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  • Kein bisschen beruhigend

    Das Gutachten der Universität zu den Polizeidurchsuchungen im Mai vergangenen Jahres soll die Wogen glätten. Das wird es nicht schaffen. Jetzt ist der Stura gefragt.

    Rekapitulieren wir noch einmal, was aus der Polizeidurchsuchungen-auf-dem-Campus-Affäre geworden ist. Zuerst, natürlich, der Aufschrei von Studierenden und dem Studierendenrat (Stura) der Universität, als Ende Mai 2019 mindestens eine Person auf dem Hauptcampus von der Polizei aufgefordert wurde, ihren Rucksack zu öffnen. Die Polizist*innen waren mit einem Spürhund auf dem Weg zu einem Einsatz am Hauptbahnhof, als der Hund wegen vermuteten Drogenbesitzes anschlugen. Einer der damaligen Stura-Geschäftsführer, Nico Laible, erklärte, man werde die Entwicklungen genau beobachten. Grundlage für Konsequenzen musste aber das Gutachten des Justiziariats der Universität sein, das war schon damals klar. Darin sollte geklärt werden, ob der Campus als öffentlicher Raum zu betrachten ist und die Polizei deswegen dort Streife laufen darf. Sobald es veröffentlicht sei, werde man eine Podiumsdiskussion mit Polizei und Studierenden organisieren.

    Im November zeigte sich dann ein ganz anderes Bild: Friedemann Wildhage, ebenfalls Geschäftsführer des Stura, erklärte gegenüber luhze, eine solche Veranstaltung würde im Stura wohl keine Mehrheit finden (Ausgabe 148). Wie bitte? Das mit der Vertretung der Studierenden betraute Gremium weigert sich anscheinend, einen Konflikt zu schlichten, dessen Lösung im Interesse der allermeisten Studierenden liegt. Immerhin wird kaum jemand gutheißen, wenn Polizist*innen regelmäßig mit ihren Spürhunden über den Campus laufen und auf Verdacht Rucksäcke öffnen lassen.

    Jetzt die neueste Entwicklung: Das Gutachten ist da. Dass es so lang gedauert hat, hat sicherlich gute Gründe. Das Skandalöse ist, dass es zunächst nicht veröffentlicht werden soll. Kanzlerin Birgit Dräger will es erst einmal nur Stura und Polizei zur Verfügung stellen. Ob es jemals an die Öffentlichkeit gelangt, ist also unklar. Dabei ist es doch gerade keines der Politikspielchen, die der Stura innerhalb des Gremiums ab und an spielt, sondern eine Angelegenheit, die von greifbarer Bedeutung für alle Studierenden ist. Alle sollten wissen können, warum die Universität das Vorgehen der Polizei an diesem Tag im Mai billigt – denn das ist das Ergebnis des Gutachtens. Dräger nennt es zwar „eine Ermessenssache, keine Ja-Nein-Frage“, kommt aber dennoch zu dem Schluss, das Verhalten der Polizei sei so in Ordnung gewesen. Das klingt sehr wohl nach einer Ja-Nein-Frage. Und zwar nach einer Ja-Nein-Frage, dessen Antwort ein schallendes „Ja“ ist.

    So klingt auch Drägers Botschaft an den Stura: „Bitte beruhigt die Studierenden. Es ist okay, wenn die Polizei über den Campus geht.“ Nichts daran ist beruhigend. Nicht, dass Dräger den Stura als Instrument zur Beruhigung der Studierenden sieht. Und nicht, dass die Polizei auf dem Campus mit Hunden umherspazieren darf. Die Studierenden waren nicht empört, weil sie eine rechtswidrige Tätigkeit vermuteten, sodass sie sich jetzt, da sie von ihrer Rechtmäßigkeit unterrichtet wurden, entspannt in ihr Zoom-Seminar begeben können. Die Studierenden waren empört, weil sie auf dem Campus in der Sonne saßen und plötzlich Polizist*innen mit Hunden auf sich zukommen sahen. Alle, die schon einmal von der Polizei kontrolliert wurden, wissen, wie unangenehm ein solcher Vorgang ist – egal ob der Verdacht begründet ist oder nicht.

    Dabei ist der genaue Hergang der Ereignisse immer noch ungeklärt. Die Polizei gibt an, nur einmal das Öffnen eines Rucksacks verlangt zu haben. Mehrere Studierende behaupteten gegenüber dem Stura jedoch, dass sie ihre Schuhe ausziehen mussten. Das Gutachten geht einfach davon aus, dass die Polizei sich gesetzesmäßig verhalten hat.

    Der Stura ist nicht dafür verantwortlich, die Studierenden zu beruhigen. Er ist aber sehr wohl dafür verantwortlich, die Interessen der Studierenden in diesem Konflikt zu vertreten. Dazu muss er das Gutachten, sobald er es erhält, allen Studierenden zur Verfügung stellen. Und endlich die Podiumsdiskussion organisieren, die er noch im Sommer versprach. Denn jetzt, wo die Universität der Polizei recht gibt, ist eine Verständigung zwischen Studierendenschaft und Polizei umso wichtiger. Niemand sollte auf dem Campus das Gefühl haben müssen, ständig unter Überwachung zu stehen.

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