Neuanfang im Kohlrabizirkus
Nach dem Aus des IfZ bringt Axxon N. neuen Schwung in Leipzigs Clubszene – mit Anspruch, Atmosphäre und einer klaren Vision.
Leipzig hat wieder einen Ort für unvergessliche Nächte: Im Kohlrabizirkus ist mit Axxon N. ein neuer Club entstanden – und vielleicht mehr als das. Nach dem Ende des Instituts für Zukunft (IFZ), das als ein Zentrum für queere Sichtbarkeit, elektronische Subkultur und gesellschaftspolitische Clubarbeit galt, klaffte eine Lücke in der Clubszene. Nun füllt sich dieser Raum nicht nur mit Bass, sondern auch mit Verantwortung. „Wir sind kein Space für uns – wir sind ein Space für unsere Gäste“, sagt Lucas Pulkert, einer der Betreiber*innen des Axxon N.
Was hinter dem Namen steckt
Dass der Club überhaupt existiert, ist alles andere als selbstverständlich. Der denkmalgeschützte Kohlrabizirkus galt lange als schwer nutzbar – finanziell wie konzeptionell. „Die IFZ-Schließung war ein krasser Moment für viele Menschen – ein weiterer Safer Space geht verloren“, erinnert sich Pulkert. Aus Frust wurde Tatendrang: „Das war ein Moment, wo wir dachten: Okay, dann machen wir es eben selbst“, berichtet er..
Der Name Axxon N. wirkt rätselhaft. „Es gibt da jetzt keine krasse Geschichte dazu oder so“, gibt Pulkert zu. Wichtig war ein Label, das unvoreingenommen bleibt und sich mit dem Club entwickeln kann. Dass der Name mystisch klingt, gefällt dem Team. „Wenn man tief googelt, findet man die ein oder andere Referenz, die da auch ganz gut dazu passt“, sagt Pulkert mit einem Schmunzeln.
Ein Club, viele Hände
Etwa zehn Menschen aus Leipzig und ganz Deutschland bilden das Betreiber*innenkollektiv. Doch der Club steht auf breiteren Schultern. „Einige haben Geld gegeben, andere ihre Fähigkeiten eingebracht – Buchhaltung, Organisation und mehr“, erklärt Pulkert. Die Leipziger Szene half früh, das Projekt zu stemmen, auch das LiveKommbinat spielte dabei eine Rolle.
Dort sieht man die Entwicklung mit Respekt und Hoffnung. „Die Leute, die diesen Club jetzt eröffnet haben, machen allein schon deshalb Vieles richtig, weil sie etwas Neues versuchen“, sagt Jörg Konsinski vom LiveKommbinat Leipzig, dem Verband der Leipziger Clubs und Livemusikspielstätten. Für ihn ist Axxon N. mehr als ein Veranstaltungsort. Er betont: „Wir reden hier nicht nur über Räume wie Veranstaltungsorte oder Clubgebäude, sondern über gesellschaftlichen Wert.“
Kein IFZ 2.0
Das Axxon N. will das IFZ nicht kopieren. „Wir haben dieses Space mit einer neuen Mission gestaltet“, stellt Pulkert klar. Der Club versteht sich selbst als kuratierter Ort, nicht als Bühne für Hype-DJs. Freitags bleibt das Programm genreübergreifend, samstags technoider. Pulkert erklärt: „Es geht uns nicht um die angesagtesten Namen, sondern um Nächte mit kulturellem Wert.“ Und weiter: „Techno kommt aus der Dunkelheit – das greifen wir gestalterisch auf.“
Das Konzept setzt auf Atmosphäre und Gemeinschaft statt auf Star-DJs, Trends und Umsatzdruck. Auch die Türpolitik spiegelt diese Haltung: „Gute Türpolitik bedeutet für uns: Schutz für unsere Gäste, besonders bei queeren Events“, versichert Pulkert. Es gehe um Sicherheit, nicht um Härte um der Härte willen.
Hohe Kosten, knappe Mittel
Doch ein Clubbetrieb ist kein Selbstläufer, besonders nicht bei steigenden Energie-, Gema- und Personalkosten. Konsinski warnt: „Die höheren Betriebskosten schränken die Handlungsspielräume der Clubs ein.“ Das erschwere Entscheidungen, etwa ob man Nachwuchskünstler*innen eine Bühne bietet oder eine kostendeckendere Veranstaltung vorzieht.
Das Axxon N. kalkuliere vorsichtig. „Ziel ist nicht, Geld zu verdienen, sondern bestenfalls bei null rauszukommen“, sagt Pulkert. Der Club finanziere sich durch Eigenkapital, erste städtische Förderungen und den laufenden Betrieb. Doch wirtschaftlich bleibe es ein Drahtseilakt. Pulkert bestätigt: „Ein Space wie dieser ist keine Cash-Cow, sondern ein kulturelles Projekt.“
Die Stadt „setzt ein Zeichen“
Für das LiveKommbinat ist klar: Die Stadt Leipzig trägt Verantwortung. Dass sie den Kohlrabizirkus gekauft hat, sei ein Glücksfall. „Ich hoffe, dass die Stadt Leipzig als Eigentümerin des Standorts Kohlrabizirkus die Nerven behält und in Zukunft nicht gegenüber kulturellen Nutzungen ‚marktübliche‘ oder höhere Pachten verlangt“, sagt Konsinski und ergänzt: „Das wäre für eine kulturelle Nutzung völlig illusorisch.“
Nach dem IfZ-Aus zeigte die Stadt Interesse, den Space kulturell weiterzuführen. „Die zuständigen Ämter haben viel dafür getan, den Standort zu erhalten“, bestätigt Konsinski. Damit habe Leipzig ein Zeichen gesetzt – für eine Stadtentwicklung, die kulturelle Orte schützt. „Wir wünschen uns, dass diese Orte für viele Menschen zugänglich und erschwinglich bleiben“, erklärt er.
Erste Nächte, erste Eindrücke
Wie fühlt sich Axxon N. an? Ein Besucher, der anonym bleiben möchte, beschreibt seine Eindrücke: „Lange Schlange, obwohl der Club noch halb leer war.“ Das Publikum? „Ähnlich wie im IFZ – gute Stimmung, gute Musik.“ Räumlich habe sich etwas verändert, etwa die Garderobe, doch: „Der Vibe ist der gleiche,“ findet der Besucher.
Auch Pulkert zeigt sich zufrieden: „Ich bin sehr happy mit der Crowd – divers, lieb, aufmerksam.“ Der Club ziehe genau das Publikum an, das sich viele für eine offene, respektvolle Clubkultur wünschen.
Ausblick: Ein Raum für Möglichkeiten
Im Axxon N. steckt viel Idealismus – und Realitätssinn. Zwei Clubnächte pro Woche seien „jetzt schon aufwendig“, gesteht Pulkert. Dennoch plant das Team mehr: Ausstellungen, Drag-Shows, Performances. Pulkert erklärt: „Solange es unseren Werten entspricht, ist vieles denkbar.“ Der Club versteht sich als offener Möglichkeitsraum. „Wir wollen ein Ort sein, an dem man sich selbst entdecken kann“, unterstreicht er.
Pulkert bleibt nüchtern-optimistisch: „Ob das neue Konzept bei den Leuten ankommt, wird sich erst in den nächsten Monaten und Jahren zeigen“, meint er. Doch der Anfang ist gemacht – und dieser Anfang klingt nach Bass, Verantwortung und einem leuchtenden Punkt hinter dem Namen: Axxon N.
Fotos: Moritz Richter


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