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  • Der Feind in deiner Tasche

    Social Media ist nicht unser Freund! Wir vergeuden Lebenszeit, um Inhalte zu konsumieren, die uns unglücklich und wütend machen. Kolumnist Dennis findet, das kann nicht sein.

    Irgendwann vor zehn Jahren, als wir uns alle noch täglich Nonsens ungefragt in die Facebooktimeline geklatscht haben, war Social Media noch geil. Sich mit Freunden connecten, das Profil des Crushs ausspähen oder sich einfach nur unterhaltsame Videos mit Schadenfreudegarantie reinballern – es gab viel zu entdecken, wir waren unschuldige Konsumenten. Doch mit der Zeit wurde aus „mal kurz Facebook checken“, „boar ich bin schon seit zwei Stunden am Instagram scrollen, warum fühle ich mich so leer“ und auf dem Startbildschirm des digitalen Endgerätes häufen sich die Icons der einschlägigen Netzwerke, die wir natürlich alle täglich „mal kurz checken“ müssen. Mein Startbildschirm beziehungsweise meine Lesezeichenleiste im Browser ist da keine Ausnahme. Instagram, Twitter, Facebook, Tiktok, Reddit, Linkedin – alles ist dabei (außer Snapchat, wer benutzt das denn bitte noch?) Und wir brauchen ja auch die oktomediale Aufstellung, schließlich bedient jedes Netzwerk eine andere Facette der narzisstischen Selbstdarstellung – würde man sagen, wenn man auf dem Antitrip unterwegs wäre. Tatsächlich bietet aber jedes Netzwerk schlicht anderen Content, den man nicht missen will.

    Dass die informelle Dauerbestrahlung aber nicht nur positive Auswirkungen entfaltet, sollte klar sein, und damit meine ich nicht mal die jüngsten Skandale wie Desinformationskampagnen oder Hatespeech. Es geht mir hier vor allem um uns als Menschen, wie wir uns durch die exzessive Nutzung von Social Media zum Nachteil verändern. Mir ist zum Beispiel irgendwann aufgefallen, dass ich selten die Plattform mit besserer Laune verlassen habe, als ich sie geöffnet habe, was wiederum verschiedene Gründe hat.

    Aber fangen wir mit dem Kernproblem an: Social Media macht dich abhängig und das ist so gewollt. Denn entgegen einem weit verbreiteten Irrglauben geht es eben nicht um die Vernetzung mit deinem Crush oder darum, ungefragt semi-witzige Memes zu teilen, sondern um Profit, basierend auf dir und deinen Daten als Teil der werberelevanten Zielgruppe, wobei besagte Daten möglichst rentabel an die werbenden Unternehmen verscherbelt werden. Und damit das gelingt, wird die ganze Bandbreite an Verhaltenspsychologie aufgerufen. Mit dem Resultat, dass deine Instagram-App einem Glücksspielautomaten und dein Nutzungsverhalten dem eines Kettenrauchers ähnelt. Du glaubst mir nicht? Wie oft hast du schon die Mainpage wie den Hebel an einem Spielautomaten nach unten gezogen, damit neue Beiträge erscheinen? Wie oft am Tag greifst du unkontrolliert zum Handy, als wäre es eine Zigarettenschachtel und du abhängig, und öffnest die App, um zu gucken, was gerade so geht?

    Tja, schon ein paarmal, was? Und das liegt an der Belohnung durch Dopaminausschüttung bei jeder Nachricht, bei jedem Like, bei jedem positiven Kommentar, wenn du ein neues Bild gepostet hast. Je nachdem, wie intensiv du konsumierst, desto öfter kommt der Dopaminbooster. Und das ist ein tolles Gefühl, oder? Aber es macht dich eben auch abhängig und es fühlt sich wie ein Entzug an, wenn du diese Bestätigung und Aufmerksamkeit dann mal nicht bekommst.

    Jetzt ist es aber so, dass dieser schnelle Rausch eigentlich weder ein Erfolg noch eine großartige Leistung ist. Statt im echten Leben Dinge geregelt zu bekommen, scrollen und posten wir lieber, um dadurch einen billigen Belohnungseffekt zu triggern. Statt dafür zu sorgen, dass das Examen nicht vor die Füße geht, endlich mal Leviathan zu lesen oder vernünftig Gitarre zu lernen – lieber noch paar Memes gucken. Das war leider auch über lange Strecken in der Vergangenheit mein täglich Brot. Im besten Fall entwickelst du auch noch instant einen Minderwertigkeitskomplex, weil die Influencer, die du dir anschaust, Cryptomillionäre mit Sixpack in Dubai sind, während du in deiner unsanierten 8qm-Kaschemme dahinexistierst. Obwohl ich für dieses Vergleichsverhalten nie sonderlich empfänglich war, war es bei mir eher die schlechte Laune, die ich nach dem Rezipieren eines völlig sinnlosen Streits auf Twitter verspürte, nachdem sich verblendete Linke mit reaktionären Boomern und realitätsfernen Liberalen gezofft haben – was schlussendlich auch der Erwachungsmoment für mich war, mein Social-Media-Verhalten in Gänze zu hinterfragen.

    Hinzu kommt auch die Verkürzung der Aufmerksamkeitsspanne, die uns Fokus kostet, nachdem wir über Jahre gleichzeitig Netflix schauen, Twitter checken und Whatsapp beantworten. Wann hast du das letzte Mal alleine eine Mahlzeit eingenommen ohne dein Handy in die Hand zu nehmen?

    Doch wie kommt man aus dem Teufelskreis heraus? Ich habe mich mit der Frage beschäftigt und dabei die folgende Strategie entwickelt, die ich mit euch teilen möchte. Als letztes Jahr mal kurz Instagram, Whatspp und Facebook offline waren, dachte ich ernsthaft über eine Löschung der ganzen Apps nach, doch das war nicht die Strategie, auf die ich setzen wollte, da mir dadurch viel entgehen würde und auch einige Kontakte abbrechen würden. Das Problem ist auch eher der unnötige Content und das unkontrollierte Verhalten.

    Die erste Maxime war: Social Media muss mir einen realen Mehrwert bieten, schnelle Unterhaltung gehört wenn dann nur ganz marginal dazu. Es war also der erste Schritt, sämtlichen Seiten zu entfolgen, die dieses Ziel nicht erfüllten, vor allem solchen, die mich regelmäßig zum Aufregen brachten – was insbesondere Twitter betraf. Außerdem wollte ich nicht mehr gezwungen sein, unkontrolliert eine Fülle an Informationen auf einmal zu erhalten, von denen mich nur weniges tatsächlich interessiert. Entsprechend bin ich etwa sämtlichen Zeitungen entfolgt und gehe stattdessen gezielt auf deren Webseite und schaue dort gezielt nach den Artikeln, die mich interessieren. Du solltest dich nicht ständig mit negativen Inhalten konfrontieren lassen. Des Weiteren muss jede Plattform einen bestimmten Zweck erfüllen. Facebook ist zum Beispiel gut für Veranstaltungen, Reddit für Memes, Tiktok für Fitness, Twitter für Journalismus und Politik oder Instagram für persönliche Kontakte. Zudem sind feste Zeiten ein Muss. Ich habe mir eine tägliche Social Media-Zeit eingerichtet, die sich auch unter 30 Minuten bewegt. Und ja, natürlich schafft man es nicht immer, diese Ziele einzuhalten, aber wenn du dir das Problem bewusst machst und dein Verhalten anpasst und kontrollierst, kannst du dir viele negative Emotionen ersparen und dich endlich auf deine Ziele im echten Leben fokussieren. Viel Erfolg dabei!

    Grafik: pixybay.com

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