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  • Zero Waste heißt nicht null Abfall

    Leipzig möchte bis 2030 Zero Waste Stadt werden. Dazu erarbeiten Bürger*innen und Expert*innen unter Anleitung der Stadtreinigung ein Konzept. Lest hier eine Vorstellung des Fahrplans der Strategie.

    Was kann die Stadt Leipzig unternehmen, um klimaschädliche Treibhausgasemissionen nachhaltig und wirksam zu minimieren und den Auswirkungen der Klimakrise im eigenen Stadtgebiet gezielter entgegenzuwirken um als Lebensraum weiterhin lebenswert zu bleiben? Eine Möglichkeit lautet Zero Waste Stadt zu werden. 

    Bis 2030 will die Stadt Leipzig genau das werden. Die Stadtreinigung hat die Federführung inne, bis 2024 Maßnahmen auszuarbeiten. Unter dem Titel „Mein Leipzig schon’ ich mir – Ressourcen sparen, Zukunft wagen“ erfolgt das städtische Vorhaben gemeinsam mit Bürger*innen und Expert*innen der Stadt Leipzig. Sämtliche Leipziger Ämter, Referate sowie Eigenbetriebe werden bei der Strategieausarbeitung mit einbezogen.  

     Doch was bedeutet Zero Waste? Die deutsche Übersetzung von Zero Waste ist „null Abfall“. Eine andere, in diesem Fall treffendere Übersetzung laute „null Verschwendung“,

    erklärt Julia Görner, Projektleiterin Zero Waste der Stadtreinigung Leipzig. Keinen Abfall zu produzieren sei gar nicht möglich und Abfall per se auch nichts Schlechtes. Sortenreiner, das bedeutet richtig getrennter Bioabfall beispielsweise, sei kompostierbar und bleibe im Kreislauf. Es ist also möglich, und vor allem nötig, die Verschwendung jeglicher Ressourcen zu stoppen.  

    Julia Görner als Projektleitung Zero Waste Stadt Leipzig Foto: Stadtreinigung Leipzig

     Um diese Problematik anzugehen, werden vier Ziele im Rahmen der Strategie ausformuliert. Zum einen soll bis 2030 10 % weniger Siedlungs- und 10 % weniger Restabfall anfallen. Angestrebt wird also, dass 2030 nur noch 125 kg Restabfall pro Kopf pro Jahr zustande kommen, im Gegensatz zu 139 kg Restabfall im Jahr 2020. Beim Siedlungsabfallaufkommen, also dem gesamten Abfallaufkommen privater Haushalte und vergleichbaren Einrichtungen wie Schulen oder Kindergärten, verhält es sich ähnlich: 2020 fielen pro Einwohner*in 368 kg Siedlungsabfall an, 2030 sollen es nur noch 330 kg sein. Außerdem sollen Gewerbe, Handel und der Bausektor bei der Vermeidung von Restabfällen unterstützt werden. Die Wirtschaft wird somit mit in die Verantwortung gezogen.   

    Schlussendlich beinhaltet der Ansatz, dass vermeidbare Abfälle auch vermieden werden sollen. Unvermeidbare Abfälle hingegen sollen soweit getrennt und in ihre Bestandteile aufgebrochen werden, dass sie recycelt als Sekundär-, Tertiär- etc. Rohstoff wieder in den Produktkreislauf zurückkommen. Abfallvermeidung, Recycling und Wiederverwendung schont Ressourcen. Aber was beinhaltet eine sogenannte Kreislaufwirtschaft noch?  

     Weg von der linearen Abfallwirtschaft hin zur Kreislaufwirtschaft 

    Um Ressourcen zu schonen, ist es möglich, noch viel früher im Produktkreislauf anzusetzen, beispielsweise im Verpackungsdesign, so Görner. Auf Verpackungen kann meist ganz verzichtet werden oder es können Mehrwegsysteme etabliert werden. Ein gutes Beispiel für cleveres Design wäre beispielsweise Smartphones so zu gestalten, dass der Akku herausnehmbar und dadurch leichter ausgetauscht werden kann, anstatt bei Batterieproblemen direkt ein neues Handy zu kaufen. So gibt es viele weitere Stellschrauben im Leben eines Produktes, die zur Kreislaufwirtschaft beitragen können: vom Design und der Produktion eines Produktes über sparsamen Konsum, der Wiederverwendung im klassischen Secondhandsinne bis hin zur Reparatur von gebrauchten Gegenständen. Nach der korrekt getrennten Sammlung von nicht vermeidbaren Abfällen kommt es im Rahmen eines kreislaufwirtschaftlichen Systems zur Wiederaufbereitung, wobei nur ein minimaler Anteil an Restmüll entsteht, der nicht recycelt werden kann. Der recycelte Abfall hingegen kann erneut zu Produkten verarbeitet werden – so schließt sich der Kreislauf.  

    Das fünfköpfige Team der Leipziger Stadtreinigung kann nicht an allen Stellschrauben eines Produktes im Rahmen der Kreislaufwirtschaft drehen und alleinig eine Strategie ausarbeiten, um Leipzig auf dem Weg zu mehr realem Klimaschutz zu unterstützen. Laut Görner ist daher weitere Beteiligung notwendig: „Wir müssen und wollen von Anfang an möglichst viele Menschen beteiligen, sowohl die Bürgerinnen und Bürger als auch Fachexpertinnen und -experten“.  

    Zu Beginn der Strategieausarbeitung 2022 wurde die Stadtverwaltung und vor allem das Bündnis Abfallvermeidung, welches sich für Ressourcenschonung und gegen Abfallvermeidung einsetzt, beteiligt. Hierbei erfolgte eine Status quo- und Bedarfsanalyse: Wo bestehen große Probleme was Ressourcenverschwendung angeht? Welche Lösungsansätze gibt es? Neben ersten Ideensammlungen für Maßnahmen sind dabei sieben Handlungsfelder entstanden, die die relevanten Stellschrauben darstellen: öffentliche Verwaltung; Bau, Handel und Gewerbe; Soziales und Gesundheit; Kultur und Events und Sport; private Haushalte; Bildung.  

    Bürger*innenbeteiligung von und mit Leipziger*innen 

    Im Mai diesen Jahres war die Leipziger Öffentlichkeit eingeladen, weitere Ideen entlang der gesetzten Handlungsfelder zusammenzutragen. Es ist schließlich ein Prozess, in dem alle gefragt sind. Jörg Schwulst, 57, Leipziger und Grafikdesigner, hatte im Anschluss seiner Teilnahme beim Bürger*innenbeteiligungstreff zur Ideensammlung von Maßnahmen und entsprechendem Austausch und Kennenlernen ein bestärkendes Gefühl, eigene Ideen einzubringen und kollektive Übereinstimmungen der Ideen wahrzunehmen. Ihn begeisterte das ernsthafte Interesse der Stadt gegen die Klimakrise vorzugehen, eine gewisse Unwissenheit blieb zu diesem Zeitpunkt dennoch, ob das Konzept erfolgreich wird und Hindernisse aus dem Weg geräumt werden können. 

    Dieses und weiteres kann er, und auch ihr, beim Bürger*innenforum am 11. November von 14 bis 17 Uhr im Festsaal des Neuen Rathaus erfahren. Die gesammelten Vorschläge wurden im Laufe des Jahres in Fachworkshops mit Expert*innen aus der Stadtverwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft analysiert und diskutiert, um einzelne Maßnahmen zu priorisieren und zu konkretisieren. Nun wird der aktuelle Strategieentwurf vorgestellt und zur Diskussion eingeladen.  

    Bis Mitte 2024 soll schließlich ein Katalog mit Maßnahmen stehen, die gut in Leipzig umsetzbar sind und zudem einen besonders hohen Effekt bei der Einsparung von Ressourcen erzielen. Diese Strategie muss dann von der Stadtverwaltung unterschrieben werden, bevor sie im Stadtrat beschlossen werden muss, damit die Umsetzung der Maßnahmen 2025 final beginnen kann.  

    Leipzig wächst und wächst, auch im Klimaschutz? 

    Leipzig ist in Bezug auf die Einwohner*innenzahl die meist wachsende Stadt Deutschlands – eine Zero Waste Strategie ist dabei laut Görner ein ganz wichtiger Beitrag zum Klimaschutz, vor allem weil hierbei das zwangsläufige Mehraufkommen von Emissionen durch Neubau und weitere Flächenversiegelung eine große Rolle spielt. Das Team recherchiert derzeit nach Wegen, um eine passende Berechnung des CO-Einsparungspotenzials einzelner Maßnahmen durchführen zu können, sobald diese final stehen. Laut Görner besteht eine starke Tendenz, dass die Maßnahmen zum 1,5 Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens beitragen. Die Umsetzung und damit der Effekt ist aber bekanntlich eine andere Frage.  

    Warum also bis 2025 warten, bis es in die Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen geht? Schließlich ist Zeit einer der entscheidenden Faktoren in der Bekämpfung der Klimakrise, von dem wir bei gleichbleibender Handlungsgeschwindigkeit zu wenig haben? Das dachte sich auch das Zero Waste Team und startete bereits parallel mit der Umsetzung von Projekten. Dazu zählt beispielsweise der Leipziger Reparaturbonus oder ein Tauschmarkt zur europäischen Woche der Abfallvermeidung, der auch dieses Jahr wieder vom 18. bis 24. November im Stadtbüro stattfindet. Außerdem wurde das Projekt Allerlei to go zur Unterstützung der Gastronomie bei der Umstellung auf Mehrweg in Kooperation mit dem BUND Leipzig gestartet, verschiedene Umweltbildungsangebote für Klein und Groß, aber auch an einem Kaufhaus der Zukunft, einem Secondhand Warenhaus, wird derzeit gearbeitet, welches voraussichtlich Anfang 2024 eröffnet werden soll.  

    Strategie hin oder her, es braucht uns alle, und dass nicht erst durch einen verpflichtenden Fahrplan. Abfall wird durch uns alle erzeugt, von der Kaufentscheidung bis hin zur Nutzung von Freizeitangeboten oder dem Wegschmeißen noch genießbarer Lebensmittel. Die Frage ist nur, an welcher Stellschraube – Individuum und Gesellschaft oder Politik und Wirtschaft – zuerst angesetzt werden soll. Idealerweise an allen gleichzeitig, wie das Strategiekonzept hoffentlich zeigen wird.

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