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  • Es ist nicht alles grün, was wächst

    Für unsere Oktober-Ausgabe haben wir einen Landwirt begleitet, der nichts von einer Klimakrise wissen will – und doch Klimaschutz betreiben würde. Wenn er denn bezahlt wird.

    Mit einer Selbstverständlichkeit, die nur Gewohnheit hervorbringen kann, fährt Felix Krobitzsch vom Hof zu einem Feld, parkt dort und erklärt in einem Sächsisch, das so breit ist wie seine Schultern, den gerade vor sich gehenden „Stoppelsturz“. Zwischendurch sam­melt er Müll von seinen Feldern und legt ihn auf den rechten Rücksitz seines Autos, der schon voll mit Unrat aller Art ist: alte Masken, Flaschen, Papiere. Dann steigt er wieder ein und fährt auf einen Feldweg, zeigt auf Maisfelder und tut das alles, als seien ihm die Fachbegriffe, mit denen er um sich wirft – Stoppelsturz, Luzerne, stabilisierter Dünger –, in die Wiege gelegt worden. Irgendwie stimmt das auch.

    Krobitzsch ist auf dem Bauernhof der Familie großgeworden, seit 100 Jahren beackert diese hier den Boden. „Ich bin von Geburt an Landwirt“, sagt er. Gegen den Willen seines Opas: „Mach das nicht, damit verdient man kein Geld“, habe der gesagt. Krobitzsch tat es doch und hat die Erträge noch gesteigert. „Kann ja dann nicht sein, dass wir den Boden kaputt machen“, sagt er in diesem leicht entrüsteten Tonfall, den er immer bei Fragen zur Nachhaltigkeit seines Betriebs hat. Auch eine Klimakrise sieht Krobitzsch nicht und zitiert passend eine alte Bauernweisheit: „Auf sieben trockene Jahre folgen sieben nasse Jahre.“

    Trockene Jahre hat Krobitzsch jedenfalls schon einige erlebt. 2018 und 2019 waren zwei der drei wärmsten Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1766. Kro­bitzsch hat 2018 ein Drittel weniger als im Vorjahr geerntet, auch 2019 fuhr er unterdurchschnittliche Erträge ein.

    An der Klimakrise ist die Landwirtschaft selbst nicht ganz unschuldig. Sie stößt 7,4 Prozent der Treibhausgase in Deutschland aus, ist somit die drittgrößte Verursacherin von Emissionen nach der Industrie (7,5 Prozent) und der Verbrennung von fossilen Brennstoffen (82,9 Prozent). Gar nicht miteinberechnet sind dabei Stromnutzung, Verpackung und Transport der Erzeugnisse: „Betrachtet man den gesamten Lifecycle, kommen wir etwa auf die doppelte Emissionsmenge“, sagt Guy Pe’er, Agrarwissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig.

    Krobitzsch kommt demnach als Landwirt eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Klimakrise zu. Er leitet die Wachauer Agrar und Transport GmbH, die mit ihren etwa 1.500 Hektar Anbaufläche zu den größten Landwirtschaftsbetrieben in Deutschland gehört. Er sagt sogar, er wolle „mit Sicherheit mehr für den Klimaschutz tun“. Und zählt auf, dass er weniger mineralischen Stickstoff verwenden wolle, die Traktorenflotte von 50 auf fünf verringert hat und so Diesel spart. Dass er chemische Pflanzenschutzmittel so selten wie möglich einsetze. All diese Maßnahmen, das sagt er selbst, dienen aber nicht primär dem Klimaschutz. Diesel, Dünger und Pestizide sind nämlich vor allem eines: teuer.

    Ein Traktor fährt über ein Feld mit einem Stoppelstürzer

    Einer von fünf Traktoren in Krobitzsch’ Betrieb, hier beim Stoppelsturz zu sehen.

    Klimaschutz ist für Krobitzsch, was für Studierende Putzen ist: Gut, wenn man dafür bezahlt wird oder den eigenen Lebens- und Arbeitsraum dadurch nutzbar hält. Und sei es nur um der eigenen Mitbewohner*innen willen, aus Solidarität oder Freundschaft. Er pflege auch die Hecken und Wälder ringsum, selbst wenn sie nicht zum Betrieb gehören, erzählt Krobitzsch. Er achtet auf gute Beziehungen zu den Imker*innen der Umgebung und spricht mit ihnen ab, wann er Pflanzenschutzmittel versprüht, damit sie währenddessen die Bienen im Stock behalten. „Ich will die Bienen ja nicht vergiften“, sagt er, wieder leicht entrüstet. Er sagt aber auch: „Irgendjemand muss für die Maßnahmen bezahlen.“ Sie betreffen die gesamte Gesellschaft, jede*r müsse etwas dazu beitragen, auch finanziell. „Ohne Subventionen kein Klimaschutz. Die sollen uns vor­geben, was wir zu tun haben und bezahlen. Wenn ich dasselbe Geld bekomme, ist es okay.“

    „Die“, das ist die Europäische Union. Sie gibt jährlich 60 Milliarden Euro für Landwirtschaft aus, damit sind Agrarsubventionen der größte Ausgabenposten im Haushalt. Ohne Subventionen würde er keinen Profit machen, sagt Krobitzsch, fast kein*e Landwirt*in würde das – insofern hatte Krobitzsch‘ Großvater recht. Dementsprechend wichtig ist die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU-Staaten. Nur bietet sie kaum Anreize, über das absolute Minimum der vorgeschriebenen Umwelt- und Klima­schutzmaßnahmen hinauszu­gehen und ist mit viel büro­kratischem Aufwand verbun­den. „Wir arbeiten unter freiem Himmel“, sagt Krobitzsch, der sich sogar in seinem Büro neben den dicken Ordnern auf jedem Regal mit Modellen und Fotografien von Traktoren und Mähdreschern umgibt. „Wer die ganze Zeit im Büro sitzt, kann das vielleicht machen. Wir nicht.“ Umweltschutz müsse „vernünftig passieren“, fordert er.

    Und vielleicht findet er den Klimawandel auch gar nicht so trivial, wie es „sieben trockene Jahre und sieben nasse Jahre“ wirken lässt. Zu Fridays for Future hat Krobitzsch zwar keine Meinung, sagt er, er finde es aber „gut, dass ruckartig was gemacht wird“. Es müsse schließlich nicht sein, dass jede*r ständig herumfliegt. Er redet darüber, dass man regional einkaufen solle, verkauft möglichst immer an denselben lokalen Händler. Besonders übermäßige Verpackungen sind ihm ein Dorn im Auge. Sein Betrieb kümmert sich um Teile der Abfallentsorgung der Region, daher bemerke er viel davon, erzählt er. Dazu dient nicht nur der Rücksitz seines Autos, seine Firma vermietet auch Lastwagen. Besonders die Produzent*innen müssen bei der Verpackungsvermeidung in die Pflicht genommen werden, findet er. In einer Verantwortung zur Bekämpfung des Klimawandels sieht er sich und seinen Betrieb aber nicht: „Wir können höchstens effizienter arbeiten.“

    Risse im trockenen Boden zwischen Zuckerrübenblättern

    Die Zuckerrüben haben mit der Trockenheit zu kämpfen.

    Nur bedeutet Effizienz im Umweltschutz nicht das Gleiche wie Effizienz im Anbau. Laut Guy Pe’er ist das Beste, was Landwirt*innen für ökologische Nachhaltigkeit tun können, Biodiversität zu fördern. Und Krobitzsch versucht das auch. Zum Beispiel hat er auf einigen Feldern neben dem Getreide Klee ausgesät, der Insekten bei der Nahrungssuche und Bestäubung und dem Boden bei der Wasseraufnahme hilft. Genau das war aber das Problem: Der Klee hat so viel Wasser gezogen, dass es für Krobitzsch unmöglich war, innerhalb eines Jahres auf demselben Feld wie üblich zwei Kulturen anzupflanzen. Sie sind für den Bauern deswegen enorm unren­tabel.

    Krobitzsch produziert, was sich rentiert. Inzwischen beginnt er sogar, Bio-Produkte anzubauen, obwohl er gern mal über Bio-Landwirt*innen spöt­telt. Diese Art von Landwirtschaft bringt aber seine eigenen Probleme mit sich. Gut sichtbar ist das, als Krobitzsch auf einem Feld mit Zuckerrüben steht. In der Mitte, zeigt er, wachsen trotz erneuter Trockenheit die Rüben gut, Reihe um Reihe, dicht an dicht. Dann läuft er ein paar Schritte an den Rand des Felds, dorthin, wo die Maschine mit dem Herbizid nicht hinkommt. Das Ergebnis ist viel Unkraut – „Beikraut, wie die Öko-Liebhaber sagen“, frotzelt Krobitzsch – und wenige Rüben. Doch ganz ohne Pflanzenschutzmittel geht es nicht: „Wenn wir alles auf Öko umstellen, brauchen wir Studenten, die Unkraut rupfen.“ Letztlich tut Krobitzsch das, was seinen Betrieb am Laufen hält. Das heißt aber nicht, dass er aufhört, zu experimentieren. „Der Bäcker, von dem ich mein Brot hole, hat gesagt, ich soll für ihn Dinkel anbauen“, erzählt Krobitzsch. „Da hab ich mich drum gekümmert“, sagt er. Und sät dieses Jahr prompt zum ersten Mal Dinkel aus.

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