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  • Pionierin mit Ball und Controller

    Lena Güldenpfennig spielt Fußball und Fifa beim RB Leipzig. Dabei ist sie im E-Sport eine Vorreiterin.

    Selbst das gegnerische Team ist an diesem kalten Sonntagnachmittag in rot-weiße RB Leipzig-Decken ge­wickelt. Beim Eingang des Sportplatzes steht ein Schild: Glüh­wein drei Euro. Mit Schuss vier Euro. Die U21-Damen­mannschaft Blau-Weiß Hohen Neu­endorf spielt gegen RB Leipzig. Mit dabei für die Roten Bullen ist Lena Güldenpfennig. Lena ist heute etwas krank und wird erst in der zweiten Halbzeit eingewechselt. Sie spielt rechts außen. Eine laufintensive Posi­tion. Mit ihrer schlanken Figur und den zum Dutt hoch-gesteckten langen Haaren fällt sie nicht weiter auf inmitten der 22 spielenden Frauen. Und dennoch unterscheidet sich Lena von den anderen Spielerinnen. Denn die 20-Jährige spielt nicht nur Fußball in der Sportanlage der Leipziger B-Juniorinnen, sondern auch an der Konsole. Lena spielt Fifa beim RBLZ Gaming – dem E-Sportteam vom RB Leipzig, das auch an der Virtual Bundesliga teilnimmt, eine Liga in der Einzelspieler*innen und Clubs um die deutsche Meisterschaft kämpfen. Die männliche Vor­herrschaft, die den nicht-vir­tuellen Fußball prägt, setzt sich auch im virtuellen Raum fort. Das lässt viel Platz für Pionierinnen. Lena ist die erste weibliche E-Sportlerin bei RB Leipzig und die erste weibliche Spielerin in der Virtual Bundesliga beim Team-Wettbewerb. Dementsprechend groß ist das mediale Interesse an ihr. „Ob man es berühmt nennen kann, weiß ich nicht. Es ist schon so, dass mich jetzt mehr Leute kennen, aber Berühmtsein ist es noch nicht“, meint Lena. „Vielleicht kommt das ja noch“, fügt sie lächelnd hinzu.

    „Ich habe schon mit fünf mit Fußball angefangen“

    Lena sitzt auf einem Sessel und schaut in die Kamera.

    Lena Güldenpfennig hat den Ball im Griff.

    Ein leichter Nieselregen setzt ein. Wenn man Fußball in erster Linie im Fernsehen sieht, dann vergisst man, dass es im echten Leben und insbesondere in der Regionalliga kein Replay gibt. Wenn man ein Foul oder ein Tor nicht gesehen hat, dann hat man es nicht gesehen. Umso ge­bannter schauen die Ein-wechselspielerinnen, darunter auch Lena, auf das Feld. Während sie sich in gelben Leibchen halbherzig am Spielfeldrand aufwärmen, bleibt der Kopf stets zur Seite gedreht, die Mitspielerinnen beobachtend. Die RB Leipzig-B-Juniorinnen sind derzeit Vierte in der Regionalliga. „Es läuft nicht schlecht“, kommentiert Lena den Liga-verlauf. Die Frauen spielen trotz des Novemberwetters in kurzer Hose, während die wenigen Zu­schauer*innen am Spielfeldrand in ihren langen schwarzen Män­teln frieren. „Ich habe schon mit fünf mit Fußball angefangen“, erzählt Lena. „Damals im Kin­dergarten haben die Jungs Fuß­ball gespielt, da bin ich mit zum Training gegangen und bis jetzt dabei geblieben.“ An diesem Nachmittag trägt sie die Trikot­nummer 18. „Die habe ich jetzt schon drei Jahre lang. Eigentlich wollte ich immer die Zehn haben, weil ich auch die Position Zehn spiele. Aber die war in meinem alten Verein an die Kapitänin vergeben. Deshalb bekam ich die 18 und seitdem trage ich die auch. Mit der lief es immer ganz gut im Fußball.“
    Lena ist nicht diejenige, die die Kommandos schreit. Das über­nehmen andere. Die Kapitänin­nen und die Trainer beispiels­weise. Aber sie spielt gewissen­haft: umläuft eine Frau des geg­nerischen Teams, Jubel­rufe am Spielfel­drand, sie schießt auf die Box – ein Tor wird es leider nicht.
    „Zum Fifaspielen bin ich durchs Internat gekommen. Ich war in Magdeburg auf einem Internat und da haben die Jungs Fifa gespielt, da habe ich dann manchmal mitgemacht“, sagt Lena. „Im März 2020 habe ich an einem Charity-Turnier vom DFB teilgenommen. Eigentlich nur aus Spaß, aber dann habe ich mit meinem Team gewonnen. Am Tag danach wurde ich direkt angerufen von RB, ob ich nicht beim neuen E-Sports-Team dabei sein möchte.“ Zuerst habe sie ein wenig gebraucht, um rein-zukommen. „Die Jungs waren da komplett drin. Ich wusste am Anfang gar nicht, wie ich mitreden sollte“, berichtet Lena. „Aber das ging dann voll schnell. Wir haben ein richtig tolles Team.“

    „Der E-Sport rückt immer näher“

    Die Woche der Doppelsportlerin ist eng getaktet. Sie macht eine Ausbildung zur Erzieherin, hat meist eineinhalb Stunden Fußballtraining und spielt dann abends noch ein bis zwei Stunden Fifa. Zocken trainiere man ähnlich wie echten Fußball. Umso mehr man spiele, umso mehr lerne man auch. Ihren Fifa-Trainer könne sie immer anrufen und dieser berate sie zu Taktiken und Neuigkeiten. Es sei vor allem wichtig, viele Spiele zu machen, gegen Freund*innen oder auch gegen bessere Spieler*innen. Ihre Konsole der Wahl sei dabei die Playstation. Sie komme mit dem Controller besser zurecht. „Erzieherin zu werden, war mal Plan A. Jetzt ist es eher Plan B oder C. Ich will aber trotzdem auf jeden Fall einen Abschluss haben, um da auf der sicheren Seite zu sein“, sagt Lena. Ihr Fokus liege derzeit noch auf dem realen Fußball. „Ich spiele schon mein Leben lang Fußball und ich habe dafür meine Jugend kom­plett geopfert. Aber der E-Sport rückt auch immer näher.“ Gegen Ende des Spiels kommt doch noch ein wenig Sonne raus. Das Ergebnis hingegen ist weniger sonnig. Es bleibt beim Null zu Null. „Es war nicht so ein gutes Spiel“, sagt Lena, als sie sich danach zu ihren Kameradinnen gesellt. Während Lena und ihre Mitspielerinnen sich in die Wär­me der Umkleidekabinen zu­rück­ziehen, erscheint ver­söhn­lich ein Regenbogen über dem Spiel­feld. Ob sie sich in eine Vorbildrolle gezwängt fühle? „Das war eigentlich mein Ziel, eine Vorbildrolle zu sein. Ich wollte den anderen Frauen und Mäd­chen zeigen, hier ist eine Frau aktiv und vielleicht traut sich dann die eine oder andere mehr“, erzählt Lena. „In dem einen Jahr, in dem ich aktiv spiele, sind schon sehr viele dazu ge­kommen. Es ist schön, wenn eine Nach­richt kommt, dass jemand meinetwegen ange­fangen hat.“ Vorurteile von Fuß­baller*innen über E-Sport­ler*innen und andersrum gäbe es so gut wie gar nicht, meint Lena weiter. „Die meisten, die Fifa spielen, hatten in der einen oder anderen Art auch Kontakt zum Fußball. Meistens kommt man erst durchs Fußballspielen aufs Fifaspielen. Deshalb gibt es da eigentlich keine Vorurteile“, erklärt sie.

    „Warum sollten Frauen nicht Fußball spielen?“

    Nach dem Spiel zeigt mir Lena noch die Räumlichkeiten. Sie nimmt mich mit in den Kraftraum, ein kleines, mit Matten ausgelegtes Zimmer, das voll mit Sportgeräten ist. „Hier bin ich immer“, sagt sie verschmitzt, während ihr Kraft­trainer, der nun neben uns steht, sie wegen ihrer mangelnden Kraft aufzieht. Für die weit verbreitete Kritik an ihrem Verein hat Lena nur wenig Verständnis: „RB Leipzig ist nicht der einzige Verein, der mit Geld angehoben wurde. Das ist eine ganz normale Mannschaft, die auch aufgebaut wurde. Und ob das nun sieben oder 50 Jahre her ist, sollte egal sein. Irgendwann haben wir dann auch die Tradition. Die Leistung beim RB Leipzig stimmt, und darauf sollte man auch stolz sein.“ Neben dem RB Leipzig ist sie auch noch Bayern- Fan. Bei Fifa spielt sie außerhalb von ihren Turnieren, in denen sie das RB-Team spielt, meist die Münchner oder Barceloner.
    Der E-Sport funktioniert schließ­lich doch ein wenig anders als der physische Sport. „Fifa hat meist gewisse Bugs. Die kann man dann ausnutzen. Zum Beispiel die Bridge. Da wird der Gegner einfach zur Seite ge­buggt“, erklärt mir Lena. „Dazu muss man L1 und R1 drücken und dann den Stick in die Richtung schieben, in die man geht. Dann spielt dein Spieler sich den Ball ein Stück vor und der andere Spieler wird ein Stück zur Seite gerückt.“ Die Physio­therapie und die Umkleiden kann mir Lena leider nicht mehr zeigen. Es herrscht generelle Aufbruchstimmung in dem kleinen Gebäude. Auch Lenas Mitfahrgelegenheit möch­te los. Wir verabschieden uns, Lena hält einen Schuh­karton in den Händen und stapft dann mit zwei Freundinnen davon. Die Sport­anlage liegt etwas außerhalb im Leipziger Nordosten. Dement­sprechend sind bei dem kalten Wetter viele mit dem Auto hier. „Frauenfußball ist nach wie vor ein wenig schwierig. Es wird aber immer mehr gepusht und das finde ich gut“, erzählt mir Lena. „Warum sollten Frauen nicht Fußball spielen? Selbst wenn es nicht auf demselben Niveau ist wie bei den Männern. Aber warum man das dann hatet, verstehe ich nicht.“ Derzeit gebe es nur wenige weibliche Spiele­rinnen und Teams, die man bei Fifa spielen könne. Aber es liegt durchaus im Bereich des Mög­lichen, dass Lena eines Tages sich selbst im Fifa spielen kann.

    Fotos: RBLZ Gaming

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