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  • „Dumme-Sprüche-Drücken langweilt mich“

    Mitte Oktober verlieh die Stadt Leipzig der Rapperin Sookee den Louise-Otto-Peters-Preis. Redakteur Paul Schuler sprach mit ihr über Bildung, politisches Engagement und Probleme der Hip-Hop-Szene.

    Der Louise-Otto-Peters-Preis ehrt besondere Leistungen zur Förderung der Gleichstellung von Frau und Mann. Sookee macht Hip-Hop mit Tiefgang. Die 34-jährige Berlinerin setzt sich in ihren Texten kritisch mit Problemen wie Sexismus und Queerfeindlichkeit auseinander.

    student!: Glückwunsch zum Louise-Otto-Peters-Preis! Wie hast du von der Auszeichnung erfahren?
    Sookee: Dankeschön. Dass ich nominiert bin, wurde mir über zweieinhalb bis sieben Ecken mitgeteilt. Dann kam ein paar Monate später die Mail von der Jury, dass ich dieses Ding gewonnen habe. Das war schon ziemlich aufregend, zumal das auch einen so offiziellen Charakter hat.

    Für wie wichtig hältst du solche Preise?
    Wertschätzung ist immer total toll. Besonders in Bereichen, in denen man nicht mit Anerkennung überhäuft wird. In Feldern, in denen es eher um eine geistige, soziale und diskursive Arbeit geht, ist Anerkennung umso wichtiger.

    Was hat dich dazu inspiriert, Rapperin zu werden?
    Das war ja kein Beschluss. Ich saß nicht rum und dachte über mein Leben nach oder hatte einen Termin beim Berufsinformationszentrum und dann kam das dabei raus. Ich habe als Kind schon gern geschrieben – besonders durch meine Eltern, die im Osten nur bedingt frei denken und noch bedingter frei sprechen konnten. Für die war Literatur natürlich ein Ort der Zuflucht. Deshalb war politisches Denken schon immer ein Thema für mich. Dann kamen einfach Bühnen und Platten dazu und das hat sich dann als logische Konsequenz in meiner Biografie festgesetzt.

    Du hältst Vorträge, organisierst Workshops und gehst auch in Schulen. Warum ist dir die Bildungsarbeit an Schulen so wichtig? Fehlt es deiner Meinung nach an richtiger politischer Bildung in der Schule?
    Auf jeden Fall. Alles, was mit kritischem Denken und Selbsteinschätzung zu tun hat, fehlt. Es geht um harmonisiertes Wissen, was in die Köpfe soll. Kritische Medienkompetenz fin­det fast gar nicht statt.
    Eigentlich sollte man den Schultag ab einer bestimmten Klasse mit den Nachrichten beginnen und das dann auf die Inhalte des Lehrplans beziehen. Das wäre eine Form von politischer und Medienbildung und man lernt trotzdem Lesen, Schreiben und Rechnen.

    Wie gehst du mit Hatespeech im Internet um?
    Wenig. Auf Facebook blocke ich schnell, was nicht konstruktiv ist. So ein Level wie: „Ihr Feministinnen, dann geht doch zu euren Ausländern und lasst euch richtig vergewaltigen“, wird sofort geblockt. Da gibt es keine Toleranz, für was auch? Bei Mails haben sich die Leute wirklich Mühe gegeben, da habe ich so eine Worst-Of-Sammelstelle, weil teilweise richtige Blüten dabei sind. YouTube ist die richtige Hölle, ich lasse die Kommentarspalten aber offen und ziehe es mir halt wenn möglich gar nicht erst rein. Ich bin keine Person, die viel im Internet streitet.

    In deinem Song „Q1“ singst du von „einsamer Insel oder Untergrund“. Was ist damit gemeint?
    Es geht nicht darum, sich für eins davon zu entscheiden, sondern dieses Spannungsgefühl in sich wahrzunehmen. Sich nicht auf eine Utopie zu besinnen, sondern zu sagen „Ich zieh mich raus, Leute, ihr könnt mich alle mal am Arsch lecken. Mich überfordert das.“ Zum Beispiel bei Leuten, die seit Jahren in der Seenotrettung arbeiten, so viele Schicksale in ihren Händen hielten und Menschen haben ertrinken sehen. Das wäre eben die Insel, sich aus der Debatte und dem Aktionismus zu isolieren und die andere Form eine krasse Radikalisierung. Sozusagen: „Scheiß auf Lohnarbeit, das ist alles zu dringlich. Jetzt volle Kraft voraus.“ Bewaffneter Untergrund oder so was – extrem gesprochen. Das sind Gefühle und Gedanken, die wir alle haben, die aber die wenigsten im bürgerlichen Leben ausleben. Sich dessen bewusst werden, darum geht es.

    Du hast dich in den letzten Jahren für queeren Feminismus, Toleranz und Akzeptanz im Hip-Hop eingesetzt, insbesondere mit deiner Musik. Wenn du auf die Anfänge zurückblickst – Was hat sich alles verändert?
    Es gibt noch einige, die sich dagegen entscheiden, gewisse Argumente überhaupt anzu­er­ken­nen: „Das ist Kunst, keine Verantwortung für nichts, scheiß drauf!“ Außer es geht an den Geldbeutel, dann denken manchmal welche um. Das passiert bei wenigen Personen von selbst. Es gibt auch Ausnahmen wie zum Beispiel Megaloh, der aus gewissen Grün­den umgedacht hat und heute ganz andere Mukke macht als früher. Aber darauf kann man nicht hoffen. Verbot und Zensur halte ich für keine gute Lösungen. Es geht eher darum, Leute zu stärken, die kein Bock darauf haben und trotzdem mitmachen wollen. Es gibt auch Leute, die zwischen beiden Szenen vermitteln. Das ist eine gute Ent­wick­lung, die ich sehr wertschätze. Das hat auch der Kulturjournalismus mittlerweile gesehen.

    Rapperin Sookee im Interview

    „Ich wüsste jetzt nicht, dass Horst Seehofer und Kollegah Kumpels wären“

    Glaubst du, dass Hip-Hop ein größeres Potenzial hat, wichtige Botschaften zu senden, als andere Genres?
    Alles, was Menschen tun, hat das Potenzial, politisch zu sein. Egal, ob man auf dem Bau oder in der freien Wirtschaft arbeitet. Das gilt auch für Musik­ar­ten. Alles, was sprachlastig und sehr performativ ist, hat es besonders einfach – anders als klassische Musik. Durch eine Geige „Nazis raus!“ zu sagen, ist was anderes, als es explizit in einem Satz zu tun. Die Direktheit und Unvermitteltheit ist sehr stark an eine Person geknüpft, die die Dinge sagt. Das Potenzial liegt überall. Ich finde es schön, wenn Leute das Politische in ihrem Bereich wahrnehmen und Politik eben nicht nur der Parteipolitik überlassen.

    Wie unterscheidet sich die deutsche Hip-Hop-Szene von der US-amerikanischen? Hat eine Politisierung in der Musik begonnen?
    Hip-Hop hat in Amerika natürlich eine ganz andere Tradition, weil es der Geburtsort ist und es der schwarzen Kulturgeschichte entspringt. Überall anders ist es ja nur eine Adaption dessen. Dazwischen liegt ein Transfer. Die Verbindung von Education und Kultur ist in den USA sehr viel größer.
    Jay-Z und Barack Obama sind Kumpels. Ich wüsste jetzt nicht, dass Horst Seehofer und Kollegah Kumpels wären, auch wenn ich mir vorstellen kann, dass sie sich in manchen Punkten gut vertragen würden.

    Wie ironisch darf Rap sein? Wenn Gruppen wie K.I.Z Dinge singen wie „Du hast das besondere Etwas, dicke Titten“ verstehen die meisten Fans das als Kritik am Sexismus. Doch geht davon auch eine Gefahr aus?
    Die Frage ist: Was ist Ironie, was ist Satire, was ist Zynismus und was ist einfach nur noch eine Form und hat keinen Anspruch mehr auf irgendeine inhaltliche Setzung. Es kommt darauf an, was man an Dekodierung zulässt. Wenn du hörst, was Leute für ein anspruchsvolles Verständnis von ihren Texten haben, dann liegt natürlich die eine Lesart näher. Wenn du mitkriegst, mit welchen Idioten sie touren, die einfach keinen doppelten Boden in den Texten haben, sondern nur auf die Kacke hauen wollen, dann liegt die andere Lesart näher. Am Ende kommt es auf den Hörer an. Es empfiehlt sich, zu einem Konzert zu fahren und zu gucken, wie die Leute abgehen, wer wie worauf reagiert. Ich rücke aber immer weiter davon ab, den Leuten zu erklären, was ich daran blöd finde und konzentriere mich mehr darauf, was ich dazu beitragen könnte. Das entlarvt sich meistens selbst.

    Die Platte „Sexismus gegen rechts“ hätte niemals „Rassismus gegen rechts“ geheißen, weil Sexismus als Kavaliersdelikt empfunden wird und Rassismus eines der wenigen Phä­no­mene ist, das zum Glück re­la­tiv unterrepräsentiert im Hip-Hop ist. Aber alles, was Behinderten- und Queerfeindlichkeit sowie Sexismus anbelangt, ist da und wird trivia­li­siert und propagiert. Die Typen werden aber alle langsam älter und müssen das dann eines Tages ihren Kindern erklären.

    Die beschissene Coolness und das Dumme-Sprüche-Drü­cken langweilt mich und unterhält mich nicht. Nichts gegen gute Witze, aber ich finde Provokation nicht spannend. Da krieg ich einfach keinen hoch, um es in deren Sprache zu sagen.

    In „Queere Tiere“ singst du „So was gäb‘ es nicht, wenn ich Bundeskanzlerin wär”. Was muss die Politik tun, um den Sexismus und die Queerfeindlichkeit einzudämmen? Oder ist es eher ein ziviles Problem, das innerhalb der Gesellschaft gelöst werden muss?
    Die Gesellschaft kann manche Themen hervorbringen oder auch einfordern, die dann parteipolitisch aufgegriffen werden müssen und zu offiziellen Regeln gemacht. Dann muss aber auch die Gesellschaft dafür sorgen, dass diese Regeln mit Leben ausgestattet werden. Wenn es keinen Druck aus der Zivilgesellschaft gibt, zum Beispiel ein drittes Geschlecht einzuführen, wird keine Partei auf die Idee kommen zu sagen: „Oh das müssen wir einführen.“ So was kommt nur aus Bewegungskämpfen von unten.

    Fragenhagel mit Sookee

    Britney Spears oder Shania Twain?
    Entscheiden ist blöd, deshalb würde ich beide nehmen.

    Was hältst du von SXTN?
    Finde die wichtig und talentiert. Und viele haben Freude dran. Freue mich über jede Frau, die mitmacht. Freue mich aber auch, wenn Leute Provokation nicht zum Mittel ihrer Agenda machen.

    Welche Band würdest du sofort auflösen wenn du könntest?
    Trailerpark

    Touren oder zuhause chillen?

    Bin wirklich ein häuslicher Typ. Punktuell Tour, grundsätzlich zuhause

    Alkohol oder Gras?
    Gras

    Was macht einen Menschen für dich attraktiv?
    Authentizität. Es ist auch sehr anziehend, wenn Leute eine eigene Sprache haben, einen eigenen Duktus. Eloquenz finde ich schon sehr sehr sexy.

     

    Fragenkonzeption: Paul Schu­ler und Karolin Liedtke

    Fotos: Eylul Aslan

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