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  • „Wir müssen gemeinsam für eine starke Demokratie kämpfen.“

    Im Oktober 2016 sprach student! mit dem damaligen US-Generalkonsul Scott Riedmann. Autorin Luise traf sich nun mit seinem Nachfolger Timothy Eydelnant für ein Gespräch über seine Arbeit in Leipzig.

    Seit Juli 2017 ist Timothy Eydelnant als US-Generalkonsul in Mitteldeutschland unterwegs. Seine berufliche Laufbahn führte ihn bereits nach Brasilien, Finnland und Wien. Mit Autorin Luise sprach er über seine Arbeit in Leipzig und in ganz Mitteldeutschland. 

    Sie haben unter anderem in Finnland, Russland, dem Irak und Brasilien als Diplomat gearbeitet – wie unterscheidet sich die Einstellung zu den USA von Land zu Land?

    Jedes Land hat natürlich eigene und sehr spezifische Bezüge zu den USA. Als ich 2002 meine erste Stelle in Israel antrat, war zum Beispiel der Friedensprozess gerade wieder aufgenommen wurden. Zu dieser Zeit hat man vor Ort viel Hoffnung verspürt. Deutschland ist besonders spannend, da ich vor dem Antreten meiner Stelle dachte, es sei vereint. Ich habe jedoch festgestellt, dass immer noch eine sehr starke Unterscheidung zwischen Ost und West gemacht wird. In den neuen Bundesländern merkt man diese Mentalität meiner Meinung nach besonders. Es gab hier zum Beispiel weniger Kontakte mit den USA in der Vergangenheit. Meine Arbeit besteht zu einem großen Teil darin, die Kontakte mit den USA in Ostdeutschland zu stärken. Einige Leute im Osten sind noch sehr skeptisch, wobei dies eine Generationsfrage ist. Es geht bei den Treffen mit Bürgern vor allem um das Vermitteln von amerikanischen Werten und, dass diese gar nicht so weit von den Deutschen entfernt sind.

    Welche Themen kommen bei Ihren Reisen durch Mitteldeutschland am häufigsten auf?

    Natürlich werden viele Fragen über die Administration gestellt. Ich repräsentiere die USA und versuche, den deutschen Bürgern die amerikanischen Interessen und ihre Hintergründe zu erklären. Zum Beispiel haben viele Leute die Truppenbewegungen des amerikanischen Militärs durch die Region auf ihrem Weg nach Osteuropa skeptisch betrachtet. Hier versuche ich zu erklären, dass diese Bewegungen eng mit Deutschland und der Bundeswehr abgestimmt sind und die anhaltende Unterstützung der USA für die NATO deutlich machen. Ein weiterer Punkt ist der Austausch junger Leute in Deutschland und den USA. Ein ideales Beispiel ist der Amerikanistik-Studiengang an der Universität Leipzig, der immer mehr an Studenten für sich gewinnt. Es freut mich natürlich, dass sich insbesondere junge Leute für die Geschehnisse in den USA und deren Auswirkung auf internationale Politik interessieren. Eine gute Beziehung der jungen Generation unserer beiden Länder bedeutet eine positive Zukunft der Beziehungen.

    Wie sehen Sie die aktuelle Lage der deutsch-amerikanischen Beziehungen?

    Bei der Freundschaft geht es vor allem um gemeinsame Werte: Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Diese Werte sind unabhängig von der Regierung in Berlin und Washington. Es ist nicht zu verhindern, dass es zu Meinungsverschiedenheiten kommt, aber das ist ganz normal unter Freunden. Die USA und Deutschland bilden nach wie vor das Fundament der transatlantischen Beziehungen und des NATO-Bündnisses. Deutschland spielt eine essentielle Rolle in der Welt. Wir würden uns wünschen, dass Deutschland dem NATO-Beschluss von Wales von 2014 nachkommt und seine Verteidigungsausgaben bis 2024 auf 2 Prozent des Bruttoinlandproduktes erhöht. Im Moment sehen wir, dass Russland und China vermehrt versuchen, den Westen zu spalten. Wir müssen gemeinsam für eine starke Demokratie kämpfen, um dem entgegenzuwirken und für unsere Sicherheit und unseren Wohlstand einstehen. Auch auf subnationaler Ebene sind die Beziehungen stark. Das kann man zum Beispiel an den vielen Städtepartnerschaften sehen, so wie der von Leipzig und Houston, die dieses Jahr 25-jähriges Jubiläum feiert. Besonders erfreulich hierbei ist, dass diese Partnerschaften unabhängig von den Regierungen existieren und durch sie ein reger Austausch von Studenten, Künstlern und Journalisten entsteht. 

    Timothy Eydelnant ist seit Juli 2017 im Leipziger Konsulat tätig

    Timothy Eydelnant ist seit Juli 2017 im Leipziger Konsulat tätig

    Sehen Sie die rege Beteiligung von jungen Leuten an den Midterms und deren Vorbereitung als eine positive Entwicklung oder vor allem als Zeichen der Sorge nach den politischen Ereignissen der letzten zwei Jahre?

    Das ist auf jeden Fall eine positive Entwicklung. Es gibt viel Kritik an der neuen Administration in den USA, doch haben sich daraus auch viele Grassroots-Bewegungen entwickelt, was ich in der Vergangenheit so noch nicht gesehen habe. Gleichzeitig hat Präsident Trump und seine Regierung weiterhin viele Anhänger.  Die USA sind gespalten – fast 50 zu 50.  Ich denke, dass das Interesse junger Leute an Politik auf republikanischer und demokratischer Seite stärker wird. Die Midterms sind besonders interessant für die neue Administration, da es eine erste Evaluation der bisher geleisteten Arbeit ist. Als Diplomat ist es sehr spannend zu verfolgen, wie diese Wahlen ausgehen. Wir sehen nach den Midterms, wie sich der Kongress verändern wird.

    Beeinflussen Negativschlagezeilen aus den USA, wie zum Beispiel die Amtseinführung Brett Kavanaughs am Obersten Gericht, ihren Arbeitsalltag sehr?

    Nein, mein Alltag und die Gesprächsthemen ändern sich durch solche Nachrichten wenig. Als Generalkonsul bin ich für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zuständig. Auf dieser subnationalen Ebene sind die Beziehungen sehr stabil und die Einstellung der Bürger, die ich treffe, sind durch ein großes Interesse an den USA geprägt. Die Beziehungen hier in Mitteldeutschland florieren auf kleiner und großer Ebene.

    US-Konsul im Gespräch mit Autorin Luise

    US-Generalkonsul Timothy Eydelnant im Gespräch mit Autorin Luise

    In Europa macht man sich nach den letzten Wochen wieder vermehrt Sorgen um die Bewahrung des freien Handels. Wie sehen Sie die Entwicklung der transatlantischen Beziehung im Bezug auf Wirtschaft und deren Zukunft? Sind die Sorgen berechtigt?

    Die wirtschaftlichen Beziehungen sind für diese Administration von höchster Priorität. Unser Botschafter ist immer unterwegs und empfindet die wirtschaftlichen Beziehungen und Investitionen als wichtigstes Merkmal der deutsch-amerikanischen Beziehung. Deutsche Unternehmen beschäftigen in den Vereinigten Staaten ungefähr 700.000 Menschen und Deutschland tätigt jedes Jahr Direktinvestitionen in Höhe von über 300 Milliarden US-Dollar. Diese Art der wirtschaftlichen Unterstützung ist auch andersherum zu sehen. Das Ziel dieser Administration ist es, einen fairen und wechselseitigen Handel zu erreichen. Die Exportorientierung der deutschen Wirtschaft erschwert dieses Ziel, da dadurch ein großer Handelsüberschuss mit den USA entstanden ist. Deutschlands Handeln wird von der amerikanischen Administration als nicht ganz fair gesehen, weshalb Präsident Trump den Wusch nach einem Handelssystem ohne Zölle und Subventionen zwischen den westlichen Ländern beziehungsweise entwickelten Volkswirtschaften geäußert hat. Das Treffen zwischen Trump und Juncker dieses Jahr hat eine neue Phase der Handelsbeziehungen der USA und der EU eingeleitet.

    Unter anderem haben Sie auch die humanitäre Hilfe in Syrien mitkoordiniert. Wie beeinflusst diese Erfahrung ihre Sicht auf die Geschehnisse der letzten Zeit in Chemnitz und Köthen?

    Die Ereignisse in Chemnitz und Köthen haben mich sehr besorgt und meiner Meinung nach ist es wichtig, sich an unsere Geschichte zu erinnern, um zu verhindern, dass sich die Vergangenheit wiederholt. Es gibt viel Kritik an dieser Administration und deren Politik, aber es ist wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass die USA in den letzten 40 bis 50 Jahren unvergleichbar viel für Flüchtlinge geleistet haben. Wir sind ein Land von Immigranten – ein Mosaik von verschieden Nationen. Zurzeit planen wir ein Deutsch-Amerikanisches Institut hier in Leipzig und hoffen auf dessen Eröffnung im Jahr 2019 zum 30-jährigen Jubiläum der Deutschen Einheit. Wir wollen eine Institution schaffen, die den Dialog fördert und Menschen verschiedener Hintergründe an einen Ort bringt, um über Themen wie Migration, Demokratie und Sicherheit zu diskutieren und den generellen Austausch zu stärken.

    Zum Abschluss dieses Gesprächs würde ich gern wissen, was bei ihrem vollen Terminkalender am meisten auf der Strecke bleibt.

    Der Kalender ist richtig voll, da dieses Konsulat sehr klein ist und wir nur zwei Diplomaten im Haus haben. Viel Zeit für Hobbies bleibt bei meinem Terminkalender nicht. Ich bin ein großer Fußballfan, aber habe es bisher nur einmal zum RB Leipzig-Spiel ins Stadion geschafft. Andere Teams aus der Region wie Dynamo Dresden und die Magdeburger Mannschaft unterstütze ich auch. Letzte Woche war ich in Halberstadt und der Oberbürgermeister hat mir dort ein Trikot von Germania Halberstadt geschenkt, worüber ich mich sehr gefreut habe. Astronomie ist eine weitere meiner Leidenschaften, daher auch der große Wunsch, einmal das Zeiss-Planetarium in Jena zu besuchen.

     

    Fotos: Luise Mosig

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