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    Von der Stromerzeugung bis zur Steckdose geht viel Strom verloren. Leipziger Forscher*innen haben einen neuen Ansatz gefunden, um das Stromnetz zu optimieren.

    Es ist ein viel diskutiertes Thema während der Bundestagswahl gewesen: der Netzausbau. Wie ist es möglich, den wachsenden Anforderungen an das Strom­netz gerecht zu werden und dabei auch auf erneuerbare Energien zu setzen? Große Stromerzeuger wie Windparks in der Nordsee speisen dafür Strom in das Höchstspannungsnetz ein, um ihn in andere Regionen Deut­schlands zu bringen.

    Diese Netze werden mit 389 Kilovolt betrieben, in etwa das 1.800-fache einer Steckdosenleistung. Eine unvorstellbar große Herausforderung, bei der die Netzbetreiber technisch auf Freileitungen über dem Boden zurückgreifen. Wir kennen sie alle neben Autobahnen und über Rapsfeldern.

    Kommt es jedoch auf Erzeugerseite zu höheren Produktionen, wie etwa bei Sturm auf der Nordsee, werden sie nicht optimal genutzt. Zahlen der Bundesnetzagentur besagen, dass im Jahr 2020 etwa 6.146 Gigawattstunden erneuerbare Energie auf der Strecke blieben. Das entspricht dem jährlichen Stromverbrauch von etwa 1,9 Millionen Privathaushalten. Um diesen Strom zu nutzen, könnte man auf der einen Seite mehr Freileitungen bauen oder mehr Strom in das bestehende Netz einschleusen, somit also die Kapazitäten voll ausnutzen.

    „Die Erzeugungslandschaft hat sich verändert, neue Transportleitungen sind notwendig, bis dahin müssen wir das bestehende Netz optimieren“, erklärt Annett Urbaczka, Leiterin Unternehmenskommunikation bei Transnet BW, einem der fünf Netzbetreiber Deutschlands. Das ist jedoch nicht so einfach, wie es klingt. Mehr Strom bedeutet nämlich vor allem mehr Hitze und das könnte zum Problem werden. „Wird ein Freileitungsseil erwärmt, wird es dementsprechend länger. Aufgrund der Erdanziehungskraft hängt es dann stärker durch“, erklärt Faouzi Derbel, Professor für Monitoring und Diagnostik in der elektrischen Energietechnik an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK), „somit wird der Abstand des Leiterseils zum Boden geringer“. Dieser muss laut Gesetz mindestens acht Meter betragen. Dieses System wird zusätzlich durch sich ständig verändernde Variablen wie Witterung und Temperatur beeinflusst.

    Um all diese Variablen im Blick zu behalten und somit die höchstmögliche Kapazität aus den Netzen herauszuholen, hat ein Forschungsteam der HTWK um Derbel eine Messeinrichtung entwickelt. „Dabei erstellt diese ein Foto der Freileitungsseile“, erklärt Derbel, „eine Software erkennt die Leiterseile und vergleicht diese Linien mit vorher künstlich erstellten Vergleichsbildern, bei denen der Durchhang bekannt ist.“ Anhand dessen könne berechnet werden, wie viel mehr Durchhang möglich sei und so auch wie viel mehr Strom auf das Kabel eingespeist werden könne. „Untersuchungen der Forschungsstelle für Energiewirtschaft ergaben, dass je nach Standort der Freileitung diese im Jahresmittel zwischen 15 % (Süddeutschland), 30 % (Norddeutschland) und 50 % (Küstennähe) stärker belastet werden könnten“, sagt Derbel.

    Doch klar ist auch, dass es nicht bei der Optimierung allein bleiben könne. „Unabhängig von der Netzoptimierung müssen die Netze natürlich ausgebaut werden. Die Netzoptimierung allein kann den Bedarf nicht decken“, prognostiziert Derbel. Jedoch sei der Druck auf den Netzausbau durch die Netzoptimierung verringert. Der Netzbetreiber Amprion plant zum Beispiel die bestehenden Stromkreise stärker als bisher zu nutzen, um temporäre Leistungserhöhungen zu ermöglichen. Dies könnte eine der „Zukunftstechnologien“ sein, die schon heute die Effizienz des Stromnetzes verbessern und der Energiewende Auftrieb verleihen.

    Foto: TenneT

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