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  • Osterspaziergang

    Kolumnist Franz erwartet Ostern mit großer Freude. Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern floh er bisher zum alljährlichen Familientreffen.

    Ein Anruf meiner Schwester. „Wirst du Ostern auch zu den Eltern kommen?“ „Nein.“ Schweigen in der Leitung.

    Wenn ich an Ostern denke, sehe ich in Gedanken meinen Opa durch den Garten huschend in aller Frühe Eier verstecken. Er war sehr geschickt darin. Einerseits kam ihm zugute, dass er an jedem Tag früh aufstand. Andererseits war er auch deswegen authentisch, weil er die Schüssel mit Wasser, die wir Kinder am Samstagabend vor die Haustür stellten, leerte. Die dazugehörige Mohrrübe – wir nahmen an, Osterhasen würden sich in ihrer Ernährung nicht von gewöhnlichen Hauskaninchen unterscheiden – war sonntags stets angeknabbert.

    Kolumnist Franz liebt Schokoladeneier.

    Am Tag zuvor fuhr die kleine Stadt im Thüringer Schiefergebirge, in der meine Oma noch heute lebt, alles auf. Geputzte Menschen, wohin man auch sah. Der Marktplatz glich jeden Karsamstag einem Wimmelbild. Bude an Bude drängte sich. Auf der Bühne wechselten sich singende Grundschulkinder, der örtliche Gitarrenkreis und der Trachtenverein mit Schlager aus der Konserve ab. Kartoffeldetschergeruch wurde mit ausgelassener Heiterkeit zu einer der prägenden Erinnerungen an meine Kindheit vermischt.

    Bevor sich am Abend erneut alles am Osterfeuer versammelte, fuhr ein als Hase kostümierter Mann auf dem Motorrad vor. Im Anhänger fand sich für jedes Kind ein gepackter Beutel voll mit Eiern und einigem an Schokolade. Das war zu einer Zeit, bevor Zucker giftig wurde.

    Höhepunkt dieser Familienzusammenkunft war das Mittagessen am Tag der Auferstehung. In manchem Jahr war das auch erst der Zeitpunkt, zu dem ich mit meiner Schwester und meinen Eltern dazustieß, da letztere von ihrem Bedürfnis nicht abzubringen waren, zuhause zum Gottesdienst zu gehen. Mein Opa ließ es sich nicht nehmen, in seinen Lieblingslandgasthof einzuladen. Es war eine Riesenfreude für mich, mal so viel Zeit mit meinen Cousinen und Cousins zu verbringen. Durch die Jahre meiner Kindheit und Jugend bis vor zwei Jahren gehörte dieses Mittagessen an Ostern zu den unerschütterlichen Konstanten meines Lebens.

    Aber es sollte zu Veränderungen kommen. Vergangenes Jahr saß ich nach einem ausgiebigen Spaziergang mit meiner Freundin auf einer Decke im Abtnaundorfer Park im Leipziger Norden. Wir aßen Osterhasenplätzchen aus einem elterlichen Carepaket und schauten Kindern zu, die von ihrem Vater hinter Baumstämmchen versteckte Geschenke suchten.

    Doch es ist nicht nur die Pandemie, die mich aus meiner Tradition gerissen hat. Der plötzliche Tod meines Opas vergangenes Jahr ist ebenso Umstand dafür, dass sich die Frage nach Ostertraditionen für mich nachhaltig aufwarf. Dieses Jahr wollte ich die Ostertage auf Hiddensee verbringen. Das ist nichts geworden, da nicht erlaubt. Nun bin ich auf der Suche nach meinem wahren Himmel, einem zufriedenen Jauchzen und einem Ort zum Seindürfen. Wird es mir gelingen, Ostern erneut als haltgebende Routine zu leben oder wird österliche Unbeständigkeit zu meiner neuen Tradition? Ich weiß nur, dass es kein Zurück zum Familienostern gibt und sich neue Formen der verwandtschaftlichen Begegnung finden werden.

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