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  • In Namen liegt der Schlüssel zur Welt

    Kolumnistin Adefunmi findet, wir sollten uns viel mehr mit der Kultur von Namen beschäftigen, denn sie bieten Aufschluss über Völker, ihre Werte und über Weltgeschichte.

    Zwischen Plantain, Kassava-Wurzeln und Kunsthaaren streife ich unsicher durch den Afroshop. Die drei weiteren Personen im Laden packen zielstrebig ihre Einkäufe in Plastiktüten. Vor den Kochbananen komme ich zum Halt. „Wie heißt du?“, spricht der Kunde neben mir mich an. „Adefunmi“, stelle ich mich vor. „Ah, bist du Nigerianerin? Ich komme auch aus Nigeria“, sagt der junge Mann. Mit der alltäglichsten Frage der Welt, der nach dem Namen, erkennen wir einander. Plötzlich fühle ich mich nicht mehr so verloren. Vier Silben. Der Name im Yoruba, einer Sprache in Nigeria und Westafrika, so alltäglich und in Deutschland so selten.

    In Namen liegt viel Macht. Noch während der Fötus gegen die Bauchdecke tritt, fragen sich Eltern, was für ein Mensch aus dem kleinen Baby erwachsen wird. Wird es eine Ayla, ein Tom, eine Mailin oder ein Álvaro José. Namen stiften Identität und drücken die Wünsche der Eltern für ihr Kind aus. In ihnen drückt sich Kultur und Wohlstand aus. Die Kultur um Namen ist weltweit vielfältig geprägt, durch unzählige Rituale und Bräuche. Wir wissen voneinander viel zu wenig.

    Nachnamen zum Beispiel können zu gewaltigen Verwirrungen führen. In China steht dieser nämlich vorne.

    Kolumnistin Adefunmi schaut in die Kamera, mit der Hand hält sie ihre Brille fest

    Die Autorin heißt Adefunmi (das ‚n‘ klingt stumm). Oft werde ich gefragt: „Adefunmi, das klingt so besonders, was bedeutet der Name denn?“ Aber mein Name an sich ist nicht besonders, vielmehr ist es die Namenskultur. Foto: privat

    Manche Menschen heißen wie Gegenstände, andere wie die Hoffnung selbst. Zeremonien und Gesetze, wann und wie ein Kind benannt wird, reichen global weit auseinander. In Deutschland müssen sich Eltern spätestens nach einem Monat für den Vor- und Nachnamen entschieden haben. In den USA ist beispielsweise ein wesentlich längerer Zeitraum möglich. Bis zu einem Jahr kann ein Baby ohne festen Namen existieren. Viel Zeit, um den Menschen kennenzulernen und etwas Passendes für ihn zu finden

    In der Yoruba-Kultur tragen Kinder oft viele Namen. Acht Tage nach der Geburt findet die Namenszeremonie „Ikomojadé“ statt. Neben den Eltern entscheiden sich auch die Großeltern und andere hochrangige Familienmitglieder für einen Namen. Sie wählen ihn mit Bedacht. Man wünscht dem Kind, die Bedeutung des Namens im Leben zu erfüllen. . In meiner Geburtsurkunde stehen zwei Namen, einer davon Yoruba. Adefunmi bedeutet frei übersetzt Geschenk Gottes.

    Die Hintergründe von Namen zu erforschen, gibt Hinweise auf die Entwicklung und Werte in Kulturen. Man kann sie nutzen, um Teile der Weltgeschichte zu entschlüsseln, sie spiegeln Kolonialisierung, Migration und Unterdrückung.

    Die Namen von Minderheiten wurden und werden weltweit unterdrückt. Einen Namen gewaltvoll zu nehmen, bedeutet, einen Teil des Seins zu entfernen. Einen Teil der eigenen Identität. Es gibt zahlreiche Beispiele in der Geschichte. Sklaven wurden ihre Namen genommen und sie mussten die ihrer Meister tragen. In Indonesien im autoritären Suharto Regime wurde in den 1960ern systematisch die chinesische Minderheit unterdrückt und ermordet. Alles, was einen chinesischen Bezug hatte, wurde verboten, wie auch die Verwendung von chinesischen Namen. Auch kurdische Namen werden in vielen Ländern unterdrückt. Und genau deshalb ist es wichtig, Jina Amini bei ihrem Namen zu nennen.

    Namen zu erhalten, zu nutzen und sichtbar zu machen, bedeutet Kultur zu erhalten. Gebt euch Mühe, Namen richtig auszusprechen und fragt nach. Es kann viele Gründe geben, den Namen anzupassen, aber sie sollten selbststiftend sein. Um sich als Person weiter und neu zu definieren. Um die Zugehörigkeit zu einer Kultur für sich sichtbar zu machen. Zusätzliche Namen können als Geschenk gegeben werden. Aber niemals sollten sie ein Maß der Unterdrückung sein.

    Namen machen Menschen sichtbar. Einen Menschen so zu nennen, wie er*sie es will, das ist Respekt!

    Credits: Freepick

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