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  • Streaming – Der Tod des Kinos?

    Streamingdienste wie Netflix haben besonders jetzt Hochkonjunktur. Kann das klassische Kino mit Binge-Watchen und Co. noch mithalten oder müssen Filmliebhaber bald um das Leinwand-Erlebnis bangen?

    Wer sich gerne Filme ansieht, hatte früher vor Streaming vor allem bei den aktuellen Filmen nur die Möglichkeit sie im Kino zu sehen. Heute jedoch funktioniert Filmgenuss auch ganz bequem von der Couch aus. Die Vielzahl an Streaming-Anbietern, die in den letzten Jahren einer nach dem anderen aus dem Boden geschossen sind, machen das Binge-Watchen zum neuen Trend. Dabei stellt sich die Frage: Kann Streaming das Kino letztendlich ersetzen?  

    Gerade jetzt in der Pandemie sind kulturelle Events in geschlossenen Räumen schwierig umzusetzen. Das betrifft auch Kinos, die nach monatelanger Schließung im Juni wieder öffnen durften – natürlich unter Einhaltung neuer Hygieneregelungen. Gerade Freilicht- und Autokinos sind begehrt, da es unter freiem Himmel leichter ist Abstände einzuhalten. Mund-Nasen-Schutz und Kartenzahlung sind bei vielen Pflicht oder zumindest gewünscht.  

    Man sieht eine Packung Popcorn, im Hintergrund einen zugezogenen Kinovorhang

    Ein gemütlicher Sessel und frisches Popcorn – trotz Bequemlichkeit daheim genießen Viele Filme immer noch gern im Kino.

    Die Resonanz sei mittlerweile wieder sehr groß, berichten viele Betreiber. Jörg Nicolai, Besitzer des Autokinos Alte Messe, glaubt, dass Corona auch einen positiven Effekt hat, da nun viele, die Autokinos gar nicht kannten, sie jetzt besuchen. Auch in der Kinobar Prager Frühling gibt es wieder zahlreiche Besucher, teilweise müssten sogar einige aufgrund der eingeschränkten Platzkapazitäten weg geschickt werden, erzählt Inhaberin Miriam Pfeiffer. Viktoria Franke von den Filmnächten Scheibenholz berichtet ebenso von vielen Besuchern, die endlich wieder etwas erleben möchten nach dem Stillstand.  

    Trotz des guten Neustarts sieht die nähere Zukunft schwierig aus. Aufgrund der aktuellen Situation wurden viele Filmproduktionen abgebrochen, internationale Filmstarts wie „Tenet“, „Mulan“ und „James Bond“ immer wieder verschoben. Gerade für große Spielhäuser, die vor allem auf amerikanische Blockbuster angewiesen sind, bedeutet ein Produktionsstopp ein Desaster.  

    Es ist daher nicht gerade überraschend, dass besonders in Zeiten des Lockdowns die Zahlen der Streaming-Nutzer in die Höhe geschnellt sind. Nahezu alle öffentlichen Einrichtungen waren geschlossen, die Leute wurden angewiesen, lieber zu Hause zu bleiben. Der Streamingdienst Netflix verzeichnete Anfang des Jahres einen regelrechten Abo-Boom mit über 10 Millionen neuen Abos, so berichtete das Handelsblatt Mitte Juli. Im Gegensatz zum Kino profitierte Streaming also von der besonderen Situation.  

    Die Debatte, ob Streaming dem Kino gefährlich wird, gibt es allerdings schon seit einigen Jahren und ist ein immer wiederkehrendes Phänomen, erklärt Sebastian Stoppe, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Experte für Film und Fernsehen an der Universität Leipzig. Bei jedem Aufkommen eines neuen Mediums verschwanden nicht automatisch die alten Medien, auch wenn das vielleicht befürchtet wurde. Trotz moderner Konkurrenz gibt es heute immer noch Radiosendungen, gedruckte Zeitungen und Fernsehen. Meist hat sich durch neue Medien die Bedeutung der alten lediglich gewandelt. Die wenigsten sind wirklich verschwunden, erklärt Stoppe.  

    Die Vorteile des Streamings sind klar ersichtlich die Bequemlichkeit und die Unverbindlichkeit. Das Kino jedoch, und da sind sich Stoppe, Pfeiffer, Franke und Nicolai einig, ist und bleibt ein Gemeinschaftserlebnis. Denn genau wie CDs keine Konzerte ersetzen können, kann auch der neueste Netflix-Film nicht die Vorfreude, den Aufwand und das Zusammensein im Kinosaal wirklich ersetzen, erläutert Stoppe  

    „Es wird weniger auf einen Krieg zwischen Kino und Streaming hinauslaufen, als auf einen Kampf unter den verschiedenen Streaming-Anbietern“, so Stoppes Einschätzung. Durch die gewohnte Kinoästhetik erwarte der Zuschauer mittlerweile eine vergleichbare Qualität im eigenen Heimkino, was jedoch sehr kostenintensiv ist für die Streaming-Anbieter.  

    Letztendlich beeinflusst Streaming viele Lebensbereiche, doch die Kinobetreiber in Leipzig sind sich einig, dass es auch ohne Corona weit her geholt ist von einem drohenden Tod des Kinos zu sprechen. Solange es noch die große Leinwand und das gemeinsame Erleben gebe, würde es auch Kino weiterhin geben 

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