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  • Kunst auf den zweiten Blick

    Die Universität und Museen waren im Laufe der Pandemie lange geschlossen. Doch das ist nicht ihre einzige Gemeinsamkeit, denn ein aufmerksamer Gang durch die Uni, könnte den Museumsbesuch ersparen.

    Im Trott zwischen Vorlesung und Mensa verliert sich die Umgebung schnell im Tunnelblick. Doch anstatt schnell über die Gänge zu hetzen und sich zwischen den anderen Studierenden durchzuquetschen, sollte man an der Universität Leipzig lieber mit offenen Augen die Gegend betrachten. Denn an den Wänden und an den Standorten der Universität erzählen Kunstwerke die Geschichte eben dieser Lehrstätten. Neben offensichtlichen Werken wie dem Leibniz-Denkmal im Innenhof des Campus Augustusplatz oder dem Paulinum, was ein einziges Kunstobjekt zu sein scheint, gibt es auch ein paar versteckte Werke. Von einer Kunstkommission wurde 2005 ein Konzept für den Campus Augustusplatz entwickelt welches fünf Erinnerungskonzepte umfasst. Die verschiedenen Kunstwerke erzählen somit die Geschichte der Universität vom mittelalterlichen Dominikanerkloster, der Universitätskirche St. Pauli, der Universität im 17. Und 18. Jahrhundert, dem Augusteum im 19. Jahrhundert und der sozialistischen Phase. Wir nehmen euch mit auf einen kulturvollen Rundgang.

    Riesiges stehendes reliefartiges Gebilde

    Bronzerelief „Aufbruch“ auf dem Campus Jahnallee

    Die Spuren der SED-Regierung in Leipzig und an der Universität sind heute zu großen Teilen getilgt: Nach der Wiedervereinigung legte die Alma Mater Lipsiensis den Namen Karl-Marx-Universität (KMU), den sie seit 1953 trug, ab. Genauso heißt der Karl-Marx-Platz heute Augustusplatz. Der Kommunist Marx zierte aber auch ab 1974, zur Feier des 25. Jahrestags der DDR, in Form des Bronzereliefs „Aufbruch“ die Universität Leipzig. Das 14,40 Meter breite und circa sechs Meter hohe Relief wurde von den Künstlern Frank Ruddigkeit, Klaus Schwabe und Rolf Kurth geschaffen und zeigt den übergroßen Kopf von Karl Marx umringt von Arbeiter*innen. Während der Name Karl-Marx-Universität gleich 1991 abgelegt wurde, befand sich das Relief noch bis 2006 am Rektoratsgebäude am Augustusplatz. Im Zuge der Um- und Neubauarbeiten wurde es abmontiert und eingelagert bis eine Debatte um eine Wiederaufstellung laut wurde. Dafür setzte sich unter anderem der damalige Universitätsrektor Franz Häuser ein. Seit 2008 befindet sich das Relief auf dem Campus Jahnallee. Der Text auf der Begleittafel erklärt, dass durch den neuen Ort eine „räumliche Distanz zum ursprünglichen Kontext“ geschaffen wird, welche „Verantwortung und Distanz zugleich“ symbolisieren soll.

    Dargestellt sind Mitglieder und Studenten der damaligen Karl- Marx-Universität, Bauarbeiter des Universitätsneubaus am Augustusplatz und drei politische Funktionäre. Von den mehr als 100 porträtierten Personen können etliche sicher identifiziert werden. Dazu zählt am linken Bildrand der von einer Schar fröhlicher StudentInnen umringte Georg Mayer, Professor für Weltwirtschaftslehre und von 1950 bis 1964 Rektor der Universität. Neben dieser Gruppe ist der Leiter des Universitätsrechenzentrums Prof. Klaus Apitzsch zusammen mit einigen MitarbeiterInnen dargestellt, die im Hintergrund an einem Großrechner hantieren. Fast genau in der kompositorischen Mitte des Bildes erkennt man den Physiker Prof. Armin Uhlmann vor einer großen Tafel mit Formeln aus der mathematischen Physik. Auffälligste Figur ist die rechts der Mitte im Vordergrund dargestellte junge Frau, die zu einer Gruppe weiterer ProfessorInnen überleitet, unter ihnen Gottfried Uhlig (Pädagogik), Harry Pfeifer (Physik), Christa Kohler (Psychiatrie) sowie Magnifizenz Gerhard Winkler (Agraökonomie) und Siegfried Hauptmann (Chemie). Rechts daneben erscheint etwas isoliert Wolfgang Bethmann (Zahnmedizin) und davor Werner Tübke zusammen mit seiner Familie. Im letzten Drittel des Bildes finden sich knapp zwei Dutzend Bauarbeiter zusammen mit den Parteifunktionären. Gut zu erkennen ist der hell ausgeleuchtete Erich Grützner, ehemaliger Vorsitzender des Rates des Bezirks. Links hinter ihm folgt der am 19. September 1970 verstorbene Paul Fröhlich, Erster Sekretär der SED im Bezirk Leipzig und Mitverantwortlicher für die Sprengung des alten Universitätscampus am Augustusplatz im Jahr 1968. Rechts im Hintergrund ist Walter Kresse zu erkennen, bis zum 16. April 1970 Oberbürgermeister der Stadt Leipzig.

    „Arbeiterklasse und Intelligenz“ von Werner Tübke im Hörsaalgebäude auf dem Campus Augustusplatz

    Normalerweise hängen Werke von Werner Tübke im Museum der bildenden Künste Leipzig oder in anderen namenhaften Museen. Der Maler gehörte zu den bedeutendsten Künstler*innen der DDR und ist für seine realistische Kunst bekannt. Das Wandbild „Arbeiterklasse und Intelligenz“ fertigte Tübke von 1970 bis 1973 als Auftragsmalerei für die damalige Karl-Marx-Universität an. Es war für Tübke der künstlerische Durchbruch, sodass er folgend zum Direktor der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig ernannt wurde. Dort gehörte unter anderen Arno Rink zu seinen Schüler*innen. Das Wandbild zeigt Mitglieder und Studierende der damaligen Karl-Marx-Universität, Bauarbeiter*innen des Universitätsneubaus am Augustusplatz sowie drei politische Funktionäre der SED. Insgesamt sind rund 100 porträtierte Personen zu erkennen, darunter auch der Maler selbst mit seiner Frau Angelika, die ebenfalls Malerin ist, und Sohn Adrian. Tübkes Wandbild befindet sich im zweiten Stock des Hörsaalgebäudes des Campus Augustusplatz. An der Wand auf der rechten Seite ist zudem eine Tafel, auf der die dargestellten Personen erklärt sind.

    Der steinerne Löwe liegt auf einem Sockel, der wiederum auf einem ein meter hoen Quader steht. Im Hintergrund hängt ein Foto, welches die Uni leipzig vor ungefähr hundert Jahren zeigt.

    Löwendenkmal im Neuen Augusteum

    Wenn man vom Campus Augustusplatz durch das Schinkeltor das Neue Augusteum betritt, lohnt es bevor man durch die zweite Glastür geht, mal nach rechts zu schauen. Dort steht das Löwendenkmal der Universität Leipzig auf einem Sockel vor einem historischen Foto. Der von August Gaul gestaltete und von Max Esser umgesetzte Löwe ist ein Kriegsdenkmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Studierenden und Lehrenden der Universität. Insgesamt sind 1.370 Studierende, zwölf Dozierende and 14 Angestellte der Alma Mater im Ersten Weltkrieg gefallen, deren Namen sich auf dem Sockel des Löwen befunden haben. Da seit 1906 erstmals Frauen an der Universität studieren konnten muss man davon ausgehen, dass auch einige Frauen gefallen sind, auch wenn das Universitätsarchiv lediglich Linna Francke erwähnt. Der Sockel aus Sandstein, der wie ein Sarg gestaltet war, wurde im Zuge der Sprengung der Universität 1968 vernichtet. Der Löwe aus Muschelkalkstein befand sich ab den 1970er Jahren bis 1993 im Freien und ist nun seit 2014 im Neuen Augusteum ausgestellt.

    Es sind sieben Männer zu sehen, die in unterschiedlichen Positionen Gespräche führen. Düstere Farben, alles dunkel und trisst gehalten.

    „Aufrecht stehen – Für Herbert Belter, Ernst Bloch, Werner Ihmels, Hans Mayer, Wolfgang Natonek, Siegfried Schmutzler“ im Hörsaalgebäude auf dem Campus Augustusplatz

    Das Gemälde „Aufrecht stehen“ wurde vom Leipziger Schriftsteller Erich Loest in Auftrag gegeben und vom Leipziger Maler Reinhardt Minkewitz 2015 fertiggestellt. Seitdem befindet sich die Dauerleihgabe der Stiftung Friedliche Revolution in der ersten Etage des Hörsaalgebäudes der Universität Leipzig. „Aufrecht stehen“ zeigt die im längeren Bildtitel genannten politischen Opfer des DDR-Regimes, welche sich zwischen zerbrochenen Steinplatten vor einer Zeichnung des alten Universitätsgebäudes mit Paulinerkirche befinden. In den 19050er und 60er Jahren gab es diverse ideologische Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen und ihrer Universität. Das Schicksal der Dargestellten ist recht unterschiedlich, Ihmels, Schmutzler, Loest und Natonek wurden aufgrund ideologischer Differenzenverhaftet und jahrelang im Zuchthaus oder Arbeitslager festgehalten. Belter, ganz links zu sehen, verteilte als Student 1950 Flugblätter für die Meinungsfreiheit, woraufhin er von einem sowjetischen Militärgericht zum Tode verurteilt wurde. Die Schaffer des Gemäldes verstehen es als Antwort auf Tübkes „Arbeiterklasse und Intelligenz“, denn dieses zeige die Sieger*innen der Geschichte.

    Fotos: Pia Benthin

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