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  • Und wie heißt du wirklich?

    What’s in a name? Kolumnist Eliah über gewählte Namen, Parallel-Identitäten und das Privileg, sich selbst zu benennen.

    Im August schrieb Kolumnistin Lisa-Naomi [https://www.luhze.de/2022/08/28/wie-heisst-du/] über ihre Erfahrung damit, zwei verschiedene Namen zu benutzen und sich dadurch zwischen verschiedenen Identitäten hin- und hergerissen zu fühlen. Beim Lesen der Kolumne sah ich einige meiner eigenen Erfahrungen widergespiegelt – auch ich habe eine komplizierte Geschichte mit Namen, wenn auch aus anderen Gründen. Ich habe mir meinen Namen nämlich selbst ausgesucht. 

    Ich habe das Gefühl, viele, die ihn nicht erlebt haben, stellen sich einen Coming-out-Prozess irgendwie einfacher vor, als er ist. Klar weiß man, dass es schwierig sein kann, dass manche vielleicht nicht gut darauf reagieren, aber was unterschätzt wird, sind die rein praktischen Probleme, die daraus entstehen. Es ist eben nie so, dass man einmal sagt: „Hallo, ich bin trans*, bitte nennt mich ab jetzt [Name]“, und dann wissen es alle. In den allermeisten Fällen ist es ein Prozess, der sich über viele Jahre hinzieht und ein konstantes Jonglieren von Parallel-Identitäten erfordert, die an verschiedene Namen gebunden sind. 

    Kolumnist Eliah sitzt lächelnd auf einer Parkbank

    Ein neuer Name kann dich in einem neuen Licht erscheinen lassen. Foto: privat

    Als ich mich das erste Mal bei Freund*innen outete, begann ein seltsames Doppelleben: Manche wussten davon und benutzten den neuen Namen, andere nicht. Irgendwann kam dann der Punkt, an dem ich vor Beginn eines Praktikums erstmals in einem Arbeits-Kontext darum bat, mit meinem richtigen Namen angesprochen zu werden, auch wenn noch ein anderer auf den Unterlagen stand. Es war die richtige Entscheidung, und die meisten, denen ich begegnete, gingen gut damit um, aber es bedeutete ein ständiges Überlegen: Wann benutze ich welchen Namen? Auf meinem Vertrag stand der alte Name, mit meinen Kolleg*innen benutzte ich den neuen. Der Vermieter bekamen den einen Namen, meine Freund*innen nannten mich beim anderen. Und dabei wollte ich Überschneidungen vermeiden, um mich möglichst wenig Diskriminierung und Deadnaming (Benutzung des abgelegten Namens) auszusetzen. 

    Lange habe ich soziale Medien weitestgehend gemieden, weil ich genau diesem Problem entgehen wollte: Welchen Namen schreibe ich auf mein Profil? Ich hatte – habe immer noch – mehrere E-Mail-Adressen mit verschiedenen Namen und einen ständigen Horror davor, aus Versehen im falschen Kontext die falsche Absender-Adresse zu benutzen. Parallele Namen, parallele Leben. Ein unentwegtes Versteckspiel. Ich habe mich oft gefühlt wie ein Spion oder Krimineller. Dabei wollte ich nur respektiert werden. 

    Unsere Namen sind eine willkürliche Laut- und Zeichenkombination, die im Grunde sehr wenig über uns aussagt und dennoch immer das Erste ist, worüber wir identifiziert werden. Die Frage nach dem Namen ist so selbstverständlich, dass es den wenigsten überhaupt in den Sinn kommt, sie könnte ein Problem sein. Ich glaube, wenn man es selbst nicht erlebt hat, ist es kaum vorstellbar, wie belastend es ist, jedes Mal abwägen zu müssen, bevor man seinen Namen sagt oder irgendwo aufschreibt. Bewerbung, Wohnungssuche, Arzttermin, oder auch einfach nur Leute kennenlernen: So gut wie jede neue Situation wird dadurch schwerer gemacht. 

    Wenn andere merken, dass man trans* ist, kommt gerne mal die Frage: „Und wie heißt du wirklich?“ Übersetzt: Welcher Name wurde dir bei der Geburt gegeben? Selbstgewählte Namen werden oft nicht als wahre Namen wahrgenommen, sondern als eine Art Kostüm oder Spitzname, bei dem andere Leute vielleicht mitspielen, um es dir recht zu machen. 

    Das positive Gegenbeispiel dazu ist die Frage einer Freundin, die mich schon lange kannte, nachdem ich mich bei ihr als trans* outete, ohne sofort meinen neuen Namen zu erwähnen. Wie selbstverständlich fragte sie mich: „Und wie heißt du?“ 

    Der Name, den ich gewählt habe, ist mein wahrer Name. Ihn selbst ausgesucht zu haben ist in gewisser Weise auch ein Privileg, das ich schätze. Ich heiße so, weil ich es wollte. Damit beweise ich mir mein eigenes Recht auf Selbstbestimmung. Ich bin großer Verteidiger der Idee, dass jeder Mensch, egal ob trans* oder nicht, sich seinen Namen selbst aussuchen dürfen sollte. Wenn dir der Name, der dir gegeben wurde, nicht gefällt, oder du einen anderen Namen einfach besser findest, solltest du so heißen können! 

    Studierende und Gleichstellungs-Beauftragte der Uni Leipzig haben lange dafür gekämpft, trans* Studierenden die Möglichkeit zu geben, ihren Namen im System der Universität auch ohne gesetzliche Namensänderung (die in Deutschland immer noch sehr restriktiv und langwierig ist) einfach zu ändern. Das gibt uns die Freiheit, uns nicht ständig erklären und rechtfertigen zu müssen; neue Kommiliton*innen und Dozierende kennen unsere alten Namen gar nicht erst. Inzwischen wird meiner nur noch so selten benutzt, dass er sich kaum noch so anfühlt, als hätte er mal zu mir gehört. 

    Mein Name ist Symbol und Beweis, dass ich in der Lage bin, mein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und mich so zu definieren, wie es sich für mich am besten und richtigsten anfühlt. Heute kann ich ohne Zweifel sagen: So heiße ich. Wirklich.

     

    Foto: pixabay

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