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    Bunte Emaille-Schilder waren zwischen 1890 und 1950 in beinahe jeder Innenstadt zu finden. Aktuell ist eine Auswahl der Schilder in der Sonderausstellung „Reklame! Verführung in Blech“ zu sehen.

    Werbung ist heutzutage durch ihre Omnipräsenz im Alltag und in den Medien für die meisten von uns etwas lästig. Normalerweise möchte man davon Abstand nehmen, anstatt sich in der Freizeit damit zu beschäftigen. Doch die Ausstellung „Reklame! Verführung in Blech“ bringt die interessante Geschichte von Emaille-Schildern auf eine ansprechende Weise näher und eröffnet Besucher*innen damit einen neuen Blick auf das Thema. Der erste Teil der Ausstellung thematisiert die Anfänge von Reklame und die sozioökonomischen Verhältnisse ihrer Entstehungszeit. Dabei wird nicht einfach nur Werbung präsentiert, vielmehr ist die Ausstellung kulturhistorisches Zeugnis einer Zeit, die maßgeblich von der industriellen Revolution geprägt war. Eine anschließende Installation zeigt das Büro der fiktiven Agentur „Orange Ad“ und verschafft einen Überblick über die Arbeit heutiger Werbeprofis. Vom 26. November 2020 bis zum 9. Mai 2021 wird die Ausstellung im Grassimuseum für Angewandte Künste präsentiert.

    Emaille-Schilder erlebten ihre Blütezeit zwischen 1900 und dem Ende der 1930er Jahre. Durch die Industrialisierung wurde die Produktion von Gütern in großen Mengen möglich, und diese sollten mittels Werbung an den Mann beziehungsweise an die Frau gebracht werden. Im Gegensatz zu herkömmlichen Papierplakaten sind Emaille-Schilder witterungsbeständig und haben eine lange Lebensdauer, was sie heute zu beliebten Sammlerstücken macht. Präsentiert werden hier etwa 300 Stück in verschiedenen Formen und leuchtenden Farben, von denen einige durch Leipzigs Status als Messestadt einen Lokalbezug haben. Der Großteil der ausgestellten Schilder stammt aus dem Besitz des Leipziger Sammlerehepaars Sonja und Gert Wunderlich, die insgesamt um die 700 Schilder besitzen. „Inzwischen liegt der Wert mancher Schilder bei 15.000 bis 20.000 Euro“, sagt Sabine Epple, Kuratorin der Ausstellung.

    Starke Farbigkeit und Kontraste, betont einfache Formen sowie eine flächige Gestaltung machen die Motive und ihre Botschaft so eingängig. Durch die Reduktion in der Gestaltung verstehen potentielle Kund*innen selbst im schnellen Vorbeigehen sofort, um welches Produkt es geht und was es kann. Oft sind auch eine Werbefigur und ein Logo abgebildet, die der Marke einen Wiedererkennungswert verleihen. Was für uns heutzutage selbstverständlich ist, war damals sehr innovativ. Gewisse Werbestrategien haben sich bis heute gehalten. Zum Beispiel, dass eben nicht nur ein Produkt, sondern auch ein Lebensstil verkauft werde, erklärt Epple. Einige der ausgestellten Marken, wie Persil oder Dr. Oetker, haben heute noch Bestand.

    Dass unter den Motiven der Werbeschilder teils sexistische und rassistische Darstellungen vorhanden sind, überrascht leider nicht. Sie sind in einer Zeit entstanden, in der es nicht unüblich war, eine Seife als „Putzfrau in der Dose“ anzupreisen. Sogenannte Kolonialwaren wie Schokolade, Kaffee und Zigaretten werden häufig mit Darstellungen von People of Color beworben, die das Produkt in dienender Manier hochhalten. Begleitende Texte liefern Informationen über den historischen Kontext und ordnen das Dargestellte aus heutiger Sicht als diskriminierend ein. Die Schilder trotz des kritischen Inhalts zu zeigen, hält Epple für richtig: „Ich denke, das Museum ist ein guter Ort, um sich wissenschaftlich und fundiert mit solchen Problematiken auseinanderzusetzten.“

    Titelfoto: Esther Hoyer

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