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  • Bei Kaputter Kaffeemaschine – auf in’s Café Kaputt!

    Defekte Haushaltsgeräte sind oft nur oberflächlich kaputt. Wer dem strukturellen Zwang des Wegwerf-Konsums die Stirn bieten möchte, kann im Café Kaputt lernen, das meiste wieder zum Laufen zu kriegen.

    Miriam hat eine Lampe ergattert. Die ist kaputt und Bernd, gelernter Feinmechaniker, hilft ihr, herauszufinden, wo das Problem liegt. Dazu baut man die Lampe auseinander. Auseinander- und dann wieder zusammenbauen, das geht mit mehr Dingen im Haushalt und einfacher als gewöhnlich gedacht.

    Nachdem sie die Kabel, den Schalter und die Glühbirne überprüft haben, erkennt Bernd, dass der Stecker das Problem ist. Das Ersatzteil, ein sogenannter Schukostecker, fehlt, also entschließt sich Miriam, ihren restlichen Nachmittag im Café Kaputt damit zu verbringen, die Farbe abzuschleifen. Reparieren und Schickmachen, das geht mit allerlei Haushaltsgeräten und vielem mehr, im Café Kaputt.

    Drinnen sitzen Theresa und Stephan, und reparieren mit Andreas Unterstützung zwei Espressoautomaten. Der ist studierter Informatiker und Tüftel-Autodidakt. Theresa repariert in ihrer Freizeit auch Spielekonsolen für Freund*innen, aber bei den AEG-Espressoautomaten ihrer Eltern entschied sie sich, die Hilfe im Café Kaputt anzunehmen. Während Andreas anhand einer aus dem Internet gecrowdsourcten Troubleshooting-Anleitung die AEG Maschine durchwartet, beklagt sich die Informatikstudentin über den Kundensupport bei Hightech-Haushaltsgeräten, den es ihres Gefühls nach gar nicht so richtig gibt. Auch dass vieles immer schwerer selbst zu reparieren wird, bemängelt sie: „Batteriewechsel sind oft nicht mal ohne Weiteres, geschweige denn ohne Garantieverlust, möglich.“

    Das Team im Café Kaputt setzt sich aus ein paar Festangestellten, einigen Bufdi-s und einer ganzen Menge freiwilligen Helfer*innen zusammen. Zum Beispiel ist da Linda, die Kulturmanagement studiert hat und über ihren Bufdi zum Café gekommen ist. Inzwischen ist sie fest angestellt, schultert so einiges der Orga, und freut sich, ständig neue, praktische Dinge zu lernen. Die oben schon erwähnten, Bernd und Andreas, machen auch beide einen Bufdi. Bernd findet es als Rentner gut, sein Wissen weiter zu vermitteln, aber über den Kontakt zu jüngeren auch im Zeitgeist bleiben zu können. Dann sind da noch Meta, die die anderen „den sozialen Anker nennen“ und Tim, „Computer beziehungsweise Linuxexperte“, die wie etwa 30 andere freiwillig helfen und eben in ihrer Freizeit im Café auftauchen.

    Eine Hauswand mit allerlei Graffitis. Es ist eine vierköpfige Schlange und ein Willkommensschild zu sehen.

    Auch der Eingang ist verziert mit wiederverwendetem Stahlschrott.

    Bernd hat das Café Kaputt 2014 aus pädagogischem Anspruch mit aufgebaut. Es ging darum, Leuten, vor allem damals Jugendlichen, beizubringen, “dass man nicht immer gleich wegwerfen muss.“ Da hakt Meta ein: „Wir behandeln hier aber nur Symptome“. Viel dringender müssten Dinge langlebiger und nachhaltiger produziert werden, Garantiezeiten verlängert werden und Firmen eben dazu gezwungen werden, das auch so zu machen. “Wie und wo produziert wird, ist wichtig“. Dabei seien die Konsumenten*innen relativ machtlos, auf ihnen würden aber die Folgen von Billigproduktion und Abzocke abgeladen. Produkte werden zunehmend so designt, dass sie, wenn sie kaputt gehen, nicht mehr mit Haushaltsgegenständen oder einfach erhältlichen Teilen reparierbar sind und gleichzeitig gilt „wenn man nicht was Neues hat, ist man nichts mehr, das zwingt zu dieser narzisstischen Selbstbefriedigung“, sagt Meta.

    Natürlich bedient das Angebot des Café Kaputt eine ohnehin schon alternative, kapitalismuskritische Crowd. Gleichzeitig hilft Öffentlichkeitsarbeit, wie zum Beispiel auf Stadtteilfesten oder Messen mit einem Stand vorhanden zu sein, die Idee des selbstständigen Heilmachens an die Leute zu bringen. „Leute wissen gar nicht, was sie reparieren können“, sagt Bernd.

    In Thüringen gibt es mittlerweile ein Pilotprojekt, welches die Reparaturkosten von Haushaltsgeräten mit bis zu 100€ subventioniert. Für solche Legislatur setzt sich auch das Café Kaputt ein, am besten wäre aber natürlich bundes- oder weltweit. Auch hier gilt aber wieder das Symptom-Manko.

    Viele Sachen muss man vielleicht gar nicht erst zur Reparatur bringen. Im Café Kaputt erhält man gegen Spende Beratung und lernt, selbstständig Kaputtes wieder zum Funktionieren zu bringen. Auf die Spenden ist das Café Kaputt aber angewiesen: Davon werden die Miete, Werkzeug und das Ersatzteillager finanziert. Sonst kann man sich auch als ehrenamtliche Helfer*in einbringen. Dafür braucht es keine große Expertise, wenngleich ausgebildete Elektriker*innen auch sehr gerne gesehen werden.

    Falls man gerade nichts zum Reparieren hat, kann man auch an einem der Praxisworkshops teilnehmen. Zuletzt gab es einen Kurs, in dem man lernen konnte, aus alten T-Shirts Unterhosen zu nähen. Andere Beispiele waren ein Einstiegskurs für Nähmaschinen oder Workshops rund ums Löten.

    Fotos: Julius Mau

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