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  • 21,1 Kilometer zum Ziel

    luhze-Autor Eric hat seinen ersten Halbmarathon erlebt – und dabei erkannt, dass das Alter nur eine Zahl ist.

    Es ist ein milder Morgen am Sonntag, dem 16. Oktober 2022. Die Straßen sind von dem nächtlichen Regen noch leicht feucht, doch die Sonne kommt langsam zum Vorschein. Ein guter Tag, um die persönliche Leistungsgrenze herauszufordern. Es geht um Bestzeiten.

    Zum achten Mal findet der Leipziger Halbmarathon statt – inzwischen schon ein Klassiker im Herbst. Der Lauf steht ganz im Kontext der Völkerschlacht von 1813, welche die entscheidende Schlacht der Befreiungskriege war und somit ein bedeutender Teil der Leipziger Geschichte ist. Über den Ortsteil Wachau passieren wir den Uferrundweg entlang des Markkleeberger Sees, von dort führt uns die Strecke über Güldengossa nach Osten, wo wir die ehemaligen Gefechtsfelder des geschichtsträchtigen Ereignisses erreichen. Der Wettkampf steht unter dem Motto „Geschichte laufend erleben“, woran man im Verlauf der Strecke wiederholt erinnert wird. Seien es der Galgenberg mit seinem Denkmal, das russisch-preußische Monument oder die verschiedenen Streckenposten, die entsprechend der Thematik mit einer Uniform gekleidet sind und so an die Gefallenen der über 200 Jahre alten Schlacht erinnern sollen. Und natürlich das Völkerschlachtdenkmal, dem gegenüber Start und Ziel der Veranstaltung sind. Die Atmosphäre dieses Ortes sollte Motivation genug sein, denn frei nach Shakespeare: „Lust verkürzt den Weg.“

    Da stehe ich nun, den Blick auf das Leipziger Wahrzeichen, die 21,1 Kilometer noch vor mir. Belebte Betriebsamkeit: Techniker, die die letzten Vorbereitungen treffen. Teilnehmer*innen, die ihre Wettkampfunterlagen abholen. Die Laufelite, die schon längst beim Warmmachen ist. Vorfreude? Die ist schon lange vor dem Startsignal zu spüren. Ich spreche mit einigen Teilnehmer*innen. Für die meisten ist der Lauf kein Neuland, haben sie doch schon teils mehrere Marathons hinter sich. Dann komme ich: leidenschaftlicher Hobbyläufer, doch der erste Halbmarathon. Ein Jahresvorsatz, den es abzuhaken gilt.

    Den Blick schweifen lassend, entdecke ich einen älteren Mann mit Brille. Bestimmt feuert er sein Enkelkind an, denke ich mir. Meine Eltern kommen auch, meine Großeltern leider nicht.

    Es sind fünf Minuten zum Start. Fast alle Läufer*innen ordnen sich demonstrativ nicht im Startblock A – die Elite – ein. Ein Teilnehmer fragt sein Nebenan spaßeshalber: „Hey, ich dachte du wolltest den Weltrekord brechen?“. Ich muss lächeln und warte angespannt auf das Startsignal.

    Es geht los. Die folgenden Kilometer lassen sich am besten so herunterbrechen: Die ersten Kilometer im Einheitsmarsch, lichtet sich das Feld nach einer Weile. Jede*r dem eigenen Tempo nach. Entlang der Strecke stehen immer wieder Leute zum Anfeuern. Manchmal höre ich, wie sie meinen Namen rufen. Ich frage mich, woher sie mich kennen – bis ich mich an meine Startnummer entsinne, worauf mein Name deutlich zu sehen ist. An bestimmten Abschnitten der Strecke sind Stände zur Trinkversorgung aufgebaut. Ein Angebot, das man gerne annimmt, auch wenn man beim Laufen gefühlt die Hälfte des Becherinhalts verschüttet. Von den ersten Kilometern („Ich bin der neue Eliud Kipchoge!“), über die Hälfte der Distanz („Naja, vielleicht komme ich ja unter die ersten 50…“) bis Zieleinlauf (*Schnappatmung*) erlebe ich meine persönliche „Völkerschlacht“. Besonders die letzten drei Kilometer haben es in sich. In dieser Phase gilt es, noch einmal alles herauszuholen. Doch irgendwann erreicht man den Punkt, wo es einfach nicht mehr schneller geht. Der Moment, wo man sich nach dem Ende sehnt. Nach Erreichen des Ziels laufe – eher: stolpere – ich beinahe an den Helfer*innen vorbei, die mir meine Medaille überreichen wollen. Platz 26 von etwa 1500 Teilnehmer*innen, mit rund einer Stunde und 26 Minuten habe ich meine Erwartungen übertroffen. Und mein Kreislauf spielt „Winnie Puuh im Honigtopf“.

    Viele weitere Teilnehmer*innen sollten mir folgen, von Jugendlichen bis Leuten im Rentenalter war alles dabei. Das Laufen scheint kein Alter zu kennen. Der Wettkampf läuft noch, die Letzen laufen langsam ein. Nach etwa zwei Stunden und 50 Minuten –viele können es nicht mehr sein, denke ich mir– sehe ich den alten Mann mit Brille wieder. Sein Name ist Joachim Appelt. Er ist 83 Jahre alt und hat gerade den Halbmarathon beendet. Bei Weitem war er nicht der Letzte.

     

    Foto: Eric Binnebößel

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