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    In einer Zeit, in der autoritäre Regime öffentliche Kameras immer häufiger zur Repression einsetzen, werden Gegenstrategien entwickelt. Einesdavon ist IP/Privacy der Leipzigerin Nicole Scheller.

    Flächendeckende Überwachung durch Kameras im öffentlichen Raum wird vor allem in Städten immer präsenter. Viele Menschen empfinden dies als eine enorme Einschränkung ihrer Privatsphäre. So auch Nicole Scheller, die mit ihrem Projekt IP/Privacy Kleidung designt, die unter anderem darauf ausgerichtet ist, Gesichtserkennung durch Kameras zu ver­hindern und somit die Privats­phäre zu schützen.

    „Es geht bei dem Projekt darum, wieder die freie Entscheidung zu haben, ob man von Kameras aufgenommen werden möchte oder nicht“, sagt Scheller, die im sächsischen Schneeberg und Kopenhagen Modedesign studiert hat und in Leipzig lebt und arbeitet.

    Die Idee für die Kollektion kam ihr während ihres Auslandsjahres in Kopenhagen, als sie sich vermehrt die Frage stellte, wie wir eigentlich mit unseren persönlichen Daten umgehen und unsere Identität schützen können. Daraus entstand ihr Bachelorprojekt IP/Privacy, das als bestes ihres Jahrgangs 2017 geehrt wurde.

    Inspiration fand sie dabei unter anderem beim britischen Modedesigner Adam Harvey, dessen Stealth Wear 2013 die Modewelt aufrüttelte. Seine Kollektion beinhaltet unter anderem einen Anti-Drohnen-Schal, einen Kapuzenüberwurf, der vor der totalen Überwachung schützen soll und ein Röntgenblocker-T-Shirt.

    Nicole Schellers Kollektion befindet sich momentan in der Entwicklungsphase, die Kleidungsstücke sind alle noch Prototypen. Das zugrunde liegende Konzept beinhaltet drei Hauptfunktionen, die in verschiedenen Kleidungsstücken umge­setzt wurden. Die erste Funktion ist zum Beispiel in einer Bomberjacke „verbaut“ und besteht hauptsächlich aus dem Design selbst. Mit seiner Größe, seinem Volumen und seiner Asymmetrie entspricht es bewusst nicht der menschlichen Körperform. „Dadurch wird die menschliche Form so aufgebrochen, dass ein Algorithmus oder Erkennungssystem einen durch die Unförmigkeit nicht als Mensch erkennt.“

    Das „Black & White Pattern“ ist die zweite Funktion und in unterschiedlicher Skalierung sowohl Bestandteil eines Kleides, einer Bomberjacke, als auch eines Pullovers. Dasselbe Muster ist mehrmals auf dem Kleidungsstück vorhanden, der Algorithmus kann somit nicht mit absoluter Sicher­heit bestätigen, dass es sich nur um eine Person handelt. Er identifiziert die Jacke zum Beispiel als Person mit zehn Gesichtern. Das ergibt für den Algorithmus keinen Sinn, und daher „erkennt“ der Algorithmus einen nicht mehr.

    Der Mantel, in dem die dritte Funktion integriert ist, ist primär gegen Nachtsichtkameras einsetzbar. Nachsichtkameras gehen mit Infrarotlicht gegen die Dunkelheit vor. Die Kapuze des Mantels ist mit kleinen LED Lichtern ausgestattet und schickt sozusagen dasselbe Licht wieder in die Kamera zurück – es entsteht ein Überblendungseffekt.

    Bei Kleidungsstücken wie dem Mantel ist Scheller sehr froh, Unterstützung von ihrem Teamkollegen Marcel Göbe zu haben, der Informatiker ist. Aktuell sind die beiden noch auf der Suche nach einem Betriebswirt, um das Projekt auch am Markt erfolgreich umzusetzen.

    Manch einer mag sich jetzt denken, dass das eigentlich die perfekte Kleidung für einen Banküberfall sein müsste. Da­rauf angesprochen meint Scheller, dass es „immer spannend ist, wenn man sagt, dass das was für Kriminelle ist. Dabei geht es bloß um unsere Privatsphäre. Ich designe keine Kleidung für Kriminelle. Das sieht man auch daran, dass die Designs extrem auffällig sind. Darin eine Bank zu überfallen wird sehr schwierig.“

    Wenn die Klamotten verkauft werden können, wird das wohl vor allem online passieren. „Wenn die Kollektion zum Beispiel in China ankommt und dort die Systeme austrickst, dann habe ich mein Ziel erreicht.“

    Titelfoto: Franz Grünewald, Nicole Scheller

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