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  • Konkret ist relativ

    Die Kandidatinnen für die Rektor*innenwahl an der Universität Leipzig, Rose Marie Beck (l.) und Eva Inés Obergfell (r.), stellten sich am 4. November den Fragen des Studierendenrats und des Publikums.

    Die Kandidatinnen hatten zunächst drei Minuten Zeit, sich zu präsentieren. Danach stellten Renate Baricz, Referentin des Sturas für Hochschulpolitik, und Monti von der BIPOC-Hochschulgruppe (Black Indigenous People of Color) ihnen eine halbe Stunde lang vorbereitete Fragen, die bei beiden gleich waren. Anschließend war Zeit für Fragen aus dem Publikum sowie ein kurzes Abschlussstatement der Kandidatinnen. Die Veranstaltung wurde auch per Livestream übertragen und die Zuschauer*innen konnten Fragen per Mail senden.

    Rose Marie Beck, Professorin für Afrikanistik und Dekanin an der Fakultät für Geschichte, Kunst- und Regionalwissenschaften der Uni Leipzig betonte in ihrer Vorstellung die vielen aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen etwa in den Bereichen Klima, Gesundheit und Wirtschaft. „Wissenschaft kann viel beitragen, um diese Krisen zu bewältigen“, sagte sie. Dies wolle sie als Rektorin unterstützen.

    Eva Inés Obergfell, Professorin für Zivilrecht und bis 2021 Vizepräsidentin für Lehre und Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU), sagte, sie habe sich beworben, weil sie ihre an der HU gemachten Erfahrungen und ihren „frischen Blick von außen“ an der Uni Leipzig einbringen wolle. Ihre Schwerpunkte lägen auf Exzellenz in Forschung und Lehre, Internationalisierung sowie der Dritten Mission. Darunter versteht man den Austausch einer Hochschule mit der Öffentlichkeit, also beispielsweise Wissenstransfer, Dialog mit der (Stadt-)Gesellschaft oder öffentlich zugängliche Sammlungen und Veranstaltungen.

    Die Fragen des Sturas drehten sich vor allem um die Themen studentische Mitbestimmung, Diversität und Nachhaltigkeit. Außerdem wurden verschiedene aktuelle Ereignisse und Debatten aufgegriffen, etwa die Diskussion um zwei Veranstaltungen der Kritischen Einführungswochen (KEW), für die die Uni laut KEW die Räume verweigert hatte. Darauf angesprochen, sagte Beck: „Die Studierendenschaft hat kritisch zu sein.“ Die Grenze der Unterstützung kritischer Veranstaltungen liege für sie aber im Aufruf zur Gewalt, „am rechten wie am linken Rand.“ Auch Obergfell nannte die KEW eine „gute und wichtige Einrichtung“, die Grenze sei für sie eine rechtliche: Veranstaltungen, die nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar seien, könne eine Universität als öffentliche Institution nicht unterstützen.

    Zum Thema Gleichstellung sagten beide, man müsse diese weiter betrachten als nur die Gleichstellung von Frau und Mann, Diskriminierung müsse auf allen Ebenen abgebaut werden. Beck betonte außerdem, dass Diversität für sie nicht in erster Linie eine Frage der Gerechtigkeit sei, sondern eine der verschiedenen Perspektiven. Die Gerechtigkeit sei das Argument, um Diversität durchzusetzen. Auch der Idee eines Green Office an der Uni stehen beide positiv gegenüber.

    Auf die Frage, ob sie studentische Prorektor*innen einsetzen wolle, sagte Beck, sie würde dies „nicht empfehlen“, da erstens das Rektorat keine Interessenvertretung sei, zweitens studentische Prorektor*innen angesichts der niedrigen Wahlbeteiligung bei den letzten beiden studentischen Wahlen wahrscheinlich ein Legitimationsproblem hätten und drittens diese Rolle Studierende auch leicht überfordern könne. Obergfell dagegen möchte die Idee zumindest in Erwägung ziehen.

    Angesprochen auf eine mögliche Zivil- und Transparenzklausel (die vor allem gegen militärische Forschung an der Uni Leipzig wirken soll), betonte Obergfell, dass die Einführung einer solchen Klausel von der gesamten Universität entschieden werden müsse. Beck überlegte bei der Frage lange. „Ich denke nicht, dass eine Universität militärische Forschung betreiben sollte“, sagte sie dann. „Ich zögere deshalb, weil ich nicht weiß, welche Forschung militärisch genutzt werden kann und wie man das abschätzt.“

    Auf die Frage nach drei konkreten Maßnahmen gegen Rassismus an der Uni nannte Obergfell die Einführung eines „Tags der Vielfalt“, an der Uni einen „Dialograum“ über das Thema zu schaffen, sowie Sensibilisierungsstrukturen aufzubauen. Beck wolle eine Ombudsstelle einrichten, postkoloniale Themen stärker in die Hochschulöffentlichkeit bringen und für den vorherrschenden weißen Blick sensibilisieren.

    Aus den Fragen des Publikums stachen besonders die Rassismusvorwürfe gegen Beck heraus. Sie habe in einer Vorlesung das N-Wort ausgesprochen und dies in einem Aufsatz, den der Fragesteller als „pseudowissenschaftlich“ bezeichnete, verteidigt. Eine weitere Fragestellerin warf ihr vor, verbale Gewalt gegen BIPOC-Studierende in Kauf zu nehmen, um Lehrveranstaltungen „interessant“ zu machen. Beck sagte daraufhin: „Ich würde diesen Text heute nicht mehr so schreiben und distanziere mich von der Verwendung dieses Wortes.“ Sie betonte außerdem, dass sie sich in einem nie abgeschlossenen Lernprozess befinde. „Ich distanziere mich von dieser Gewalt, das heißt nicht, dass sie mir nicht passiert.“ Die Studierenden schienen mit diesen Antworten nicht zufrieden zu sein, weitere Fragen dazu kamen auf. Aus Zeitgründen konnten nicht alle gestellt werden. Das Thema hat offensichtlich die Gemüter bewegt, nach Becks Teil der Veranstaltung war der ohnehin dünn besetze Hörsaal noch um einiges leerer.

    Eine weitere Frage aus dem Publikum betraf die Unterrepräsentation von Frauen in der Informatik. Die Fragestellerin merkte an, sie spreche nur von Frauen, weil es nur dazu Zahlen gebe und wollte von beiden Kandidatinnen wissen, zu welchen konkreten Gegenmaßnahmen sie „abseits der bekannten und gescheiterten Wege“ bereit wären. Beck gab die Frage mit den Worten „Haben Sie Ideen?“ zurück, woraufhin die Fragestellerin einen Einstellungsstopp für Männer vorschlug, was Beck schlussendlich ablehnte und der Fragestellerin riet, sich Mentorinnen in anderen Fächern zu suchen. Damit war diese offensichtlich unzufrieden, denn als sie die Frage ein zweites Mal an Obergfell richtete, betonte sie besonders, sie wolle keine persönlichen, sondern strukturelle Ansätze. Obergfell bekräftigte, wie wichtig ihr persönlich das Thema sei, und dass es dringend mehr weibliche Vorbilder brauche. Wie sie das erreichen will, blieb jedoch offen.

    In ihrem Abschlussstatement betonte Beck noch einmal die gesellschaftlichen Herausforderungen. Um diese zu lösen, „müssen wir uns mehr trauen, als wir bisher gewohnt sind.“ Obergfell sagte, sie wolle aus den an der HU und der Uni Leipzig erprobten Wegen „die beste aller Welten“ bilden. Beide waren auf Nachfrage bereit, auf aus Zeitgründen nicht gestellte Fragen der Studierenden per Mail einzugehen, baten aber um Geduld bei der Beantwortung.

    Der dritte Kandidat Ulf Diederichsen, Professor für Organische Chemie und bis 2021 Vizepräsident für Forschung der Georg-August-Universität Göttingen, ist leider am 11. November verstorben. Der Erweiterte Senat entscheidet am 23. November, wer neue Rektorin der Universität Leipzig wird.

    Fotos von links nach rechts: Matthias Heyde; Swen Reichhold/Universität Leip­­­zig, SUK

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