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  • „Es ist effizienter, Menschen denken zu lassen“

    Nachhaltigkeitsforscher Friedrich Bohn spricht in seinem Interview mit luhze darüber, wie künstliche Intelligenz beim Klimaschutz helfen kann.

    In der Forschung begegnen uns immer größere Datenmengen, die es zu durchschauen gilt. Gleichzeitig entwickeln sich die Fähigkeiten künstlicher Intelligenzen, die mittlerweile immer größere Datenmengen fassen können, sehr schnell. Kann KI helfen, die Zusammenhänge des Ökosystems und der Nachhaltigkeit besser zu verstehen und somit zum Klimaschutz beitragen? Luhze-Redakteurin Elisa Pechmann hat Friedrich Bohn vom Umweltforschungszentrum Leipzig befragt, inwiefern er in seinem Arbeitsbereich mit KI zu tun hat und wie viel Potenzial er in ihr in Bezug auf den Klimaschutz sieht.  

    Friedrich Bohn vom UFZ Leipzig Foto: privat

    luhze: Herr Bohn, Sie arbeiten am UFZ Leipzig in der Nachhaltigkeitsforschung. Inwiefern haben Sie bei ihrer Arbeit mit KI zu tun und was sind deren wichtigste Anwendungsfelder in der Nachhaltigkeit? 

    Bohn: KI kann sehr gut Muster in Datenmengen erkennen, also zum Beispiel in Temperatur- und Niederschlagskurven. 2008 habe ich für meine Diplomarbeit untersucht, inwiefern man mit KI Muster in Co2-Senkenleisten von Ökosystemen besser finden und verstehen kann. Also schon lange vor ChatGPT wurde damit gearbeitet. Allerdings ist heute die Datenmenge, die man verarbeiten kann, extrem gewachsen. Dadurch kann man nun Muster auf globaler Ebene analysieren – So können die Funktionsweisen von Ökosystemen oder Vorgänge wie Entwaldung besser verstanden werden. Aber was KI nach wie vor nur unzureichend kann, ist, Prognosen für neue Situationen aufzustellen.  

    Warum genau? 

    Weil KI häufig nur die Informationen verarbeiten kann, die sie in ihrem Trainingssatz gelernt hat zu verarbeiten. Ich habe einmal mit Kollegen versucht, das Verhalten eines Waldes mittels KI und eines mechanischen Modells, welches aus mathematischen Formeln bestand, abzubilden und dann zukünftige Felddaten vorauszusagen. Das konnte die KI etwas genauer als das mechanische Modell. Doch danach ging es darum, eine Entwicklung des Waldes bei veränderten Bedingungen vorher zu sagen, wenn es zum Beispiel wärmer wird. Das war der KI gar nicht möglich, weil für sie eben kein entsprechender Trainingssatz vorhanden war. Wir dagegen konnte einen Kollaps vorherbestimmen, da wir aus logischen Gründen wissen, wie die Mechanismen des dargestellten Ökosystems funktionieren. KI kann also super bestehende Zusammenhänge verstehen und Muster erkennen, aber hat Schwierigkeiten, Sachen, die außerhalb bisheriger Erfahrung liegen, zu finden oder vorherzusagen. Da muss man „wirklich intelligent“ sein und logisch denken können, wofür die Entwicklung der KI noch am Anfang steht. 

    Und ist KI dann überhaupt hilfreich in der Forschung? 

    Teilweise. KI kann ein wenig den Blick lenken und uns auf interessante Sachen in undurchschaubaren Datenmengen aufmerksam machen. Aber sie bringt uns kein Mehrverständnis. Das Problem bei der Forschung mit KI ist der sogenannte Blackbox-Effekt. Man steckt Daten rein und bekommst ein Ergebnis, kann aber bei den meisten KI-Systemen kaum nachvollziehen, warum sich genau dieses ergibt.  

    Wie sehr wird KI denn dann überhaupt genutzt? 

    In der Wissenschaft ist KI so eine Art „Buzzword“ geworden. Also wenn du sagst, du willst etwas erforschen, und zwar mit KI, hast du eine höhere Chance auf Förderung. Außerdem werden mittlerweile viele alte Studien mit KI reproduziert. Da bestätigt man aber häufig nur die Ergebnisse mit einer neuen Methode. Hinzu kommt, dass man durch ChatGPT viel schneller Paper schreiben kann. Es gibt mittlerweile eine Flut von Papern in der Wissenschaft, und es wird immer schwieriger, die alle zu kontrollieren. Deshalb steht die Frage im Raum, ob man vielleicht wieder dahin zurück gehen sollte, weniger Paper zu produzieren, und dafür mehr Wert darauf legt, dass diese wirklich ein Mehrverständnis bringen. Aber da ist KI nicht unbedingt hilfreich.  

    Und wie viel Hoffnung kann man in KI in Bezug auf den Klimaschutz stecken? 

    KI ist meiner Meinung nach erstmal nur ein Werkzeug. Es kommt drauf an, wie man sie einsetzt, was man draus macht. Aber ich finde, dass man die wichtigsten Dinge im Bereich Klimaschutz auch ohne sie versteht. Dass wir dringend runter von fossilen Energieträgern müssen, muss uns keine KI sagen oder für uns machen. Und man darf nicht vergessen, dass KI selbst große Mengen Energie verbraucht. Als die KI zum ersten Mal den Schachweltmeister besiegt hat, hat das viele beeindruckt, doch tatsächlich hat sie ein Vielfaches mehr an Energie verbraucht als das Gehirn des menschlichen Spielers. Mit anderen Worten: Es ist nach wie vor deutlich effizienter, Menschen denken zu lassen als KI. 

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