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  • Viel Lärm um nichts Illegales

    Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten erhebt Betrugsvorwürfe gegen den Freien Zusammenschluss von Student­*innenschaften. Entzündet hat sich der Konflikt an den Überbrückungshilfen.

    Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) erhebt Betrugsvorwürfe gegen den Freien Zusammenschluss von Student­*innenschaften (FZS). Der Kon­flikt entzündete sich an der Überbrückungshilfe für Studierende, die seit Mai 2020 monatlich beantragt werden kann und noch bis Ende September 2021 angeboten wird.

    Der FZS kritisiert den dafür benötigten Nachweis einer pandemiebedingten finanziellen Not­lage. Liegt ein solcher Nachweis (unter anderem eine Kündigung) länger als zwei Monate zurück, müssen Bewerber*innen aktuelle Bemühungen nachweisen, die Notlage zu ändern – in der Regel durch zwei abgelehnte Bewerbungen auf einen Nebenjob. Das Problem daran sei, dass sich viele Arbeitgebende nicht zurückmelden und dieses Kriterium deshalb nicht erfüllt werden kann, sagt Iris Kimizoglu, Vorsitzende des FZS. Deshalb ermutigen sie Studierende, die noch auf der Suche nach schriftlichen Absagen sind, sich auf die Stellen des FZS zu bewerben. „Wir haben zwei Jobstellen ausgeschrieben, die wir jetzt auch besetzen wollen, und das ist dann mit der Garantie verbunden, dass wir uns auch zurückmelden“, sagt Kimizoglu.

    Der RCDS kritisiert dieses Vorgehen. In einer Pressemitteilung des Bundesvorsitzenden Sebastian Mathes ist sogar von rechtlichen Schritten die Rede. Es sei zu prüfen, ob es sich hierbei um Anstiftung zum Betrug und damit einer Straftat handelt. Der RCDS Leipzig steht hinter dem Bundesvorsitzenden: „Ich denke, es ist falsch, als Bundesverband unter der Prämisse ‚Bewerbt euch, um eine Absage zu bekommen‘ Stellen anzubieten“, betont Sebastian Höfer, Vorsitzender des RCDS Leipzig. „Insofern finde ich eine Bewerbung, um schneller an eine Sozialhilfe zu kommen, absolut daneben und die­sen Aufruf damit inakzeptabel.“ Die Zielsetzung sei nicht, Leute einzustellen, sondern Absagen zu erteilen.

    Der Studierendenrat der Universität Leipzig (Stura) ist Mitglied beim FZS und versteht die Begründung in der Kritik des RCDS nicht: „Alles, was der FZS garantiert, ist eine schriftliche Rückmeldung“, betont Dorothea Günther, Geschäftsführerin des Stura. Eine rechtliche Grundlage für den Vorwurf des Sozialbetrugs sehe man nicht. Diesen möchte auch der RCDS Leipzig nicht unbedingt unterstellen. Die Sache sei von Juristen zu klären, sagt Höfer. Er betont, dass sich die Kritik vor allem von einem moralischen Standpunkt aus vollziehe.

    Das Studentenwerk Leipzig hat derzeit keine Bedenken bezüglich des Betrugsvorwurfs. „Da auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie das Deutsche Studentenwerk hier keinen Rechtsbruch festgestellt haben, sehen wir aktuell keine rechtlichen Konsequenzen für Studierende“, sagt Hannah Cremer, Abteilungsleiterin für soziale Dienste.

    Im Hintergrund des Aufrufs des FZS steht nach wie vor die Kritik an der Überbrückungshilfe. Diese teilt auch der Stura. Günther hält den Nachweis einer pandemiebedingten Notlage für unnötig: „Es sollte jedem klar sein, dass wir in einer globalen Pandemie leben, da verstehe ich nicht, wieso man das noch nachweisen muss.“ Monika Moravcikova, Sozialreferentin des Stura, ergänzt: „Ich glaube das führt dazu, dass sich Studierende einfach irgendwo bewerben, ohne Interesse an dem Job zu haben.“ Der RCDS Leipzig findet die Überbrü­ckungshilfe grundsätzlich be­grü­ßens­wert, sieht die Pro­bleme aber auch: „Ich denke, dass die Definition einer pandemiebedingten Notlage an der Lebensrealität etlicher Studenten vorbeigeht“, sagt Höfer.

    Sichtbar wird das an der häufigen Ablehnung von Bewerbungen auf die Nothilfe. Beim Studentenwerk Leipzig, wel­ches die Hilfen für Leipziger Studierende koordinierte, gingen seit Juni 2020 etwa 4.700 Anträge ein, von denen nur 60 Prozent bewilligt werden konnten. Laut Moravcikova sorgt vor allem schlechte Kommunikation zwischen Bearbeiter*innen des Antrags und Studierenden für Verwirrung. Um kommunikativen Problemen zumindest teilweise vorzubeugen, rät Cremer, das Freitextfeld der Anträge zur Selbsterklärung zu nu­tzen, falls ein Nachweis in Form eines Dokuments nicht möglich ist. „So können wir die individuelle Lage besser versteh­en und entsprechend reagie­ren.“

    Ein Lösungsansatz für studentische Notlagen wäre, Studierende länger in der Fami­lienversicherung zu lassen. Das soll auch rückwirkend möglich sein, sagt Höfer, so dass Versicherungsbeiträge zurückgezahlt werden. Ein Thema scheint jedoch immer präsent zu sein: „Eigentlich hätte man das letzte Jahr dafür nutzen sollen, das Bafög zu reformieren, dann wäre die Überbrückungshilfe gar nicht notwendig gewesen“, sagt Kimizoglu. Auch der Stura der Universität schließt sich der Forderung nach Re­for­men an. Höfer sieht auch Bedarf, das Bafög öfter zu ak­tualisieren: „Der Begriff Reform impliziert immer eine große Veränderung, ich denke aber, dass beim Bafög schon kleine Schritte reichen, wenn sie häufig geschehen.“

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