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  • Sommer, Sonne, Stress – Studieren während der Klimakrise

    Die Tage werden inzwischen wieder kühler. Doch auch dieser Sommer bot einige Hitzetage, in denen die Prüfungsphase zur Qual werden konnte. Passende Hitzeschutzkonzepte an der Universität fehlen.

    Müde Gesichter und verschwitzte Körper. 30 Grad im Schatten und kein Sitzplatz in der Bibliothek. So schaut der Alltag von vielen Studierenden im Sommer aus. Hundstage nennt man die Hitzetage zwischen Juli und August, ursprünglich aufgrund des heliakischen Aufgangs von Sirius – dem Hundsstern. Dass die Hitzetage nicht im Zusammenhang mit dem Sternenbild stehen, ist heute den meisten klar. Immer noch schwer vorstellbar hingegen ist, dass sich die Hitzetage bis 2050 verdoppeln sollen. Studierende haben in diesem Zeitraum Hausarbeits-Abgaben, Prüfungen oder sind in den letzten Zügen der Bachelor- oder Masterarbeit. Im Prüfungsstress stellt die Hitze eine zusätzliche Herausforderung dar. 

    So geht es auch Alma. „An heißen Tagen versuche ich besonders früh aufzustehen, um der Hitze zu entkommen und einen Sitzplatz in der Albertina Bibliothek zu ergattern“, erzählt die 24-jährige Kulturwissenschaften Studentin. Da die Bibliothek klimatisiert ist, sei vor allem der Wechsel zwischen Hitze und Kälte in den Pausen anstrengend. Alma findet, dass in den Hitzetagen alle Studierenden etwas schlapper wirken und die Konzentration nachlässt. „Hitze ist ein Stressfaktor für den Körper: Je länger wir Stress ausgesetzt sind, desto anstrengender wird es für den Körper“, erklärt Anita Habel. Sie ist Kommunikationspsychologin und bei den „Psychologists for Future” aktiv. Das Thema „Gesundheit von Studierenden“ begleitet sie seit ihrem Studium.  

    Studierende gehören zu den meistgestressten Bevölkerungsgruppen. Das belegt eine Studie der Techniker Krankenkasse, deren Basis eine Forsa Befragung aus 2023 ist. Rund ein Drittel von Studierenden seien Burnout gefährdet und über 50 Prozent leiden an Kopfschmerzen, Rückenschmerzen oder Konzentrationsstörungen. Die anhaltende Hitze wirkt als Multiplikator dieser Beschwerden. Auch Schlafprobleme würden sich verstärken, wenn es nachts nicht mehr abkühlt und es tropische Nächte gibt, so Habel. Das Zusammenspiel von Stress und Hitze beeinträchtige die Konzentrationsfähigkeit, die selektive Aufmerksamkeit und das Arbeitsgedächtnis. Man befinde sich somit in einem Teufelskreis. Dass die Prüfungszeit genau in die Sommermonate fällt, sei eine zusätzliche Belastung für Studierende. Im Vergleich zum Wintersemester empfindet Alma die Prüfungszeit im Sommersemester deutlich anstrengender.

    Fehlender Hitzeschutz an Universitäten 

    Bereits im Sommer 2023 tweetet Amrei Bahr, die #Ich-bin-Hannah Initiatorin und Juniorprofessorin für Philosophie der Technik und Information an der Universität Stuttgart,Hab‘ jetzt 3 Krankmeldungen für mein Seminar gleich erhalten, die teils explizit mit der Hitze in Verbindung stehen. Wir werden Konzepte für den Umgang damit brauchen — besonders für die vielen Lehrveranstaltungen, die in nicht klimatisierten Räumen stattfinden.” 

    Alma erzählt, dass sie diesen Sommer einmal Hitzefrei von ihrem Institut bekommen habe. Dies sei aber lediglich eine institutsinterne Entscheidung gewesen und beruhe nicht auf einer universitären Regelung. Während die Universität Leipzig zwar ein Hitzeschutz-Konzept für Mitarbeitende hat, bleibt das für Studierende aus.  

    Das findet Katja Kühne, Fachärztin für Innere Medizin und Endokrinologie sowie Aktivistin bei „Health for Future“, unfair. Studierende, die Zugang zu einer klimatisierten Wohnung haben, hätten einen Vorteil gegenüber Studierenden, die in ihrer Dachgeschosswohnung schwitzen oder sich in die Bibliothek quetschen. Überlasse die Universität den Studierenden die Verantwortung, würden sich Ungleichheiten ergeben, die sich auch auf Prüfungsleistungen auswirken.  

    Habel betont, dass sich Studierende in einem institutionellen Rahmen bewegen, weshalb die Universität eine Fürsorgepflicht gegenüber den Studierenden habe. Dazu meint sie: Da gilt der Grundsatz Verhältnisprävention vor Verhaltensprävention. Das bedeutet, bevor ich den Leuten erzähle, was kannst du tun, sollten Strukturen angepasst werden.” In Bezug auf Hitze seien das zum Beispiel bauliche Maßnahmen wie Beschattung, Begrünung, Verfügbarkeit von Wasser und Abkühlungsmöglichkeiten.  

    Die Universität Passau initiierte diesen Sommer ein Projekt im Rahmen ihres Klimaschutzkonzeptes. Verschiedene Akteure und Studierende haben gemeinsam an der Begrünung der Universität gearbeitet. Ziel sei es nicht nur die Artenvielfalt aufrechtzuerhalten, sondern auch Hitzeschutz zu schaffen. So etwas wünscht sich Alma auch für ihre Uni. Grüne, schattige Flächen fehlen an der Universität Leipzig. Die einzige Wiese, die Alma einfällt, ist die Wiese an der Moritzbastei am Hauptcampus. Das reiche nicht, um der Hitze entgegenzuwirken. 

    Für die Nachhaltigkeitsstrategie der Universität Leipzig, ist die Nachhaltigkeitskommission verantwortlich. Auf die Nachfrage zu Hitzeschutzkonzepten, verweist der Nachhaltigkeitsmanager Manuel Rist auf die vergangene Ringvorlesung „Interdisziplinäre Perspektiven kommunaler Klimaanpassung”. Ein Vortrag behandelt, wie Klimaschutz mit Gesundheit zusammenhängt, ein anderer die Verbindung von Klimaschutz und Technik. Im Fokus steht die Stadt Leipzig. Um die Universität als Ort von Klimaanpassung geht es nicht. Ideen zu der Umsetzung von Nachhaltigkeit kann man über ein Kontaktformular bei der Nachhaltigkeitskommission einreichen.   

    Aufklärung über Gesundheitsrisiken  

    „Die Sensibilisierung von jungen Menschen ist wichtig, denn sie überschätzen sich häufig und seien deshalb anfällig für einen Hitzeschlag“, sagt Kühne. Viele würden nicht wissen, dass auch junge Menschen einen Schlaganfall erleiden können. Alma bestätigt dies. Manchmal rennt sie von Uni Saal zu Bibliothek, zu Seminarraum, zu ihrem Studierendenjob im Theater und vergisst zu trinken, ohne sich Gedanken um ihren Körper zu machen. Erst wenn ihr Kreislauf rebelliert, würde sie sich eine Pause nehmen, erzählt sie. Eine Freundin habe seit knappen zwei Jahren mit Long Covid zu kämpfen, der Sommer sei für sie deshalb besonders schlimm.  

    Vulnerable Gruppen sind besonders vom Klimawandel betroffen. Darunter fallen Menschen mit Vorerkrankungen, alte Menschen, obdachlose Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund oder neurodivergente Menschen. Habel sagt, die Universität müsse Hitzeschutz inklusiv gestalten. „Informationen dazu, wie ich mich am besten mit der Hitze umgehen kann müssen zugänglich und leicht verständlich sein.“ Zielgruppenorientierte Kommunikation sei dabei besonders wichtig. Zum Beispiel bringe es weniger Plakate aufzuhängen, die an das Trinken erinnern, als einen Wasserspender aufzustellen, über dem ein Plakat hängt, das an das Trinken erinnert. Praxis gehe vor der Theorie.  

    Fest steht: Hitze produziert noch mehr Stress in der Prüfungszeit. Ausreichend Trinken, gute Ernährung, Schlaf und Bewegung sind wichtig. Dabei handelt es sich nicht um ein individuelles Problem. In Zukunft braucht es nachhaltige Hitzeschutz Konzepte an der Universität. Habel sieht ein großes Potenzial in Universitäten, die Raum für ein „Versuchslabor“ bieten.  Studierende könnten dann den Hitzeschutz an der Universität aktiv mitgestalten und ihren Bedürfnissen anpassen. Es müsse lediglich jemand die Initiative ergreifen. 

     

    Foto: Immo Wegmann/Unsplash

     

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