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    Zwischen Punk und Vorurteilen: Der Roman „Guck mal, die Asis“ konfrontiert uns mit der harten Realität des Erwachsenwerdens, der Suche nach einem Safe-Space und der eigenen Voreingenommenheit.

    „Guck mal, die Asis“ ist ein Liebesroman, der nahezu ohne die typischen Klischees auskommt und daher eine wunderbare Alternative zu den vor Kitsch triefenden Sommerschnulzen ist.  

    Debby lernt den Punk Farin an einem kalten Abend am Bahnhof kennen, wo er und seine Freunde von Debbys Freund Thomas angepöbelt werden. Im Verlauf der Geschichte verbringt Debby immer mehr Zeit mit Farin und dessen Freunden Hadrian und Lasko, die sie offen in ihrer Gruppe aufnehmen. Dabei merkt sie, dass ihr bisheriges Leben, bestehend aus Serienabenden, Klatsch und Tratsch mit ihren Freundinnen, nicht das ist, welches sie führen möchte. Zudem kommt es zu immer mehr Spannungen zwischen Debby und Thomas, der denkt, dass sich Debby in Farin verliebt hat. Er versucht sogar, ihr zu verbieten, sich mit Farin zu treffen. Auf der gemeinsamen Klassenfahrt eskaliert der Konflikt.  

    Ich bin über gemeinsame Kontakte auf die Autorin aufmerksam geworden und habe mir das Buch bestellt. Eigentlich sehr untypisch für mich, da ich Liebesromanen eher abgeneigt bin. Doch dieser hat es mir angetan. Ich habe mich sofort in die Charaktere verliebt, die sehr lebhaft und realitätsnah wirken. Sie alle haben ihre eigenen Probleme damit, sich in der Welt, in der sie leben, zurechtzufinden. Sie sind eben nicht perfekt, sind keine wandelnden Klischees und haben mit dem Erwachsenwerden oder Schicksalsschlägen zu kämpfen. Jede handelnde Figur wird von nachvollziehbaren Motiven angetrieben, und Problemen werden nicht immer ideale Lösungen beigelegt, was die Glaubhaftigkeit zusätzlich unterstreicht. 

    Ein Treffen mit Debby und Farin, den Protagonisten des Buches. Foto: J.F.

    Nachdem ich das Buch im letzten Jahr zum ersten Mal las, konnte ich ein erneutes Treffen mit Debby, Farin, Hadrian und Lasko kaum erwarten. Immer begleitet von der Angst, mir die positiven Erinnerungen durch ein erneutes Lesen zu zerstören. Dem war nicht der Fall. Ganz im Gegenteil. Jetzt weiß ich für mich, dass ich mich jederzeit in diese Welt, zu diesen Charakteren flüchten kann, wenn ich das Bedürfnis dazu verspüre.  

    Dabei  ist zu betonen, dass dies kein leicht konsumierbares Buch ist. Die Sprache ist zwar sehr gut verständlich und es entsteht ein starker Sog, der dich das Buch bis zur letzten Seite kaum noch aus der Hand legen lässt, doch es werden schwere Themen wie sexualisierte Gewalt, Drogenkonsum, Alkoholismus, Tod und Suizid thematisiert. Dies geschieht ausgesprochen sensibel, ohne Romantisierung, ohne Versuch, den Schockfaktor hochzuhalten, ohne sich am Leid der Charaktere zu ergötzen.  

    Positiv hervorzuheben ist, dass nicht nur die anderen Charaktere, sondern auch Debby Vorurteile besitzt, derer sie sich zuvor nicht bewusst war. Sie muss lernen, diese abzubauen. Als Leser*in begleitet man das Lernen und Reflektieren der Protagonistin und kann auch für sich einiges mitnehmen.  

    „Guck mal, die Asis“ glänzt insbesondere auf der erzählerischen und Figurenebene. Wie schon erwähnt, sind die Charaktere für mich der bestimmende Faktor, weswegen ich immer wieder das Bedürfnis verspüre, in diesem Buch zu versinken. So sehr, dass ich getrost über die wenigen Druck-, Satz- und Rechtschreibfehler hinwegsehen kann, die womöglich der Veröffentlichung im Kleinstverlag WReaders zu verschulden sind.  

    Im letzten Jahr ist auch der Nachfolger „Guck nicht, wer wir heute sind“ erschienen. Ich habe ihn noch nicht gelesen, freue mich aber auf mehr Zeit, die ich mit Debby, Farin, Hadrian und Lasko und all den anderen Figuren, die mir so ans Herz gewachsen sind, verbringen kann.  

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