• Menü
  • Service
  • Ein kleiner Stein mit großer Wirkung

    Stolpersteine tragen zur Erinnerung an die Opfer der Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus bei. Auch in Leipzig kann man sich für Verlegung und Pflege einsetzen – das ist zu beachten.

    Aus den Augen, aus dem Sinn” funktioniert bei der Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus nicht. Dafür setzt sich der deutsche Künstler Gunter Demnig ein. Er verlegt die gold-glänzenden Messingsteine, die uns auf den Gehwegen europäischer Städte begegnen: die Stolpersteine.

    Kritik am Konzept und Angst vor Diffamierung

    Seit 1993 existiert das Stolperstein-Projekt und mit über 107.000 verlegten Steinen stellt es das weltweit größte dezentrale Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus dar. Trotzdem sprechen einige Menschen dieser Form des Erinnerns die Daseinsberechtigung ab. Argumente sind, dass Passant*innen unbedacht auf die Steine und somit auf das Andenken der Opfer treten, die Inschriften nicht über den historischen Kontext aufklären würden und Demnig vor allem finanzielle Vorteile aus dem Projekt ziehe. Einige Hausbesitzer*innen fürchten sogar die öffentliche Diffamierung, da ihr Haus ursprünglich in jüdischem Besitz war. Erst im Dezember letzten Jahres schritten vermeintliche Kritiker*innen zur Tat. Nachdem in Leipzig-Lindenau zwei Stolpersteine gestohlen wurden, beschmierten und beschädigten Unbekannte kurz vor Weihnachten zwei Stolpersteine im Stadtteil Wahren. Die Täter*innen konnten in beiden Fällen nicht gefasst werden.

    Rund 800 Steine sind mittlerweile in das Leipziger Stadtbild integriert und um das aufrechtzuerhalten, bietet sich der Verein Archiv Bürgerbewegung Leipzig als Organisations- und Ansprechstelle für Verlegungen an. Das Stadtgeschichtliche Museum unterstützt außerdem Recherchen zu den Schicksalen hinter den Steinen.

    Welche Vorbereitungen braucht es?

    Stolpersteine finden erst nach Beantragung bei der Stadt oder Gemeinde ihren Weg in den Boden. Dies kann grundsätzlich jeder tun. Welche Informationen und Dokumente dazu benötigt werden, wird auf der Website www.stolpersteine.eu erklärt. Vor der Verlegung sollte eine Aufarbeitung des Schicksals der Person geschehen und gegebenenfalls Angehörige über die Verlegung informiert werden, damit diese daran teilnehmen können.

    Der nächste Schritt ist die Gestaltung des Steines. Wichtig dafür sind der Name, das Geburtsjahr sowie Ort und Zeitpunkt der Deportation. Auf dem Stein wird außerdem genannt, ob und auf welche Art die Person ermordet wurde. Im Falle einer Ermordung wird das Datum auf dem Stein festgehalten.

    In der Berliner Straße wurde am sechsten März der 800. Stolperstein in Leipzig verlegt. Foto: Anne Heinemann

    Nächste Verlegung in Leipzig am 23. Oktober

    Gunter Demnig übernimmt die Verlegungen zumeist selbst und seinen endgültigen Platz findet der Stein vor der letzten frei gewählten Wohnadresse der betroffenen Person. Die Kosten für den handgefertigten Stein liegen bei 120 Euro und können, wie die zukünftige Pflege, über Spenden und Patenschaften finanziert werden. Am 23. Oktober wird der nächste Stolperstein in Leipzig verlegt.

    Jedes Jahr am 10. November halten Bürger*innen an den Stolpersteinen Mahnwachen zum Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht 1938 ab. Im Zuge dessen säubern die Putzpat*innen die Steine, für die sie verantwortlich sind. Folgende Rezeptur wird dafür empfohlen: Einen Esslöffel Haushaltssalz sowie etwas Essigessenz auf dem Stein verteilen und einwirken lassen. Mit einem Schwamm oder einer weichen Bürste die Oberfläche schrubben. Anschließend mit Wasser abspülen und mit einem Lappen polieren. Die Mahnwachen finden an diesem Tag zwischen 10 und 18 Uhr statt und viele legen Biografien der Opfer, Blumen und Kerzen neben die Steine. Falls du an einer Mahnwache teilnehmen möchtest, hilft dir der Stolperstein Guide. Online oder über die App kannst du die Orte vieler bisher verlegter Steine in über 80 Städten entdecken. Möchtest du selbst dazu beitragen, die Andenken golden leuchten zu lassen, so kannst du auf der Website des Erich-Zeigner-Hauses einsehen, welche Stolpersteine noch keine Putzpatenschaft besitzen und das entsprechende Anmeldeformular ausfüllen.

    Titelbild: Pixabay

    Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.

    Verwandte Artikel

    Zwischen Amputation, Schwindel, Blumen und Krieg

    Geschichten von Verlust und Zerrissenheit erzählen die Künstler*innen, deren Arbeiten in der Ausstellung Land(e)scapes. Recognizing Fragmentarity. in diesem Herbst in der Spinnerei zu sehen sind.

    Kultur | 31. Oktober 2024

    Blockierte Wege nach Riesa

    Der Beginn des AfD-Parteitags wurde um zwei Stunden verzögert, auch dank motivierter Hallenser, kreativer Busfahrer und hilfsbereiten Anwohner*innen. Eine Reportage aus den Blockaden heraus.

    Politik Reportage | 15. Januar 2025