Suche WG-Zimmer, biete Niere
Der Leipziger Wohnungsmarkt bleibt angespannt. Was bedeutet das für Studierende?
Es sind die Wochen vor Semesterbeginn in Leipzig: Auf der Straße schwirrt es vor Umzugswägen und hinter dem ein oder anderen gestressten Blick junger Menschen lässt sich vermuten, dass sie gerade auf Wohnungssuche sind. WG-Zimmer sind Gold wert. Wer eins zur Verfügung hat, kann sich vor Nachfrage kaum retten.
Schon seit Jahren ist bezahlbares Wohnen das politische Thema Nummer eins – sowohl im Bund als auch in der Kommunalpolitik. Weniges ist im Alltag der Menschen so spürbar wie hohe Mieten und Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche. Zu den Zielgruppen, die davon am härtesten betroffen sind, zählen unter anderem Studierende, wie Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen.
Hypezig sei vorbei, kontestierten verschiedene bekannte Persönlichkeiten wie die Autorin Greta Taubert im Laufe des vergangenen Jahres. Auf dem Wohnungsmarkt ist diese Erkenntnis allerdings noch nicht angelangt. Die Stadt wächst weiter und auch durch Zuzug von Studierenden steigen dabei die Preise auf dem Wohnungsmarkt. Von 2020 bis 2024 hat Leipzig rund 37.000 Einwohner*innen dazugewonnen und die Angebotsmiete liegt derzeit durchschnittlich bei 9,26 Euro pro Quadratmeter (Kaltmiete). Denn während die Stadt wuchs, „ging die Zahl der jährlich inserierten Wohnungen merklich zurück“, teilt das Amt für Wohnungsbau und Stadtentwicklung mit.
Armutsgefährdung: Bafög reicht nicht
Obwohl Schwierigkeiten auf dem Wohnungsmarkt unter dem Großteil der Mietenden verbreitet sind, sind Studierende aufgrund mehrerer Dispositionen besonders stark betroffen. Etwa ein Drittel von ihnen ist nach Daten des Statistischen Bundesamts armutsgefährdet. Unter denjenigen, die allein oder mit anderen Studierenden oder Auszubildenden leben, steigt die Quote auf 77 Prozent. Die hohen Wohnkosten sind also daran beteiligt, dass viele Studierende sich finanziell sehr einschränken müssen. Das zeigt die vom Statistischen Bundesamt ermittelte Tatsache, dass über die Hälfte des verfügbaren Einkommens Studierender für Miete gezahlt wird. Der Bafög-Satz, der fürs Wohnen angesetzt ist, beträgt 380 Euro. Das reicht nur noch in Chemnitz und Magdeburg für ein durchschnittliches WG-Zimmer, zeigt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft aus dem vergangenen Jahr. Auch in Leipzig haben die WG-Preise diesen Betrag also überschritten. Diese Problemlage wird nicht zuletzt dadurch begünstigt, dass nahezu zwei Drittel der anspruchsberechtigten Studierenden derzeit kein Bafög beantragen, wie das Max-Planck- und Fraunhofer-Institut untersucht haben.
Ein angepasster Bafög-Satz allein könne die Wohnungsnot aber nicht beheben, meinen Vertreter*innen der Bundesstudierendenvertretung Freier Zusammenschluss von Student*innenschaften. „Die aktuellen Zahlen zeigen, dass es Handlungsbedarf gibt. Es braucht nicht nur eine Erhöhung der Wohnkostenpauschale im Bafög, vielmehr müssen die Mieten vernünftig reguliert werden“, schreibt die Referentin für Bafög und studentisches Wohnen Rahel Schüssler. Studierende könnten ihre Arbeitszeit nicht weiter aufstocken, weil ihre Hauptaufgabe das Studieren sei, erklärt sie. Zudem würden Studierende oft nur kurzfristig in einer Stadt leben und seien deshalb häufig von Mieterhöhungen bei Wohnungswechsel betroffen. „Die derzeitige Mietpreisbremse hilft leider nur bedingt. Was wir jetzt schnell brauchen, sind effektive Werkzeuge gegen Mietwucher“, fordert Schüssler.
Wohnungssuche braucht Privilegien
Fragt man Leipziger Studierende nach ihren Erfahrungen auf dem Wohnungsmarkt sind die Eindrücke unterschiedlich. „Am Anfang war die Wohnungssuche für mich sehr schwierig“, sagt Politikwissenschaftsstudentin Amelie*. „Als es dann geklappt hat, hatte ich eine super Wohnung in super Lage. Ich denke, da gehört viel Glück und Durchhaltevermögen dazu.“
Andere Erfahrungen hat Ilayda* gemacht. Die 22-Jährige betont, dass es besonders in Leipzig auf dem Wohnungsmarkt für People of Color herausfordernd sei. „Für mich war es auch nach sehr vielen Besichtigungsterminen schwierig eine WG zu finden. Ich hatte das Gefühl, dass Weiße als Mitbewohner*innen oft präferiert werden. Jetzt wohne ich im Wohnheim“, erzählt sie. Eine Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes von 2020 zeigt, dass 41 Prozent aller Befragten Sorgen dabei haben, eine Wohnung an eine eingewanderte Person zu vermieten.
Ausnutzung prekärer Lage
Weil die Nachfrage nach Wohnraum so hoch und elementar ist, gibt es immer wieder Berichte über das Ausnutzen der Lage Studierender. Zuletzt fiel medial die WG in der Demmeringstraße 100a auf, in der Mieter*innen unter prekärsten Bedingungen für 37 Euro den Quadratmeter lebten.
„Unbedarfte und unter Druck stehende Studienanfänger*innen finden sich mitunter in schlechten bis hin zu sittenwidrigen Verträgen wieder oder zahlen weit überdurchschnittliche Mieten. Im Falle etwa, dass Sie ‚möbliert‘ mieten und damit sozialpolitische Regularien außer Kraft gesetzt werden“, kritisiert der Student*innenrat (Stura) der Universität Leipzig. Außerdem, so der Stura, eröffneten sogenannte ‚Interimslösungen‘ wie der Verbleib in Hostels oder einzeln vermieteten Zimmern „fatalen Geschäftspraktikern einen großen Markt und verknappen den Wohnraum zusätzlich.“
Etwa sieben Prozent der Leipziger*innen wohnen in einer Wohngemeinschaft, ergab die kommunale Bürgerumfrage 2023. Wie viele der Zimmer dabei von der Vermietung einzeln und dabei zum Beispiel durch Möblierung weit über dem durchschnittlichen Angebotsmietpreis vermietet werden, weiß die Stadtverwaltung nicht.
Erfahrung mit solchen Praktiken hat derweil der Stura, der auch eine Mieter*innenberatung anbietet. „Besonders häufig wenden sich Personen an uns, bei denen die Hausverwaltung oder Vermietung in Akutsituationen nichts unternimmt oder zum Beispiel nach einem Schadensfall mit der Regulierung auf sich warten lässt“, wird aus der Beratungsstelle berichtet. „Böse Zungen würden sagen, bei der Regulierung versuchen sich Vermieter*innen auf Kosten von Studierenden zu bereichern.“ Außerdem sei die Mieterhöhung bei Wechsel der Mitglieder einer Wohngemeinschaft gängiges Mittel von Eigentümer*innen, das Studierenden besonders schadet.
Lösungsansätze bisher unzureichend
Lösungen bleiben also dringend gefordert. Ein Ansatz kommt dabei vom Studentenwerk Leipzig, das mit dem Projekt Raumteiler darauf hinwirken will, Studierenden Wohnungen außerhalb des Mietmarktes zu vermitteln. Besonders für internationale Studierende zeigte sich das Projekt bisher sinnvoll.
Die Stadt verweist bei der Frage nach Verbesserungsmaßnahmen des Wohnungsmarktes für Studierende vor allem auf das wohnungspolitische Konzept, das eine Erweiterung der Wohnheimplätze vorsieht. luhze berichtete in der Winter-Ausgabe 2025 darüber, warum dieser Prozess stockt. Studierenden, die sich selbstständig auf dem Wohnungsmarkt mit Wohnraum versorgen, würden die allgemeinen mietpreisdämpfenden Maßnahmen zugutekommen, schreibt die Stadt weiter.
Dem Stura ist das nicht genug. Konkret müssten Wohngemeinschaften besonders darauf achten, dass ein Hauptmieter*innenwechsel im Vertrag zulässig ist. „Auch sollte es einfacher sein, die Eigentümer*innen der Häuser, die im Grundbuch stehen, zu kennen.“ Initiativen von Studierenden, wie zum Beispiel ein gemeinschaftlicher Ausbau von Wohnflächen, der guten Wohnraum günstig bereitstellt, würden häufig von diesen verhindert. Besonders wichtig sei auch, auf Durchmischung der Stadtteile zu achten und Verdrängung wegen zu hoher Mieten zu verhindern. „Leipzig ist weiterhin attraktiv für Studierende“, findet der Stura trotz allem. Um auch in den kommenden Jahren in dem Meer aus Umzugswägen zu Semesterbeginn nicht unterzugehen, sollten Maßnahmen getroffen werden.
*Die Namen der Personen wurden zum Schutz persönlicher Daten geändert.
Titelbild: Antonia Wengner
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