Denormalizing Trump: Wie Politik zur Reality-TV-Show wird
Trump, Wrestling und toxische Männlichkeit: Die Ringvorlesung des Instituts für Amerikanistik der Universität Leipzig, das Verschmelzen von Popkultur und Politik und dessen Folgen.
Im Hörsaal plaudern die Studierenden miteinander, einige auf Deutsch, andere auf Englisch. Trotz dieses Lärms bereitet sich Sebastian Herrman, Dozent am Institut für Amerikanistik, auf die Vorlesung vor, blättert in den gedruckten Seiten des vorbereiteten Materials. Dann verstummt der Raum – es ist Zeit zu beginnen. Zum Einstieg fängt der Professor an: „We will start where everything starts: with Donald Trump and Elon Musk“. Wenige Minuten später werden auf dem Projektionsschirm Memes der Plattform „X“ über den letzten öffentlichen Streit zwischen dem derzeitigen Präsidenten der USA und dem bekannten Milliardär gezeigt. Im nächsten Moment lachen die Studierenden über ein unbeholfenes Wrestling-Video mit John Cena und Dwayne Johnson.
Es ist der Auftakt zu „The Pop in Populism: Reality TV, Pro Wrestling, and Right-Winging Cultural Politics“, einem der vielen Vorträge im Rahmen der Ringvorlesung „Trump 2.0: Cultural Perspectives on the Current US Political Landscape“. Die Vortragsreihe wurde vom Institut für Amerikanistik der Universität Leipzig für das Sommersemester 2025 organisiert. Die englischsprachigen Vorlesungen stehen Studierenden aller Fachrichtungen und sonstigen Interessierten offen. Laut der Beschreibung auf dem Nachrichtenportal der Philologischen Fakultät besteht die Idee der Ringvorlesung darin, die kulturellen Auswirkungen der Präsidentschaft von Donald Trump im Hinblick auf seine Rückkehr an die Macht im Januar dieses Jahres zu betrachten.
Obwohl die Vortragsreihe den Titel „Trump 2.0“ trägt, liegt das Hauptaugenmerk der Vorträge nicht auf dem US-Präsidenten selbst. Mit Gästen wie Heike Paul, Professorin am Lehrstuhl für Amerikanistik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, werden verschiedene Perspektiven sozialer und kultureller Diskurse und Phänomene durch die Politik in der „Ära des Trumpismus“ betrachtet. Außerdem referierte Marie Löffler, Bundessprecherin der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten in Deutschland, über die Angriffe auf die Gleichstellung der Geschlechter und die reproduktiven Rechte während der Trump-Präsidentschaft und deren Auswirkungen.
Schon während des Wahlkampfs 2016 und 2017 und der ersten Amtszeit war Donald Trump am Institut für Amerikanistik thematisch präsent. „Es ist nicht nur politikwissenschaftlich interessant, sondern eben auch kulturwissenschaftlich, literarisch und historisch“, meint Stefan Schubert, ebenfalls Dozent am Institut für Amerikanistik. Nach seiner Beobachtung ist das Interesse der Studierenden allgemein an diesen Fragestellungen recht groß, aber hauptsächlich interessieren sie sich für die Frage der Rolle der Emotionen in diesem Zusammenhang: ihre Wirkung, ihre Geschichte und ihre Verbindung zu Kultur und Politik. Gerade bei diesem Themenbereich gebe es einen großen Diskussionsbedarf unter den Studierenden. Auch in seinem Vortrag „The Rise of the ‚Sad Angry White Man‘“ im Rahmen dieser Ringvorlesung rückt Schubert das Thema Emotionen in den Mittelpunkt – und mit spürbarer Resonanz aus dem Publikum. Zahlreiche Fragen richteten sich an den Dozenten – etwa, ob die aggressive Darstellung weißer Männlichkeit in der Politik auf historische Traditionen zurückgeht. Diskutiert wurde außerdem, wie die Repräsentation von weißer männlicher Wut und Traurigkeit in Filmen wie „Fight Club“ von ihrer Inszenierung in der aktuellen US-Politik unterscheidet – und warum vergleichbare Ausdrucksformen bei Frauen oder People of Color oft als unangemessen gelten.
Um auf das oben erwähnte Wrestling zurückzukommen: Es stellt sich die Frage, was das mit Trump, Politik oder Kultur zu tun hat. Sebastian Herrmann schlägt in seinem Vortrag eine Analogie zwischen dem Wrestling-Universum und der Politik vor. Dies ließe sich vor allem in der politischen Arena der USA beobachten. Als anschauliches Beispiel für diese Strategie nennt Herrmann das skandalöse Pressetreffen im Oval Office zwischen Donald Trump, dem von ihm gewählten Vizepräsidenten James David Vance und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Er weist darauf hin, dass eine der Annahmen, die hinter den „wrestling politics“ Trumps stehen, darin besteht, dass er sich auf diese Weise an „junge und insbesondere an junge, ungebildete Männer“ wendet.

Ein Beispiel aus dem Vortrag von Hermann: Ein Beitrag des Internet-Influencers und Wrestlers Logan Paul. Quelle: X
Auch Stefan Schubert beobachtet diese Dynamik mit dem Fokus, wie bereits erwähnt, auf die Inszenierung von Emotionen in der amerikanischen Politik und Popkultur. Dabei wirft er die Frage auf: Was haben Donald Trump, Andrew Tate, die Online-Subkultur der ‚Incels‘ und Charaktere wie Lee Chandler, der Protagonist von ‚Manchester By The Sea‘ gemeinsam? Auf den ersten Blick scheint es nur um das eigene Geschlecht zu gehen. Schuberts Vortrag gibt aber auch andere Antworten auf die Frage, was alle diese Männer verbindet: toxische weiße Maskulinität, Misogynie, Konservativität, eine Tendenz, in der Öffentlichkeit aggressiv und lautstark aufzutreten.
Der Diskurs um den sogenannten „forgotten man (der vergessene Mann)“ oder „sad angry white man (der traurige, wütende weiße Mann)“ ist in der Popkultur, Gesellschaft und Politik der Vereinigten Staaten zu beobachten. Schubert hebt das Phänomen der öffentlichen Performance von emotionalem, insbesondere aggressivem oder viktimisierendem Verhalten amerikanischer männlicher Politiker hervor. Der Dozent argumentiert, dass Wut nicht als etwas angesehen werde, das den weißen Mann ohne Vernunft darstellt, sondern vielmehr ein Bild der Entschlossenheit kultiviert. Traurigkeit wiederum werde von männlichen US-Politikern nicht als unmännlich oder als übertriebene Sentimentalität empfunden, sondern als eine Strategie zur Legitimierung von Ungerechtigkeiten, hauptsächlich gegenüber weißen Männern und Amerika insgesamt.
Solche Auftritte, zum Beispiel im Wahlkampf, eigneten sich gut, um sensationelle Schlagzeilen zu erzeugen, was die Wirkung dieser Strategien noch verstärke. „One of my explicit goals with this talk is to try to denormalize Trump. And the discourse around that has become normalized itself, so it’s lost some of its edge“, skizziert Schubert die Problematik des Diskurses. Um den derzeitigen US-Präsidenten zu denormalisieren, sei es daher nicht nur notwendig, den Trumpismus zu thematisieren, sondern ihn auch zu entmystifizieren oder, wie der Dozent ergänzt, zu verspotten.
Es bleibt die Frage, ob das Thema der performativen Politik ein rein amerikanisches Phänomen ist und welche Relevanz es für die deutsche Gesellschaft hat. Schuberts Vortrag versucht auch, Parallelen vom „sad angry white man“-Diskurs zum europäischen und insbesondere zum deutschen Raum zu finden. Für den Dozenten ist diese Darstellung und emotionale politische Ansprache noch eher ein US-spezifisches Phänomen. Jedoch fasse es mit zunehmenden populistischen Tendenzen auch in Europa Fuß. Schubert nennt als Beispiel, wie die AfD auf eine Opferinszenierung zurückgreife und diese in die Rhetorik „Wir als Partei werden so schlecht behandelt, so geht es vielen Menschen in Deutschland“ verpacke. Und obwohl das Image des „sad angry white man“ und Theatralik in der Öffentlichkeit als ein vorwiegend Trump-spezifisches Phänomen angesehen werden könne, ist der Dozent der Meinung, dass es sich lohnt, diese Strategie zu erforschen, kritisch zu analysieren und zu versuchen, sie zu verstehen, um sie in den Kulturen und der Politik anderer Länder zu erkennen.
Titelbild: vk


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