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  • „Hoffnung ist dort, wo wir bereit sind zu handeln“

    Bei der deutschen Klimapolitik nicht den Kopf zu verlieren, ist häufig schwierig – wie wir trotz allem die wichtigste Ressource, den Mut, behalten können, erzählt Luisa Neubauer im Werk 2.

    „Wissing warnt vor zu viel Klimaschutz“ meldet der Sender ntv. „Luisa Neubauer schockt mit Bombenbuch – Klima-Nachwuchs radikal wie nie“. Oder „Merz – Windräder abbauen, weil sie hässlich sind‘“ getitelt im Handelsblatt.

    Mit einer leeren Bühne und fetten Schlagzeilen startet Luisa Neubauers Lesung im Werk 2 in Connewitz Anfang März. Die Abendveranstaltung in der alten Fabrikhalle ist bis zum letzten Platz ausverkauft. Auf der großen Leinwand vorne wechseln sich besonders kontroverse Headlines, Fotos und Tweets ab. Die Message ist ziemlich eindeutig: Beim Klimaschutz sollte man nicht übertreiben. Luisa Neubauer kümmert sich eigentlich nur um ihr Aussehen und Markus Söder will einfach nur in Ruhe eine Bratwurst essen. Überall im Publikum sind leise Diskussionen zu hören – der Abend beginnt.

    „Was wäre, wenn wir mutig sind“ ist der Titel von Neubauers Buch, das im Januar 2025 im Rowohlt Verlag erschienenem ist. Sie ist Autorin und Klimaschutzaktivistin. Vor allem ist sie bekannt für ihren Aktivismus in der Bewegung „Fridays for Future-Bewegung“. In der neuen Veröffentlichung der Ende Zwanzigjährigen ist der Titel Programm.

    Die Präsentation im Werk 2 beginnt also mit nichts Geringerem als der größten ökologischen Herausforderung von allen – „die Krise der Hoffnung“, so Neubauer. Die Autorin unterscheidet zwischen zwei Sorten von Hoffnung, der bequemen und der unbequemen. Die bequeme Hoffnung sei niemals konkret, sagt Neubauer. Sie möchte die Antwort auf die Klimakrise ausschließlich da sehen, wo man selbst nicht gefragt ist. „Die unbequeme Hoffnung gibt es nur dort, wo Menschen bereit sind zu handeln“. Sie könne im Gegensatz zur anderen der Komplexität der Welt standhalten und sei die wertvollste Ressource der Welt.

    Obwohl die unbequeme Hoffnung meistens keine einfachen Lösungen bereithalten kann, gibt es bei einer faktenbasierten Betrachtung gar keine Alternative zu ihr. Denn wo käme man denn hin, wenn immer der leichteste und spaßigste Weg gewählt wird, unabhängig davon, ob dieser Weg überhaupt zu einer Lösung des Problems führen kann. Natürlich könnte man das mit „ist ja logisch“ abtun – nur leider ist die Öffentlichkeit aus diversen politischen Diskursen bereits diese Argumentationen fernab von belegbaren Fakten gewohnt. Es braucht eine radikale Konfrontation mit der Realität, so auch Luisa Neubauer.

    Neubauers Buch soll einen Gegenvorschlag für den gegenwärtigen Umgang mit dem Klimawandel vorlegen. Die wichtigste Grundlage dafür sei die unbequeme Hoffnung. Natürlich sei es gerade jetzt, in Zeiten, in denen beim Welt-Konzern Meta der Faktencheck abgeschafft wird und es scheinbar das neue „Normal“ ist, wissenschaftliche Argumente in aller Öffentlichkeit schlichtweg zu leugnen, schwierig diese besagte Hoffnung beizubehalten. Trotzdem sei kaum etwas wichtiger. Denn es passiert nicht nur Schlechtes auf dieser Welt, so Neubauer.

    An dieser Stelle wird sie konkret: Was ist genau zu tun? Es brauche dringend Engagement, das über das Ehrenamtliche hinausgehe. „Wir können nichts ehrenamtlich retten, was andere hauptberuflich kaputt machen“, sagt Neubauer. Um die Frage wie man Klimaschutz in seinen eigenen Job integrieren kann und mit welchen persönlichen Fähigkeiten man sich individuell einbringen kann, käme man nicht herum.

    Zuletzt geht Neubauer auch noch auf Fragen ihrer Instagram-Community und des Publikums ein. Wie denkt sie nicht nur als Klimaaktivistin, sondern auch als Parteimitglied der Grünen über den Wahlkampf? Sie habe sich nicht repräsentiert gefühlt sagt sie dazu ganz direkt. Die Grünen hätten offensiver handeln müssen. Außerdem sei sie enttäuscht, dass die Ampelkoalition das geplante Klimageld nicht durchgesetzt hat. „Gute Klimaschutzmaßnahmen müssen gerecht sein“, sagt Neubauer, sonst könne es langfristig nicht funktionieren – das Klimageld wäre dazu der richtige Schritt gewesen.

    Mit Humor, aber definitiv auch der nötigen Ernsthaftigkeit schafft es Luisa Neubauer in kurzer Zeit tatsächlich ihre Zuversicht in der großen Halle zu verteilen. Zum Glück macht es viel mehr Spaß gegen die Politik von Friedrich Merz auf die Straße zu gehen als gegen die seines Vorgängers Olaf Scholz, sagt sie mit einem Augenzwinkern.

     

    Foto: Greta Kiso

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