• Menü
  • Hochschulpolitik
  • Zu kurz gedacht

    Das digitale Semester birgt für alle Beteiligten Herausforderungen. Noch ist eine gerechte Lehre an der Universität Leipzig nicht gewährleistet. Ein Kommentar von Sophie Goldau.

    Die Krise zeigt, was vorher schon ersichtlich war: Wenige Hochschulen sind auf eine flächendeckende Umstellung ihrer Lehre auf ein digitales und dennoch barrierefreies Studium eingestellt. Die Universität Leipzig gehört nicht dazu.

    Fakt ist: Wie es jetzt läuft, ist eine gerechte Lehre nicht gewährleistet. Vorlesungen, die nicht aufgenommen werden oder zu denen nur wenige Teilnehmer*innen eines Moduls zugelassen werden; Dozierende, die sich bisher auf den baldigen Präsenzstart ihrer Ver­an­staltung verlassen haben oder diejenigen, die schon seit Woche zwei Prüfungsvorleistungen einfordern. Es ist offen­sichtlich: Die Mehrheit der Dozierenden ist für die digitale Lehre nicht ausreichend qualifiziert und auch die digitale Infrastruktur zeigt Defizite auf. Dabei gab es ja seit Jahren die Möglichkeit für Do­zierende, an Workshops zur Barrierefreiheit teilzunehmen. Warum sahen so wenige die Notwendigkeit dazu?

    Die Versäumnisse fallen nun auf die Studierenden zurück. Studierende, die in systemrelevanten Berufen arbeiten oder Kinder haben, können noch weniger Zeit aufbringen als sonst schon. Ein nicht kleiner Teil der Studierendenschaft ist auf Barrierefreiheit angewiesen und wenn alle Homeoffice betreiben, ist das WG-Internet schnell überlastet. Ganz zu schweigen von denen, die gar keinen Zugang zu Computer oder Internet haben.

    Die Lösung, Module ins nächste Semester zu schieben, ist zu kurz gedacht. Es braucht zentrale Vorgaben und Regelungen in den Fakultäten, sodass Lehrende ihre Veran­staltungen nicht willkürlich gestalten können und wiederum nicht allein gelassen werden. Asynchrones Lernen muss genauso ermöglicht werden wie gegenseitiger Austausch unter Kommiliton*innen, sodass es verschiedene Möglichkeiten zur Teilnahme an Modulen gibt. Und es braucht mehr Kulanz, wenn man Leistungen nicht wie gewohnt erbringen kann.

    Digitale Lehre kann als Chance gesehen werden, die Fortschritt und Flexibilität mit sich bringt. Unter den aktuellen Umständen ist das aber kaum möglich. Stattdessen sollte die vorrangige Devise sein, alle Studierenden so unbeschadet wie möglich durch das Semester zu bringen. Die Debatte über die Digitalisierung von Lehre darf nicht ausschließlich methodisch geführt werden, sondern vor allem sozial.

    Die Universität kann nicht alle Probleme lösen. Zum Beispiel nicht, dass Studierende ihre Jobs verloren haben und sich nur knapp, oder gar nicht, über Wasser halten können. Somit hat Prorektor Hofsäss vielleicht recht, wenn er sagt, die Studierenden seien Opfer dessen, was die Gesellschaft nicht schafft. Die Uni kann aber dazu beitragen, die mentale Belastung zu mindern, unter der alle stehen, aber manche eben mehr, indem sie sich anpasst und Anpassung möglich macht. Denn sie allein trägt die Verantwortung für eine faire Lehre. Es ist wichtig umzudenken und alle mitzudenken, anstatt business as usual zu betreiben. Denn: Das Coronavirus macht uns eben nicht alle gleich.

    Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.

    Verwandte Artikel

    Luft nach oben

    Die digitale Lehre könnte gut für Barrierefreiheit und Bildungsgerechtigkeit sein. Doch an der Universität Leipzig geschieht dafür noch nicht genug.

    Hochschulpolitik | 12. Mai 2020

    Armutszeugnis

    Eine Krise bedeutet immer eine Konkurrenz der Nöte. Studierendenvertretungen kämpften seit Beginn der Pandemie für eine faire staatliche Unterstützung von Studierenden. Sie wurden bitter enttäuscht.

    Corona Hochschulpolitik Kommentar | 8. Mai 2020