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  • Die Geschichten hinter Geschichten

    Die Leipziger Buchmesse präsentiert in erster Linie Neuerscheinungen. Wer jedoch nach älterer Literatur sucht, wird auf der Antiquariatsmesse fündig.

    Hölzerne Regale reihen sich in Halle 5 der Leipziger Buchmesse aneinander. Gefüllt sind sie – soweit nichts Ungewöhnliches – mit Büchern. Doch diese Bücher sind anders als die, die man an den unzähligen anderen Ständen findet: Keine Neuautor*innen stehen auf den Covern, sondern Namen wie Karl May oder die Gebrüder Grimm. Die Einbände glänzen genauso wenig druckfrisch wie die Buchstaben auf den Seiten, stattdessen sehen sie alt aus, gebraucht, teilweise sind sie auch schon zerfleddert. Doch das ist keine Unachtsamkeit der Aussteller*innen, im Gegenteil: Diese Bücher, Bücher mit Geschichte, findet man auf der Antiquariatsmesse, die auch in diesem Jahr wieder Teil der Leipziger Buchmesse ist und ihr 30-jähriges Bestehen feiert.

    Ihr Programm ist vielfältig:  Von Literatur des 15. Jahrhunderts über Klassiker wie Goethe und Schiller bis hin zu Exilliteratur ist alles dabei. Einige der Werke sehen aus wie neu. Vielen anderen sieht man an, dass sie bereits einiges hinter sich haben. Bei manchen Büchern sind die Seiten vergilbt oder die Einbände ein wenig zerkratzt. Auf der einen oder anderen Seite findet man sogar Markierungen und Bleistiftkritzeleien – Spuren eines Menschen, der dieses Buch in einer anderen Zeit, an einem anderen Ort gelesen hat.

    Veranstalterin der Antiquariatsmesse ist die Firma abooks unter der Leitung von Marianne Fleischer-Bartsch und Stefan Lenzen. Ein besonderes Highlight auf der diesjährigen Antiquariatsmesse haben die beiden nicht, denn: „Das Highlight ist eigentlich die ganze Messe“, findet Stefan Lenzen. Für wenig Geld – einige Bücher kosten nur etwa fünf Euro – können Besucher*innen hier Literatur erwerben.

    „Natürlich ziehen wir erst mal ein Publikum an, das uns schon kennt“, erklärt Marianne Fleischer-Bartsch. „Aber darüber hinaus kommen auch viele junge Leute, die einfach mal schnuppern wollen. Insgesamt wird die Messe wirklich gut angenommen.“ Laut Stefan Lenzen liegt das auch an dem sogenannten „modernen Antiquariat“: Während die meisten Stände auf der Messe fast ausschließlich Neuerscheinungen bewerben, gibt es hier auch Bücher zu finden, die zwar bereits fünf bis zehn Jahre alt und damit zu alt für die meisten Verlagsstände sind, aber trotzdem noch zahlreiche Interessierte anlocken. „Man kann es so sagen: Die Bücher, die man heute bei den Verlagen bekommt, findet man in ein paar Jahren bei uns“, meint Stefan Lenzen. „Sind sie dann schlechter? Nein – höchstens günstiger.“

    Doch nicht nur der Preisfaktor zieht die Besucher*innen zur Antiquariatsmesse. Denn was haben alte Bücher, was neue Bücher nicht haben? „Auf jeden Fall haben sie eine Geschichte“, erklärt Marianne Fleischer-Bartsch. „Oft ist es erlebbar, dass diese Bücher durch viele Hände gegangen sind oder zum Beispiel auch versteckt wurden.“ Gerade in dem teilweise hohen Alter der Bücher stecke das Interessante: Hinter den Gebrauchsspuren, vergilbten Seiten und Kritzeleien stehen Geschichten von Menschen, von Familien, von historischen Ereignissen.

    Beteiligt sind in diesem Jahr 43 ausstellende Antiquariate und zwei Galerien. Das sei ein kleiner Zuwachs im Vergleich zu den Jahren vor Corona, erklärt Marianne Fleischer-Bartsch – jedoch sei die Zahl der Aussteller*innen in den Jahren vor Corona deutlich zurückgegangen. Woran das liege, sei schwer zu sagen, denn begründen tun die angefragten Antiquariate ihre Absage oft nicht. Eine mögliche Erklärung sei die finanzielle Belastung, so Stefan Lenzen: „Man muss das Hotel zahlen, die Anreise, den Stand und so weiter. Viele finden, dass es sich nicht lohnt, beispielsweise auch für einige Tage den eigenen Laden zu schließen, um herkommen zu können.“ Finanziell wäre es mitunter lohnenswerter, die Bücher einfach im Internet zu verkaufen.

    Dabei ist es laut Stefan Lenzen sehr wichtig, dass die Antiquariate ihre Bücher nicht nur online anbieten, sondern sich auch auf Events wie der Buchmesse präsentieren. Es gehe darum, Bücher anfassen, sie erleben zu können. „So kann man auch mal erfahren, wie der Zustand des Buches wirklich ist“, ergänzt Marianne Fleischer-Bartsch. Eine Onlineanzeige könne das nicht leisten.

    Offenbar sehen das viele Besucher*innen der Buchmesse ganz genauso: Die hölzernen Regale sind belagert von Menschen. Einige bewundern die teilweise sehr aufwendig gestalteten Einbände, andere blättern in den Büchern oder suchen nach einem bestimmten Werk, das sie von früher kennen und gerne mal wiedersehen würden – einem Werk, das sie unter den Neuerscheinungen an den anderen Ständen sicher nicht finden werden.

     

    Titelbild: Isabella Klose

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