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  • Abrechnung mit dem Deutschlandticket

    Was die Stadt Leipzig aus dem Neun-Euro-Ticket gelernt hat und was wir für 2023 erwarten dürfen erklärt luhze-Autorin Yiling.

    Rückblick in den Sommer 2022: Szenen von überfüllten Regionalbahnen dominierten die beliebten Reisemonate Juni bis August. Maßgeblich zum Getümmel auf den Bahngleisen in ganz Deutschland hat das beliebte Neun-Euro-Ticket beigetragen. Das Abonnement ermöglichte jeder Person einen Monat lang die Nutzung des bundesweiten öffentlichen Nahverkehrs und war Teil des finanziellen Entlastungspaketes der Regierung. Nachdem das Angebot auslief, wurden immer wieder Forderungen nach einem Nachfolgeticket laut. Nun soll das „Deutschlandticket“ für 49 Euro voraussichtlich ab Mai dieses Jahres an den Start gehen. Marc Backhaus, der Pressesprecher der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB), blickt mit Stolz auf die Erfahrungen der LVB mit dem Neun-Euro-Ticket zurück. Eine Bilanz. 

    „Die Resonanz für das Neun-Euro-Ticket war in Leipzig von Anfang an groß“, berichtet Backhaus. Die Verkaufszahlen spiegeln dies deutlich: Insgesamt wurden ab dem 21. Mai 2022 ganze 435.000 Neun-Euro-Tickets bei den LVB verkauft. „Das Ticket war wirklich eine tolle Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger, vor allem mit der Inflation und den gestiegenen Preisen dieses Jahr.“ Backhaus lobt die gelungene „Werbeaktion des Bundes“ für den öffentlichen Nahverkehr und spricht von einer „guten Alternative zum Auto“.  

    Zwar hätten vor allem Stammkund*innen das Angebot genutzt, aber die LVB konnte auch Nutzer*innen wiedergewinnen, die in den Lockdowns keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr nutzten. Somit wurde das Niveau von Zeiten vor der Pandemie wieder erreicht. Auch Neukund*innen kamen hinzu, was Momente der Herausforderung mit sich brachte. „Da muss erst einmal ein Kennenlernen stattfinden und das erfordert ein erhöhtes Beratungsmoment. Unser Servicepersonal hat das gut gemeistert“, so Backhaus. Andere organisatorische Hürden gebe es wohl kaum, denn die chaotischen Szenen von überfüllten Waggons blieben im urbanen Raum größtenteils aus. Dafür betont Backhaus andere Herausforderungen: „435.000 Neun-Euro-Tickets bedeutet auch, es 435.000-mal verkaufen zu müssen. Das braucht Prozesse und Menschen.“ Besonders die nachhaltig erhöhte Abwesenheit im Personal sei eine Schwierigkeit, die seit der Pandemie anhält und die gesamte Dienstleistungsbranche betrifft. Insgesamt bleibt er aber bei einer überraschend positiven Bilanz: „Das Neun-Euro-Ticket war der Beweis, wie leistungsfähig der öffentliche Nahverkehr ist. Das System hat gezeigt, was es kann“, resümiert der Pressesprecher nicht ohne Stolz. „Diesen Riesenerfolg werden wir mit dem Deutschlandticket fortsetzen.“  

    Die genaue Ausgestaltung des Deutschlandtickets bleibt derweil noch unklar. „Wir beraten die Politik in den Finanzierungsfragen und die Aushandlung geschieht sehr langsam und in unzähligen Runden“, sagt Backhaus. „Wir“, damit ist der Branchenverband für den öffentlichen Verkehr gemeint, der Verein Deutscher Verkehrsunternehmen. Trotz anhaltender Unklarheiten in der technischen Umsetzung zeigt sich Backhaus optimistisch und ist sich sicher, diese als Branche realisieren zu werden. 

    Was bereits feststeht, ist der Preis von 49 Euro. Allerdings deutet Backhaus an, dass dieser in den nächsten Jahren teuer werden dürfte. Umweltschutzverbände wie Greenpeace und Fridays For Future sehen dies kritisch, denn eine monatliche Ausgabe von 49 Euro für die Mobilität sei nicht für jede Person realistisch. Der Hartz-IV-Satz etwa sieht lediglich eine Ausgabe von 40 Euro für öffentliche Verkehrsmittel vor. Backhaus findet die Preisdiskussionen hingegen teilweise unangemessen. Er verstehe all die Diskussionen rund um den Preis, denn für die einen seien 49 Euro viel Geld, für die anderen ein gutes Angebot, was sich im Geldbeutel kaum bemerkbar mache. „Aber was in der Diskussion oft vergessen wird: Hinter dem Ticket stecken ein echter Wert und Menschen, die dafür arbeiten und die auch bezahlt werden wollen wie alle anderen.“  

    Backhaus betont, dass der Ticketpreis nicht die Basis sein dürfte, sondern ein gutes und attraktives Angebot. Er sei gespannt, wofür sich die Menschen letztendlich entscheiden werden und verweist auf die bestehenden, teureren LVB-Abonnements, die im Gegensatz zum Neun-Euro-Ticket Mehrwerte wie Mitnahme- und Übertragungsrechte anbieten. „Ein günstigeres Angebot darf nicht auf ein reduziertes Angebot treffen, denn das ist keine gute Werbung für den öffentlichen Verkehr“, findet Backhaus. Es brauche eben nicht nur finanzielle Unterstützung beim Preis für die Kund*innen, sondern auf allen Ebenen: im Ausbau der Infrastruktur, im Kauf neuer Fahrzeuge etc. Letzten Endes entscheide die Politik, wo die Prioritäten gesetzt werden sollen und in welche Bereiche in den nächsten Jahren mehr Geld fließen wird. „Wir sind gerne da, um den öffentlichen Auftrag umzusetzen und unseren Beitrag zu leisten, um Leipzig als eine lebenswerte Stadt zu erhalten“, schließt Backhaus.   

     

    Foto: privat

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