inzwischen sei sie bei 900 Euro angekommen, erzählt Lena. „Über mehrere Monate haben sich Mietschulden angehäuft, niemand wollte sich so recht verantwortlich dafür fühlen. Dass es überhaupt so lange gut ging, lag daran, dass die Hausverwaltung unserm Projekt gewogen war.“ Trotzdem hieß es dann im Januar, dass die Libelle schließen muss. „Alles stand auf der Kippe und musste plötzlich sehr schnell gehen“, sagt Lena.

    Glücklicherweise haben sich einige Menschen gefunden, die das Projekt retten wollten, und ein privater Kredit wurde aufgenommen. Die Schließung konnte also abgewendet werden. Aber mit der Aufnahme des Kredits ging natürlich eine große Verantwortung einher. „Eigentlich würden wir gerne erstmal schließen, um alles flott zu machen. Aber das geht nicht“, meint Lena. Denn sie sind auf Einnahmen, vor allem durch Veranstaltungen, angewiesen. Neuer­dings kann man jedoch auch Mitglied werden und so unterstützen. Außerdem haben sie auch staatliche Förderungen beantragt. Zuvor sei das wohl nicht passiert, weil man nicht vom Staat abhängig sein wollte. Eine der Änderungen, die sich leise vollzogen haben. Denn leider muss das Geld irgendwo herkommen.
    Trotzdem versteht sich die Libelle nach wie vor als antikapitalistischer, konsumkritischer, anti­faschistischer Ort. Viele der Gruppen, die bisher die Räume genutzt haben, bleiben auch dort. Aber es kommen auch neue hinzu. Seit kurzem trifft sich beispielsweise eine Selbst­hilfe­gruppe für Depressionen in der Libelle. Es sollen auch neue Veranstaltungen stattfinden. Fest steht auf jeden Fall der Küfa-Termin freitagabends. Und davor, um 17 Uhr, findet das Plenum statt. „Dazu sind alle herzlich eingeladen“, sagt Lena. Denn sobald es nicht mehr am Brennen ist, sinkt wie so oft die Bereitschaft, sich zu engagieren. So auch hier. Die Gruppe um Lena ist bereits wieder zusammengeschrumpft. „Es wäre schön, wenn wir mehr Menschen hätten, die sich verbindlich engagieren, auch über die akute Situation hinaus“, betont Lena.

    Und so kommt es, dass sie an diesem Tag nur zu dritt den hinteren Raum auf den Kopf stellen, umräumen und gründlich aussortieren. Dabei aber durchaus auch über spannende Dinge stolpern, wie beispielsweise ein Megaphon. Der Raum ist dabei, sich zu wandeln. Es wurde neu gestrichen und die Möbel werden durch andere ersetzt. Aber eins soll sich nicht verändern, dass die Libelle ein Ort für politische Debatten ist und selbstverwalteter Raum für alle sein soll.

    Foto: Luna Haser

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