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  • Wie du die ersten Tage auf dem Campus überstehst, ohne auszuflippen

    Dein Guide als Ersti für die ersten Tage an der Uni, oder wenn du schon ein Jahrzehnt hier studierest und immer noch nicht den Unterschied zwischen der Bibliotheks- und der Matrikelnummer kennst.

    Herzlichen Glückwunsch! Du hast es geschafft und bist an einer Leipziger Hochschule immatrikuliert. Oder du sitzt gerade in einer Germanistik-Einführungsvorlesung und liest das hier nur aus verzweifelter Langeweile. So oder so, das Leben an der Uni ist vor allem zu Beginn hart und das nicht nur, wenn du dich durch einen Bologna-Turbostudiengang quälen musst. Auch das Unileben abseits deines Fachs kann dich richtig stressen.

    Damit du in den ersten Tagen deines neuen Lebensabschnitts so wenig falsche Entscheidungen wie möglich triffst und dich an der Uni nicht direkt zum Vollhorst machst, geben wir dir diesen Guide an die Hand.

    Der Campus Augustusplatz

    Viele heutige Studierende wissen wenig bis gar nichts über die Bologna-Reform und ihre Folgen.

    Schau ihn dir genau an, den Campus: Im Verlauf deines Studiums wirst du ihn immer seltener zu Gesicht bekommen.

    Am ersten Tag deines Studiums wirst du vermutlich noch voller Vorfreude sein, wie du sie eben hast, wenn du das Schulsystem überlebt hast, dem elterlichen Diktat halbwegs unbeschadet entkommen bist und glaubst, nun endlich eigene Entscheidungen treffen zu können. Wenn du dich dann als Neuling das erste Mal auf dem Campus zurechtfinden musst, wirst du dich vermutlich irgendwann überfordert, reizüberflutet und desillusioniert auf einer Bank liegend im Campus-Innenhof wiederfinden.

    Der Hauptcampus der Uni ist dein Ausgangspunkt, dort erreichst du die größte Mensa, verschiedene Hörsäle, Seminarräume, den Stura, die Campus-Bibliothek und noch viele weitere Orte, (die du im Laufe deines Studiums mangels Disziplin immer seltener sehen wirst). Auch deinen Studierendenausweis kannst du hier abholen (wichtig!).

    Solltest du in letzter Minute noch einen Bafög-Antrag einreichen wollen und für alle anderen organisatorischen Angelegenheiten ist das Studenten-Service-Zentrum (SSZ) in der Goethestraße deine Anlaufstelle. Dort kannst du dich dann auch exmatrikulieren, wenn du nach zwei Wochen feststellst, dass du doch lieber durch Indien trampen würdest. Diese Entscheidung kannst du aber nochmal genau überdenken, während du gefühlt drei Stunden anstehst. Gratis Rechtstipp: Deine Eltern müssen auch nach dem 25. Lebensjahr deine Erstausbildung finanzieren, haha!

    Mensa

    Ein kühles Rotes aus der Mensa, die warme Herbstsonne und studienstartbedingte Euphorie – was will man mehr?

    So eine Campus-Erkundung ist anstrengend, weshalb sich bald dein Magen zu Wort melden wird. Vermutlich wird dir dann mit Grauen die Schulspeisung ins Gedächtnis kommen, wo du mit zurechtgestanzten „Mahlzeiten“ gemästet wurdest. Doch die Mensa am Park ist auf einem ganz anderen Niveau: Hier hast du eine große Auswahl: Vom Nudelteller für mittlerweile 2,10 Euro (die guten alten 1,90-Zeiten sind seit Beginn des Wintersemesters vorbei) über die vegane Wokpfanne bis hin zum frischen Smoothie.

    Richtig hassen wirst du dein Leben jedoch, wenn du dich um 13 Uhr in der Pause zwischen deinen beiden BWL-Vorlesungen mit all den anderen gewöhnlichen Studierenden um einen Tisch dreschen musst. Zum Glück bietet dir die Mensa auch Hopfenblütentee an, sodass du diese traumatische Erfahrung gleich hinter dir lassen kannst. Nicht vergessen – Studierendenausweis aufladen!

    Es gibt übrigens dank der Gemüsetaliban auch einen Veggie-Day. Vielleicht siehst du an jenen Tagen einige Jurastudierende aus konsequenter Anti-Haltung heraus vor der Mensa grillen und kannst ihnen eine Senfpeitsche abkaufen, weil es sonst keiner macht – Solidarität und so.

    Bibliothek

    In der Campus-Bib kannts du 24 Stunden, sieben Tage die Woche lang Bücher vor deinen Mitstudierenden verstecken.

    Während des Studiums lernst du die Bibliothek als fast schon magischen Ort zu schätzen. Zunächst deshalb, weil du keine Ahnung hast, wie du dich mit deinem überteuerten iPhone in das Uni-Netzwerk einklinken kannst. Die Studentische Hilfskraft in der Wlan-Beratung steht dir gerne zur Hilfe. Mit der Bibliotheksnummer auf der Rückseite deines Studierendenausweises kannst du dich an den PCs einloggen. Zum Ausleihen benötigst du dein Geburtsdatum als vierstellige Pin.

    Bücher mit einem grünen Aufkleber kannst du übrigens nicht ausleihen, aber keine Sorge, als besonders sozialorientierter Studierender kannst du sie ja einfach verstecken. Die Campus-Bibliothek („Campus-Bunker“) befindet sich direkt im Hörsaalgebäude. Sie bietet dir auch Gruppenarbeitsräume, für den Fall, dass du keine Lust auf fremde Menschen hast oder dich mit deiner Philosophie-Lerngruppe gerne anbrüllst. Natürlich nur Spaß, als Philosophiestudent musst du ja sowieso nichts lernen.

    Magst du es hingegen eher klassizistisch oder studierst irgendwas mit Soziologie, gehe einfach in die Bibliotheca Albertina. Die Campus-Bib hat übrigens 24 Stunden durchgehend geöffnet. Wenn du dich also in der Moritzbastei ordentlich abgeschossen hast, kannst du dich dort einfach auf einem der Sofas niederlassen und deinen Rausch ausschlafen, bis dich die Security unsanft weckt. Es gab einst eine berüchtigte Studentin, die über einen längeren Zeitraum dort gewohnt hat. Richtige Misanthropie entwickelst du übrigens dann, wenn ein Lehrbuch als Handtuch-Äquivalent einen Sitzplatz reserviert, obwohl es unter dem Semester ohnehin schon nicht gerade entspannt ist, einen freien Platz nach zehn Uhr zu finden.

    Student_innenRat (Stura)

    Gremienarbeit kommt zwar trocken daher, doch im Stura-Plenum wird es zu später Stunde oft feucht-fröhlich.

    Der Stura vertritt deine Interessen – egal, ob du dich von deinen Profs ungerecht behandelt fühlst oder dir das Mensaessen nicht vegan genug ist. Deine Fakultät verfügt auch über einen Fachschaftsrat (FSR), über den du dich in den Stura entsenden lassen kannst. Dann sitzt du Dienstagabend in einem Plenum, in dem man sich unendlich lang um Grundordnungen streitet  und du dir jedes Mal gefühlt 100 Anträge anhören musst, in denen immer die gleichen drei Leute versuchen, die Universitätskirche in Karl-Marx-Kirche umzubenennen. Wahrscheinlich wirst du das nur kurze Zeit aushalten und vor lauter Luftschlössern und Kulturkämpfen nicht mehr wissen, wer du eigentlich bist. Dann kannst du aber auch einfach mit dem FSR Vorträge über das Thema Nachhaltigkeit am Campus organisieren.

    Solltest du dich mit deinem neuen Lebensabschnitt mal richtig überfordert fühlen, findest du bei der Nightline einen geduldigen Zuhörer.

     Wohnheime

    Wohnheim: Ästhetik ist Ausschlusskriterium

    Wenn du zu der eher sozial-inkompatiblen Sorte Mensch gehörst und sich auch nach der 30. WG-Besichtigung nichts ergeben hat, bist du vermutlich im Studentenwohnheim gelandet. Mein Beileid. Bei den Wohnheimen gilt grundsätzlich die Prämisse: Ästhetik ist Ausschlusskriterium. Aber noch viel schlimmer ist, dass du dir deinen Mitbewohner nicht aussuchen kannst. Es ist schon recht unangenehm, wenn ihr euch im gemeinsamen Küchenverschnitt begegnet, um euch dann anzuschweigen oder er nachts seine ganzen Oberarm-PS dafür verwendet, die Wohnungstür möglichst unsanft zuzuballern. Da du aber nun schon da wohnst, kannst du auch die Privilegien genießen. Du musst dich praktisch um nichts kümmern, hast Internet, TV, einen VPN-Zugang zum Uni-Netz, Gemeinschafts- und Fitnessräume.

    Hast du das Jahr überstanden, ist es aber Zeit für eine richtige WG. Auch wenn du dich vielleicht daran gewöhnt hast, die Wohnungssituation in Leipzig ist (immer noch) besser als in sämtlichen anderen Unistädten.

    Studi-Jobs

    Leider auch zum Studieren unabdingbar: das liebe Geld

    Da das Studium am Anfang oft nur Selbstfindungsphase ist, in der du viel Geld für sinnlose Dinge ausgegeben wirst, kommt irgendwann eine Ebbe im Geldbeutel zum Vorschein. Wenn du also die aus Kostengründen eingeschlagene Nudeldiät nicht mehr aushältst, wird es Zeit für einen Nebenjob. Das Studentenwerk bietet dir eine Jobbörse mit täglich aktualisierten Angeboten. Dazu musst du aber mit Ausweis und Angebot persönlich antanzen.

    Wenn du keine Lust auf Kellnern oder Kasse hast, kannst du dich aber auch in einem coolen Startup als Social-Media-Mensch bewerben – dein Kommunikations- und Medienwissenschaften-Studium muss ja schließlich für irgendwas gut sein.

    Hochschulsport

    Die heiligen Hallen der hochschulsportlichen Ertüchtigung: die große Sporthalle am Campus Jahnallee

    Wenn du nicht gerade Grundschullehramt studierst, wird irgendwann der Moment kommen, in dem du in eine tiefe Sinneskrise fällst. Auch wenn das vorbeigeht, kannst du dem durch einen Ausgleich entgegensteuern. Dazu bieten dir Uni und HTWK günstige Sportkurse an. Wenn du dich jedoch früh um acht Uhr für einen Kurs im Windhundverfahren einschreiben musst, erkennst du, wie bescheiden das Leben manchmal sein kann. Die Auswahl ist dafür riesig. Kung-Fu, Yoga, Aquajogging, Gewaltprävention oder Crossfit und noch 100 andere Sportarten, in denen du Ertüchtigung oder den Grund für einen Krankenschein für deine nächste Prüfung finden kannst.

    Hochschulgruppen

    Die Students for Future Bewegung beim Gründungstreffen in Leipzig

    Wenn du zu wenig ich-bezogen für eine politische Hochschulgruppe bist, dich aber trotzdem engagieren willst: Students For Future

    Vitamin B ist alles. Deshalb brauchst du ein Netzwerk von Leuten mit gleichen Interessen. Weil das Unileben jedoch äußerst anonym sein kann, bieten dir Hochschulgruppen gute Anlaufpunkte. Bist du gerade auf Weltverbesserungstrip, kannst du dich bei Students For Future oder bei Amnesty International umschauen. Willst du irgendwas mit Medien machen, komm zu uns in die Redaktion (Hashtag keine Werbung) oder zum Lokalradio mephisto 97.6. Bist du hingegen ganz hart im Nehmen, kannst du dich einer der politischen Hochschulgruppen anschließen, am besten noch einer konservativen – das ist zumindest hier echt Punk!

    Ersti-Partys

    Kann man machen, muss man aber nicht: sich auf Ersti-Partys von Siebtsemestern abschleppen lassen

    Gerade zu Beginn des Semesters wirst du mit Ersti- und Fachschaftspartyeinladungen zugebombt. Als angepasster Langweiler der du ja noch bist, entwickelst du natürlich direkt das Bedürfnis, diese Partys abzuklären. Man kann es natürlich auch einfach lassen. Wenn du dennoch zu der Medizinparty gehst, bei der hauptsächlich Siebtsemester erfolglos versuchen, Erstsemester wie dich abzuschleppen, sag nicht, wir hätten dich nicht gewarnt. Spätestens wenn jemand „Despacito“ auflegt und du weißt, jetzt wird’s ernst, ist das ein guter Moment, zu gehen und nie mehr wiederzukommen. Anlaufstellen könnten dann der Studentenkeller Stuk, die Distillery oder das IfZ sein. Vorteil: alle drei sind nahe an den meisten Wohnheimen, sodass dein späterer Walk of Shame nicht so lange dauert.

    Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.

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