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  • Rutschgefahr

    Kolumnistin Theresa hat den folgenden Text schon ein paar Mal probiert zu schreiben. Ein Bild im Kopf half zu begreifen, warum die ersten Versuche schiefgingen, bevor dieser gelang.

    Ich gehe zum Kühlschrank und nehme mir ein Ei aus einer vollen Eierschachtel. Es sieht perfekt aus, kalkig und kalt. Es schmiegt sich in meine Handinnenflächen mit seinen Poren. Eine kleine Feder klebt daran, die aber kaum stört. Dieses Ei ist mein Kolumnenthema. Ich will es greifen und umschmeicheln. Auf keinen Fall soll es zerbrechen.

    Ich hacke den ersten Buchstaben des Textes in den Computer. Wort um Wort setzt sich auf den Bildschirm und ich spüre, wie es knirscht, Einwand nach Einwand schleicht sich ein. Ich zerdrücke das Ei. Kalte Masse dringt zwischen meinen Fingern hindurch, schleimig trieft es auf den Boden. Kleine, dreieckige Schalenstückchen werden mitgerissen in der milchigen Eiweißmasse, die ohne Grazie auf rotgemusterten Linoleumboden klatscht. Geil, denke ich, aber vielleicht ist es zu retten. Einige Minuten später mache ich dramatische, aber hoffnungslose Schneeengel in einem Gemisch aus Ketchup, Marmelade und meiner mal so perfekten Themaidee.

    Kolumnistin Theresa ringt manchmal um die richtigen Worte.

    Ich gebe es ja zu: Das hier ist ein verzweifeltes Omelett aus Textversuchen über Cancel Culture auf Twitter (wurde zu kommentarig-politisch), über Rezo (hat er für seine Entscheidung, seine Meinung auf Zeit Online nicht mehr so oft kundzutun, meinen Respekt verdient?) und übers Wolkenbeobachten durch das Dachfenster meines alten Kinderzimmers (dank enormer Kurzsichtigkeit leider nur ein sehr verschwommenes Ding geworden). Und ich bin mir nicht sicher, ob das hier jetzt besser ist. Denn obwohl ich versuche, mich zu retten, indem ich über Form statt Inhalt spreche, ist auch dieser Text anfällig. Man könnte zum Beispiel korrekterweise anmerken, dass die Metapher wirklich klingt, als hätte ich einen ungesund gezwungenen und perfektionistischen Umgang mit meinen Texten. Und man könnte mir durchaus unterstellen, die Metapher sei ziemlich inkonsistent. Eier müssen schließlich zerbrochen werden, damit man ein leckeres Pfannengericht aus ihnen herstellen kann. Außerdem zu kritisieren: Eier müssen nicht zwingend im Kühlschrank aufbewahrt werden.

    Was mir aber in diesem Prozess bewusst wurde, ist, dass ich oft mit meinen Texten dann unzufrieden werde, wenn ich Eindruck schinden will. Kein Wunder, dass mir die Themen dann unter diesem Anspruch zerbrechen, leerlaufen und zwischen den Fingern zerrinnen. Leser*innen riechen sowas von weitem. Ich kenne ja selbst, wie es mich ärgert, wenn ich spüre, dass Autor*innen mit Gewalt arbeiten, anstatt sich und dem eigenen Thema Verletzlichkeit zugestehen. Eine meiner Lieblingsautorinnen, Christa Wolf, schrieb einmal über ein von ihr geschätztes Werk, dass es „eine schöne Geschichte“ gewesen sei, „rund und fest wie eine Glaskugel“. Deshalb gelingt es mir vielleicht doch noch, diesen Text zu Ende zu bringen. Ich streiche diesem Ei-Thema zärtlich über die Schale und lege es zurück in die mittlerweile einsame Eierschachtel im Kühlschrank. Gerettet durch Ausdruck statt Eindruck.

    Titelfoto: Pixabay

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