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  • Mit 88 Toren um die Welt

    Kolumnistin Sanja hat in Uganda Fußball gespielt und erzählt von einer Freundin, die immer noch im Ausland einem Ball nachjagt.

    Wenn man mich nach dem Highlight meiner Schulzeit fragt, dann steht ISSEA ganz weit oben auf der Liste. ISSEA, das steht für International Schools of Southern and Eastern Africa. Drei Jahre haben meine Familie und ich in Uganda gewohnt, da mein Vater dort in der Entwicklungszusammenarbeit tätig war. Das bedeutete für mich, nebst all den anderen Erlebnissen auch drei Jahre ISSEA. Das ist ein Wettkampf, bei dem Schüler*innen der südostafrikanischen Internationalen Schulen jährlich in verschiedenen Disziplinen, von Schwimmen bis Tennis, gegeneinander antreten. Der Schauplatz für diesen Wettkampf ist jedes Jahr ein anderes dazugehöriges Land. Ich habe Fußball mitgespielt. Und einmal hat unsere Mannschaft sogar gewonnen, als ich dabei war. Das war in Kenia und das Eröffnungstor kam von mir. Meine Freundin Jacinta aber hat noch viel, viel mehr Tore geschossen. Überhaupt war sie immer diejenige, die unser Mädchenfußballteam am Laufen hielt.

    Kolumnistin Sanja sitzt auf einer Wiese. Sie trägt einen blauen Pullover mit buntem Muster und lächelt in die Kamera.

    Kolumnistin Sanja trägt ihre Fußballsocken jetzt nur noch im Winter, anstelle von Strumpfhosen.

    Fünf Jahre sind inzwischen vergangen und während ich in Leipzig sitze und Jura studiere, spielt Jacinta immer noch Fußball und reist dafür um die Welt. Die erste Station dafür war das Swarthmore College in Philadelphia, USA. Frauenfußball in amerikanischen Colleges lässt die Herzen von Ball kickenden Mädchen höherschlagen. Ein Land in dem Frauenfußball mehr geschätzt wird als Männerfußball. Wow. Ein Jahr hat sie dort gespielt, bis Corona ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Jeglicher Körperkontaktsport wurde für dieses Semester in Philadelphia gestrichen. Die enormen Semesterbeiträge weiterhin zu zahlen, ohne dass sie spielen kann, hat sie nicht eingesehen. Also hat sie ihre Koffer gepackt und ist nach Spanien geflogen. In Granada hat sie den Fußball wieder ausgepackt und spielt dort nun in einer Drittliga -Mannschaft. Zwar unentgeltlich, doch für Kost und Logis ist gesorgt und die Spanierinnen spielen auch in der Pandemie fleißig Fußball.

    Es hat sich herausgestellt, dass wenn man erst einmal in diesem Kreis von Drittligistinnen drin ist, dann ist es nicht mehr weit zum Kreis von Zweit- oder sogar Erstligistinnen. Denn Frauenfußball ist nach wie vor ein holpriges Terrain. Als ich mit zwölf gemeinsam mit zwei Freundinnen angefangen habe, Fußball zu spielen, musste ich als 99er Jahrgang relativ schnell in die U16 Mannschaft wechseln. Eine U14 gab es leider nicht. Meine Freundinnen, die 2000er Jahrgang waren, blieben in der U12 zurück. Ich hätte mir damals Schöneres vorstellen können, als bei den 16-Jährigen mit zu kicken. Wäre ich nicht nach Uganda umgezogen und hätte dort ISSEA für mich entdeckt, hätte ich wahrscheinlich nicht lange weitergespielt. Nach meinem Umzug zurück nach Deutschland dasselbe Kuddelmuddel. Diesmal war ich 16, aber zu alt für die U16. Eine U18 gab es wieder nicht, also ab in die Damenmannschaft. Dabei ist die deutsche Frauenliga international noch eine sehr starke Liga. Gleiches gilt für die englische oder die französische Frauenliga. Aber ein Blick nach Griechenland oder Kroatien zeigt, dass Frauenfußball hier noch sehr lückenhaft besetzt ist. Diese Lücken füllen die amerikanischen „College Girls“ oder eben meine Freundin. Reich wird man davon nicht, aber man bekommt viel Spielzeit, ein Trikot mit dem eigenen Namen drauf und lebt im besten Fall in Griechenland am Meer.

    Das Gleiche funktioniert auch in der männlichen Fußballwelt. Nur muss man dafür ein bisschen weiter Reisen. Beispielsweise nach Indonesien. Dort hat der Bali United FC letztes Jahr die höchste Liga, die Liga Satu, gewonnen. Nebst Indonesiern sind etwa ein Drittel der Spieler europäischer Abstammung und ein weiteres Drittel sind afrikanischer oder südamerikanischer Abstammung. Auch diese Spieler werden nicht viel verdienen, doch stehen Ihnen Möglichkeiten offen, die ihnen daheim verwehrt geblieben wären. Die Lebenskosten auf Bali sind günstig, die Insel ist wunderschön und das Ansehen der Spieler ist hoch. Meine indonesischen Verwandten jedenfalls vergöttern die Spieler des Bali United FC, indonesische sowie nicht indonesische.

    Fußballspielen rund um die Welt. Es gibt schlechtere Deals. In Leipzig Jura studieren zum Beispiel.

    Titelbild: privat

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