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  • Der virtuelle Bach sächselt

    Bach erleben mit Augmented-Reality-Brille in 2005 Optik? Das Bacharchiv vermittelt historische Inhalte im Zeitgeist von Social Media, AI und dem technologischen Fortschritt.

    Es ist Bachjahr in Leipzig! Anlässlich des 275. Todesjahres des Komponisten Johann
    Sebastian Bach stellt das Bacharchiv Leipzig ein Stück des Musikwissenschaftlers
    und Intendanten des Bachfests Michael Maul aus. Das Besondere an dem Stück:
    Der schon totgeglaubte Bach wird dank Augmented Reality Brillen im Sommersaal
    des an das Bachmuseum angrenzenden Bosehaus zum Leben erweckt. Als
    lebensgroße, digitale Gestalt erzählt er von den Stationen seines Lebens und spielt
    auf einem ebenfalls digital projizierten Cembalo dann auch selbst einige seiner
    Kompositionen.

    Nach einem kurzen Briefing zu den AR-Brillen geht es mit einer Gruppe
    Rentner*innen in den Sommersaal des Bosehauses, eine der Wirkungsstätten
    Bachs in Leipzig. Der Altersschnitt im Publikum scheint um die 60-70 Jahre zu sein,
    was gegebenenfalls daran liegt, dass der Mythos Bach in jüngeren Generationen
    noch nicht so im Mainstream angekommen ist, wie bei gehobeneren Altersklassen.
    Etwa 20 Stühle mitsamt darauf liegenden AR-Brillen stehen in Halbkreisform in dem
    kleinen Saal. Mit Brille auf den Augen und Kopfhörern auf den Ohren erscheinen
    dann zunächst ein virtuell in den Raum projiziertes Cembalo und ein Gemälde des
    Meisters Bach höchstpersönlich. Es flackert alles, die Optik wirkt unscharf und der
    augenscheinlich technisch weniger versierte Teil des Publikums beschwert sich über
    Streifen, doch dieses Problem ist dank kompetenter Hilfe der Mitarbeiterin des
    Bacharchivs schnell behoben.

    Die Vorstellung beginnt und der Bach aus dem Gemälde wird nun zu einer
    lebensgroßen Projektion, die in der deutschen Fassung des Stücks (es gibt auch
    eine englische) in sehr altertümlicher Sprache griesgrämig sächselnd sehr viel über
    seine Biographie erzählt.

    Wer Musik erwartet, ist leider fehl am Platz, denn es gibt nur wenige Momente, in
    denen der projizierte Johann Sebastian Bach sich an das in den Raum projizierte
    Cembalo setzt und in die Tasten greift. Über einen Zeitraum von gut einer Stunde
    spielt die digital abgebildete Version des Komponisten immer nur dann, wenn er von
    einer Stimme aus dem Off dazu aufgefordert wird, was leider viel zu selten passiert:
    Nur etwa 10 kumulierte Minuten gibt der Star-Komponist sein Werk zum Besten.
    Das Publikum ist eine stille, von der Gesamtheit des Stücks wenig mitgerissene
    Gruppe, doch das nicht ohne Grund, denn dem Drehbuch des Stückes fällt es
    phasenweise schwer zu folgen. Der virtuelle Bach erzählt teils sehr ausschweifend
    über sein Leben und lässt lange Gedankenpausen. Inhaltlich allerdings hat Michael
    Mauls Drehbuch interessante Seiten und eignet sich für Bach-Kennende sowie
    Menschen, die gar keinen Bezug zu ihm haben, gut, um tiefer in dessen Biographie
    einzutauchen, da es viel von den bekannten und weniger bekannteren Orten,
    Stationen und Geschichten in Bachs Schaffenszeit erzählt.

    Es ist schon beeindruckend, den virtuellen Bach vor sich stehen zu sehen, doch wer
    die Musik Bach´s wirklich erleben will, ist bei einem Konzert in der benachbarten
    Thomaskirche oder im Gewandhaus besser aufgehoben. In dem Stück geht es
    vielmehr darum, Bach als Menschen zu erleben, was auf auditiver Ebene, als
    Hörspiel oder Podcast schon funktioniert hätte. Das Stück mit einer digitalen Version
    Bachs in Computerspiel-Optik von 2005 zu hinterlegen ist zwar ein interessantes
    Konzept, nur hätte es das hier nicht gebraucht.

    Weitere Vorstellungen der “Virtual Bach Experience” sind an unterschiedlichen
    Wochen- und Wochenendtagen entweder um 14 oder 16 Uhr geplant und laufen bis
    zum 28.12.25 im Sommersaal des Bacharchiv Leipzig. Der Eintrittspreis liegt bei
    25€.

     

    Titelbild: Bach-Archiv Leipzig

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