Der Winter kann kommen
Die Stadt Leipzig will aus der Fernwärmeversorgung durch Braunkohle aussteigen. Aber wie funktioniert Fernwärme eigentlich? Und was sind die Alternativen?
Grüne Energie für die ganze Stadt: Diese Agenda schreibt sich Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) schon lange auf die Fahne. Ein wichtiger Schritt soll es sein, sich in Sachen Wärmeversorgung unabhängig vom Braunkohlekraftwerk Lippendorf zu machen. Bisher wird etwa die Hälfte der benötigten Wärme von dort bezogen. Die andere Hälfte wird zum Großteil vom Gaskraftwerk an der Eutritzscher Straße geliefert. Im Kraftwerk Lippendorf wird zur Stromerzeugung Braunkohle verbrannt. Mit der sogenannten Abwärme, die dabei entsteht, wird Wasser erhitzt, das dann über ein Fernwärmenetz aus Rohrleitungen in die Stadt gebracht wird.
Die Wärmeerzeugung mithilfe von Kohlekraftwerken ist allerdings mittlerweile wegen des hohen Ausstoßes von Kohlenstoffdioxid und der Luftverschmutzung durch Feinstaub umstritten. Um so klimafreundlich wie möglich zu werden, möchte die Stadt ihre Wärme nicht mehr aus Lippendorf beziehen. Das bestehende Fernwärmenetz sei dabei weiterhin von Bedeutung, sagte Karsten Rogall, Geschäftsführer der Leipziger Stadtwerke, gegenüber dem Stadtmagazin Leipziginfo. Es sei die ideale Basis, da es sowohl von erneuerbaren als auch von fossilen Energien erhitztes Wasser transportieren kann. Bereits 2018 legten die Stadtwerke ein Zukunftskonzept vor, in dem sie den Kohleausstieg für technisch machbar erklärten. „Der Ausstieg aus der Braunkohle in Deutschland ist beschlossen, es geht jetzt darum, wie wir ihn gestalten und welche Alternativen wir finden“, sagte Jung damals. Die Alternative ist heute: ein neues Gaskraftwerk an der Bornaischen Straße in Connewitz. Nach Angaben der Stadt soll der Vertrag mit Lippendorf zum 30. September 2022 gekündigt werden.
Mit Blick auf die Klimakrise gibt Sebastian Strunz, Energieökonom am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, zu bedenken, dass das Problem Kohle verschiedene Ebenen hat: „Lokal ist ein Ausstieg aus der Braunkohle natürlich besser, je eher er geschieht.“ Auf nationaler oder gar internationaler Ebene würde das Problem möglicherweise nur verschoben, da die Kraftwerke über CO2-Zertifikate laufen. Diese berechtigen sie dazu, über einen bestimmten Zeitraum eine Tonne Kohlenstoffdioxid auszustoßen. Wird ein Kraftwerk stillgelegt, bekommt das Zertifikat ein anderer Standort. „Die Lösung wäre, die Zertifikate stillzulegen. Dazu benötigt es aber eine Koordination im Gesamtplan.“
Zwar ist Erdgas umwelt- und klimafreundlicher als Kohle, aber ebenfalls ein fossiler Energieträger und stößt damit bei der Verbrennung Kohlenstoffdioxid aus. „Aus meiner Sicht ist der Umstieg von Kohle auf Gas auf jeden Fall sinnvoll“, sagt der Physiker Christoph Gerhards von Scientists For Future Leipzig. Als Hauptmaßnahme sei es aber auf keinen Fall ausreichend. Diese Kritik ist auch den Stadtwerken bewusst und sie kündigen auf ihrer Webseite an, dass das Kraftwerk zwar zunächst mit Erdgas laufen soll, die Technik aber für 100 Prozent grünen Wasserstoff ausgelegt sei. Diesen wolle man einsetzen, sobald er verfügbar und wirtschaftlich rentabel ist. Es bleibe dann allerdings die Frage wo dieser herommt, sagt Gerhards. Da man zur Erzeugung von Wasserstoff ebenfalls Strom benötigt, sei der Einsatz nur sinnvoll, wenn dies mit erneuerbaren Energien geschieht.
Eine Studie des Wuppertal Instituts für Klima im Auftrag von Fridays For Future legt nahe, dass die Wärmewende nicht nur an den Kraftwerken hängt, sondern auch an den Gebäuden der Verbraucher*innen. Um eine erfolgreiche Wärmewende herbeizuführen, müsse man circa vier Prozent aller Gebäude in Deutschland energetisch sanieren, also mit besserer Wärmedämmung ausstatten, um weniger Energie zu verbrauchen. Das liegt allerdings deutlich über den von der Bundesregierung angestrebten zwei Prozent. „Am Ende des Tages bleibt nur ein massiver Ausbau erneuerbarer Energien“, bekräftigt Gerhards. Strunz sieht unterdessen auch eine große Verantwortung bei den Verbraucher*innen: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Transformation ohne Verhaltensanpassung funktioniert.“ Haushalte sollten also auf ihren Energieverbrauch achten und es vermeiden, unnötig viel zu heizen.
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