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  • „Jede Generation hat ihre Stärken und Schwächen“

    luhze-Redakteur Jonas Kilb im Gespräch mit Omas for Future über zivilen Ungehorsam, Generationenkonflikte und Aktivismus im Alter.

    Die Bewegung „Omas for Future“ entstand 2019 aus Initiative der Leipzigerin Cordula Weimann. Seitdem engagieren sich „die Omas“, wie sie sich vom Geschlecht unabhängig selbst nennen, bundesweit und auf vielfältige Weise für eine klimagerechte Zukunft. In ihrem Büro in Lindenau hatte luhze-Redakteur Jonas Kilb die Möglichkeit, mit Thomas Gärtner und Beate Ludwig von den Leipziger Omas über ihren Aktivismus zu sprechen.

    luhze: 2019 wurde in Leipzig die erste Ortsgruppe von Omas for Future gegründet. Welche Erfolge konnten Sie seitdem feiern?
    Thomas Gärtner: Nun, wir starteten damals mit zehn Personen, doch in den letzten drei Jahren konnten wir die Zahl unserer Mitglieder beinahe verdreifachen. Wir haben uns strukturiert und ein stabiles Fundament gebaut. Das war nicht immer ganz einfach. Dass wir es dennoch geschafft haben, sehe ich als Erfolg.

    Welche größeren Herausforderungen galt es zu bewältigen?
    Gärtner: Die ehrenamtliche Arbeit an sich ist eine große Herausforderung. Nicht alle von uns sind bereits in Rente und das Engagement nimmt viel Energie und Zeit in Anspruch.

    Haben Sie im Moment genug Mitglieder, um alle Aufgaben zu erfüllen?
    Beate Ludwig: Wir könnten schon mehr Leute gebrauchen. Es gibt einige Projekte, die wir gerne realisieren würden, wofür uns aber die Kapazitäten fehlen.

    Ehrenamtliche Arbeit kann also sehr zeit- und energieraubend sein. Was sind ihre Beweggründe sich bei „den Omas“ zu engagieren?
    Gärtner: Ein entscheidender Beweggrund für mich waren die Fridays (Fridays for Future, Anm. der Redaktion). Als die 2019 in Erscheinung getreten sind, hat mich das sehr beeindruckt und zum Nachdenken angeregt. Meinem Alter entsprechend bin ich dann bei den Omas gelandet.

    Ihre Bewegung besteht aus Menschen der Generation 50+. Denken Sie, dass es schwieriger ist, Menschen dieser Altersgruppe für Klimaschutz zu begeistern, als Jüngere?
    Ludwig: Ja, das denke ich schon. Viele Menschen sind uns gegenüber sehr skeptisch. An unseren Infoständen habe ich auch den Eindruck, dass Frauen tendenziell ein wenig offener sind als Männer. Bei Männern herrscht öfters die Einstellung „nach mir die Sintflut“ oder „für mich reicht es doch noch“, und so weiter. Wir fragen die Leute dann häufig, welche Welt sie ihren Kindern und Enkeln hinterlassen wollen. Da kommen dann schon viele ins Stottern.

    Können Sie sich vorstellen, woher diese Skepsis kommt?
    Gärtner: Nach wie vor sind die Auswirkungen des Klimawandels für die meisten Menschen nicht direkt erfahrbar, beziehungsweise sie selbst sind noch nicht sehr davon betroffen. Deshalb engagieren sich bei uns nach wie vor besonders solche Menschen, die das irgendwie in den Genen haben. Es gibt natürlich auch Menschen, die einfach nicht den Blick dafür haben können, weil andere Probleme oder Angelegenheiten wie Kindererziehung einen größeren Raum einnehmen.
    Ludwig: Wir sehen auch, dass es viel damit zu tun hat, welche Medien die Menschen konsumieren und was deren Bildungshintergrund ist. Bil­dungsferneren Menschen fällt es manchmal schwerer, sich auf das Thema einzulassen.

    Welche Aktionen stehen in nächster Zeit bei Ihnen an?
    Gärtner: Am 22. April, dem internationalen Tag der Erde, sind wir beispielsweise beim Leipziger Zukunftstag involviert. Man findet uns auch regelmäßig bei Stadtteil- oder Bürgerfesten an unseren Infoständen.
    Ludwig: Am 27. März gestalten wir auch das Friedensgebet in der Nikolaikirche.

    Oh ja, das habe ich schon auf Ihrer Webseite gesehen.
    Ludwig (lacht): Ach, die neue Webseite haben Sie schon gesichtet. Die habe ich federführend eingerichtet.

    Sie scheinen durch Ihre Arbeit viel zu lernen. Ich persönlich habe noch nie eine Webseite erstellt oder gepflegt. (lacht)
    Ludwig (lacht): Ja, das war auch meine Erste. Unser Programmierer war lange verhindert. Da haben wir das einfach selbst in die Hand genommen.

    die Omas vor ihrem Büro mit einem "Omas for Future"-Schild in Herzform

    Einige Mitglieder der Leipziger Omas for Future vor ihrem Büro in Lindenau.

    Unsere Zeitung wird vor allem von Studierenden gelesen. Deshalb frage ich mich, was unsere Leserschaft – Ihrer Ansicht nach – von der Generation 50+ lernen kann.
    Gärtner (lacht): Gute Frage! Eure Generation ist dem Thema Klimaschutz gegenüber schon ziemlich offen eingestellt. Das finde ich gut.
    Ludwig: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es notwendig ist, auch mal Kom­promisse einzugehen, um die eigenen Ziele zu erreichen. Wer nur auf seinem eigenen Standpunkt beharrt, der wird niemanden mitreißen, sondern die Leute eher vor den Kopf stoßen. Dadurch verhindert man, dass Menschen konstruktiv mit den eigenen Vorschlägen umgehen. Auch wenn wir wenig Zeit haben, ist es notwendig, auf Menschen zuzugehen.

    Kann Ihre Generation auch etwas von uns lernen?
    Ludwig: Ja. Das Engagement und auch die Überzeugung, mit der junge Leute für ihre Interessen einstehen. Auch die Bereitschaft, auf Bequem­lichkeiten zu verzichten. Da ist die jüngere Generation sehr viel wagemutiger als wir Omas. Auch in der Nutzung neuer Medien sind Sie natürlich mehr bewandert als wir.
    Gärtner: Ich vergleiche das gerne mit einer Familie. Da leben und arbeiten ja auch verschiedene Generationen zusammen für ein Ziel. Ich denke, so sollten wir auch unseren Klimaprotest sehen. Wir alle sollten zusammenarbeiten. Jede Generation hat ihre Eigenheiten, Stärken und Schwächen. Gemeinsam sind wir am stärksten; wir alle lernen voneinander. Dieses Bild der Familie habe ich häufig im Kopf.

    Manchmal gibt es von jüngeren Generationen den etwas polemischen Vorwurf, die Generation unserer Eltern und Großeltern, also Ihre Generation, habe zu wenig für den Kli­­maschutz unternommen und dadurch unsere Zukunft verfeuert. Wie gehen Sie mit solchen Vorwürfen um?
    Ludwig: Da ist ja schon was dran. Es war damals einfach nicht so ein Thema. Vor allem nach der Wende hatten die Menschen mehr im Kopf, wieder auf die Beine zu kommen.
    Gärtner: Mir ist bewusst, dass wir da auch Fehler gemacht haben. Wir haben uns hier etwas aufgebaut, beruflich und wirtschaftlich, ohne ausreichend auf die Folgen zu achten. Insofern ist an dem Vorwurf ja schon was dran.

    Wir sehen ja nun seit Ende 2021, dass Klimaaktivist*innen vermehrt zu radikaleren Protestformen greifen und beispielsweise Infrastruktur block­­­ieren. Wie sehen Sie das? Haben Sie Verständnis für die Protestformen des zivilen Ungehorsams?
    Ludwig: Ich habe Verständnis dafür, das schon. Aber ich halte die Protestmittel für nicht adäquat. Wir müssen mit Leuten über den Klimawandel reden, ins Gespräch kommen und das immer und immer wieder. Dabei müssen auch Kompromisse eingegangen werden. Dieser Weg mag deutlich länger und mühseliger sein, aber das ist in meinen Augen notwendig. Man muss die Leute mitnehmen und darf sie nicht vor den Kopf stoßen, sonst schadet man der Klimabewegung insgesamt. Letz­tes Jahr wurden wir beispiels­weise zur Besetzung der Universität eingeladen, um ins Gespräch zu kommen. Da gab es aber überhaupt kein Gespräch und es herrschte die Einstellung: „Ich bestehe jetzt auf meinem Standpunkt, und zwar unveränderlich.“ Aber wenn wir alle so denken, dann kommen wir überhaupt nicht weiter. Das ist die teils fehlende Kompromissbereitschaft, von der ich vorhin sprach.
    Gärtner: Ich sehe das ähnlich. Viele Menschen haben überhaupt kein Verständnis für diese Art des Protests. So begeistert man niemanden für den Klimaschutz. Wir haben mit der Letzten Generation bereits einen Gesprächstermin vereinbart. Wir wollen sie mal fragen, wie sie selbst ihre Aktionen einschätzen und deren Sichtweise hören. Alle reden so häufig über andere, das mag ich eigentlich nicht.

    Darf Klimaaktivismus Gesetze brechen?
    Gärtner: Das ist schwierig zu beantworten. Auch die Regierung und Unternehmen dürfen ja keine Gesetze brechen und unsere Lebensgrundlage zerstören und dennoch tun sie es. Viele Gesetze sind meiner Ansicht nach nicht zeitgemäß und beachten nicht den aktuellen Zustand der Welt. Gesetze sollten von niemandem gebrochen werden, aber die Gesetze müssen dringend geändert werden.

    Wir haben jetzt viel über Negatives gesprochen. Was macht Ihnen denn Hoffnung?
    Ludwig: Das sind die vielen jungen Leute, die auch an unsere Stände kommen und Interesse an uns als Omas zeigen.

    Und was ist ihre liebste Grünanlage in Leipzig?
    Ludwig: Das ist das Rosenthal. Generell finde ich es toll, dass man in Leipzig mit dem Rad von Süd nach West fahren kann und dabei die ganze Zeit im Grünen ist.

     

    Fotos: Omas for Future Leipzig

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