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    Was macht eine gute Stadt aus? Die europäischen Minister*innen für Stadtentwicklung haben diese Frage in einem Strategiepapier beantwortet, dessen Namensgeberin die Stadt Leipzig ist.

    Die Geburtsstunde des europäischen Strategiepapiers für Stadtentwicklung fällt in das Jahr 2007 – es entsteht die sogenannte Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt. Ende letzten Jahres haben die für Stadtentwicklung zuständigen europäischen Minister*innen die Neue Leipzig Charta verabschiedet, eine aktualisierte Version des Stadtentwicklungspapiers. Diese basiert unteranderem auf einer 2017 durchgeführten Evaluation der ersten Leipzig Charta. Die neue Version soll den Herausforderungen unserer Zeit gerecht werden, allen voran der Digitalisierung und der Krisenfestigkeit einer Stadt. Die darin beschriebenen Kernprinzipien liegen in der Idee einer grünen, sozialen und produktiven Stadt. Der Begriff der Stadt wird dabei in drei räumliche Ebenen geteilt: das Quartier, die Gesamtstadt und die Stadtregion. Karolin Pannike, vom Leipziger Stadtplanungsamt, sagt: „Ein wichtiger Aspekt der neuen Charta ist das Prinzip der das Prinzip der kooperativen, themenübergreifenden – integrierten- Stadtentwicklung. Auch wird in der neuen Charta ein größerer Fokus auf die Gemeinwohlorientierung gesetzt. Angesichts der aktuellen Situation zeigt sich wie wichtig es ist kommunale Infrastrukturen bezahlbar und für alle vorzuhalten. Auch bei Bodenpolitik darf nicht nur um den Profit einzelner Eigentümer gehen.“

    Das europäische Abkommen ist jedoch kein verpflichtendes Papier. Der beratende Charakter der Charta liege auch daran, so Pannike, dass die europäischen Städte vor sehr verschiedenen Rahmenbedingungen stehen. Die Städte seien in ihrer Größe, Bevölkerung und Kultur zu unterschiedlich, als dass ein Papier für ganz Europa verbindend beschlossen werden könne. Auch warnt Pannike davor, europäische Papiere zu hoch einzuschätzen. Sie seien eine wichtige Orientierung auch im Sinne eines Prüfrasters für alle Ebenen (EU, Bund, Land und Kommunen), auch für Förderprogramme, sie sind jedoch letztlich „nur“ eine Absichtserklärung der Mitgliedsstaaten.

    Die mittels der Charta eingeräumte Möglichkeit für Förderprogramme von staatlicher und privater Seite stellt dennoch eine Chance für viele Städte dar. Oft fehlt es den Städten an Geld, um ihre Projekte durchzusetzen. Dabei sollte dieses Geld von ebendenjenigen kommen, die für Deutschland diese Charta beschlossen haben. Die Rede ist vom Ministerium des Innern, für Bau und Heimat.

    Als die Charta 2007 erstmals entwickelt wurde, hatte sich Leipzig bereits seit Beginn der 2000er Jahre im Rahmen einer anderen EU-Initiative auf die Entwicklung benachteiligter Quartiere fokussiert, unter anderem um den sozialen Zusammenhalt der Stadt zu stärken. Dieser Ansatz habe zu der Idee der Stadtentwicklungscharta gepasst, sodass die Charta Entwickler die Stadt sogleich zur Namensgeberin auserkort hatten, erzählt Pannike. Dabei sei die Stadt eines der guten Beispiele in der EU gewesen.

    Thomas Kumbernuß (Die PARTEI) sitzt für die Linke im Stadtrat als Sprecher für Stadtentwicklung. Er bemängelt, dass sich seit 2007 nur wenig getan habe, trotz der Leipzig Charta. Die Stadt müsse sich die Frage stellen: „Möchte ich eine solidarische Gesellschaft, wo alle miteinander leben können oder möchte ich eine Stadt für den Besitzer von Amazon?“  Mit der neuen Legislaturperiode des Baubürgermeisters beginne jedoch ein Umdenken in der städtischen Politik, welches Kumbernuß sehr begrüßt. Ob der neue Wind von Brüssel hierüber weht, bleibt offen. Die zwei großen Bauprojekte der Stadt jedenfalls entsprechen sowohl den europäischen Idealen, als auch dem neuen Selbstbild der Stadt.  Geplant sind der Eutritzscher Freiladebahnhof und das Areal Bayerischer Bahnhof. „Beide Projekte lassen neuen Wohnraum entstehen und verbinden dies mit Kultur. Dadurch entsteht eine Dezentralisierung der Kulturzentren. Auch werde auf bezahlbaren Wohnraum gesetzt. Am Bayerischen Bahnhof wird dies mit einer Quote von circa 30 Prozent umgesetzt“, sagt Kumbernuß. Problematisch sei aber weiterhin, dass private Unternehmer viele Flächen und Gebäude im Süden und im Westen der Stadt aufkaufen und dort teurer Wohnraum entstehe.

    Auch Klimaziele und Mobilität spielen in der Charta eine wichtige Rolle. Kumbernuß wünscht sich im Hinblick auf die Neue Leipzig Charta mehr Mut zum autolosen Verkehr oder wenigstens erhebliche Einschränkungen für Autofahrer, wie ein Tempo-30-Limit im gesamten Stadtgebiet. „Man stelle sich mal vor, 20.000 Leipziger kämen auf die Idee, sich ein Pferd anzuschaffen und wollen dazu eine Fläche vor dem Haus, wo das Pferd weiden kann und in der Innenstadt eine Fläche, wo die Pferde angebunden werden können. Am Ende der Verdauung hinterlassen Pferde diverse Abfälle. Diese sollen von der Stadt kostenlos beseitigt werden oder von der Allgemeinheit getragen werden. Genau das Gleiche passiert auch mit Autos. Für die Umweltschäden, die die Autos hinterlassen, zahlt die Allgemeinheit“, sagt Kumbernuß. „Das Autofahren muss regelrecht unattraktiv gemacht werden.“

    Titelfoto: Stadt Leipzig

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