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    Baumplantagen schaden der Biodiversität, Aufforstung ist aber wichtig für die CO2-Reduktion und fürs Bauen. Was ist die Lösung?

    Unsere Wälder schrumpfen. Nach Daten des Global Forest Resources Assessment 2020 (FRA) gingen seit 1990 rund 178 Millionen Hektar Waldfläche verloren, das ist in etwa die Fläche Libyens. Doch die globale Entwaldung hat sich im letzten Jahrzehnt verlangsamt. Laut FRA liegt das neben der natürlichen Expansion der Wälder auch an der weltweit vorangetriebenen Aufforstung.
    Das Anlegen von Baumplantagen ist zur großen Hoffnung im Kampf gegen den Klimawandel und den Verlust naturbelassener Wälder geworden. 2019 wurde von Umweltwissenschaftler*innen der ETH Zürich eine Waldstudie veröffentlicht, die zeigte, dass weltweit etwa 900 Millionen Hektar Fläche zur Verfügung stehen, auf der neuer Wald angelegt werden könnte. Das entspricht ungefähr der Fläche der USA. Würde man dieses Potenzial ausnutzen, könnte man 205 Gigatonnen Kohlenstoff aus der Atmosphäre ziehen – zwei Drittel der Emissionen, die die Menschheit seit Beginn der Industrialisierung ausgestoßen hat.

    Leider sei es eher unwahrscheinlich, dass man das Potenzial zu hundert Prozent ausschöpfen kann, sagt Marcus Lindner vom Forstinstitut Bonn. Außerdem hat Aufforstung nicht nur positive Effekte. Baumplantagen sollen zwar helfen, den Verlust naturbelassener Wälder auszugleichen, tragen aber nach einer aktuellen Analyse des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) nur bedingt zum Schutz der Biodiversität bei. Die Forscher*innen entdeckten, dass Baumplantagen verglichen mit Altbeständen rund ein Drittel weniger Käferarten und nur etwa halb so viele Käfer insgesamt beherbergten. Käfer machen etwa 27 Prozent aller Insektenarten weltweit aus und besitzen generell eine große Artenvielfalt, daher werden sie oft als Indikatoren für die Biodiversität eines Lebensraumes genutzt. Georg Albert, Erstautor der Studie fasst zusammen: „Baumplantagen leisten zwar einen wichtigen Beitrag dazu, den Lebensraum im Wald lebender Arten zu erhalten, gleichzeitig lässt sich aber die Vielfalt und Zusammensetzung der Arten nicht aufrechterhalten. Im Moment können wir noch gar nicht einschätzen, was das wirklich bedeutet.“

    Auf die Frage, wie sich neu gepflanzte Baumplantagen bio­diverser gestalten ließen, antwortet Albert: „Im Idealfall gar nicht anfassen.“ Wenn man dem Wald die Gelegenheit gebe, sich allein, ohne den Einfluss menschlicher Hände, zu entwickeln, fördere man damit die Biodiversität. Ansonsten sei es wichtig, die Baumplantagen selbst divers anzulegen, mit verschiedenen Baumarten anstelle von Monokulturen. Auch nachhaltige Bewirtschaftung trägt laut Albert zur Biodiversität bei. Das bedeutet, starke Eingriffe und Veränderungen wie Kahlschläge zu vermeiden.
    Ein weiterer Faktor: Ältere Bäume binden wesentlich mehr CO2, so Albert. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass der Schutz alter, natürlicher Wälder nach wie vor überaus wichtig ist für Artenschutz und Klima. Baumplantagen können aber als Baustofflieferantinnen einen wich­tigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Denn Holz feiert als Baustoff für Häuser gerade sein Comeback und zum Bauen eignet sich vor allem junges Holz. Holz soll verstärkt für den Hausbau eingesetzt werden, weil es dadurch jahrhundertelang große Mengen an CO2 speichern kann und somit nachhaltiger ist. Denn nutzt man Holz als Baustoff, entfernt man so das CO2, das darin gespeichert ist, aus dem Kreislauf und vermeidet gleichzeitig das Bauen mit Beton, bei dem große Mengen CO2 freigesetzt werden.

    Auch in Leipzig, seit der Jahrhundertwende vom Stahlbetonbau dominiert, wird beim Hausbau zunehmend auf Holz gesetzt. Ein prominentes Beispiel ist das erste fünfgeschossige Holzhaus Sachsens, das 2018 in Lindenau gebaut wurde und unter anderem 2019 den Staatspreis für Baukultur bekam. Auch im neuen Stadtteil am Eutritzscher Freiladebahnhof sollen die geplanten Wohnungen komplett als Holzbau­ten entstehen, verrät Heinrich Neu, Leiter des Stadtplanungsamtes. Im Moment gibt es laut Neu nur vereinzelte Bauprojekte mit Holz – hier spiele auch Wirtschaftlichkeit eine Rolle, denn im Moment ist Holz wesentlich teurer als andere Baumaterialien. Doch in den nächsten Jahren sollen in Leipzig die Standards des städtischen Bauens in Bezug auf Nachhaltigkeit noch einmal neu definiert und damit auch die Türen für den Baustoff Holz weiter geöffnet werden.

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