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  • Das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden

    Leipzig hat ein dezidiert fahrradfreundliches Image. Das Fahrrad ist gerade während einer Pandemie ein attraktives Verkehrsmittel. Die dafür notwendige Infrastruktur wird jedoch kritisiert.

    Als Corona das öffentliche Leben zum Stillstand kommen ließ, passierte etwas, was für städtische Straßen ungewöhnlich ist: kein Straßenlärm, keine Staus, kaum noch Autos. Diesem Umstand trugen mehrere europäische Städte Rechnung, indem Sie mehr Platz für Fahrradfahrer*innen schafften. Brüssel nahm den Lockdown als Anlass, um eine „Velorution“, wie es der Bürgermeister ausdrückt, vorzunehmen. In der Innenstadt sollen Radler*innen und Fußgänger*innen nun die gesamte Straße nutzen dürfen, während PKW, LKW und Straßenbahnen nur noch höchstens 20 Stundenkilometer fahren dürfen. Berlin sah die Chance, um sein ohnehin vorgesehenes Radwegeprogramm zu forcieren. Mittels sogenannter Pop-Up Radwegen wird der Straßenraum neu umverteilt. Das heißt zum Beispiel, dass von einer vierspurigen Straße eine Spur für den Autoverkehr gesperrt und dem Fahrradverkehr zu Verfügung gestellt wird. Diese können somit leichter die, aufgrund von Corona essentiellen Abstandsgebote einhalten.

    Auch Leipzig erhält einen Pop-Up Radweg. Auf der Jahnallee werden auf beiden Seiten der Straße ein temporärer Radweg errichtet. Dadurch soll die Radverbindung zwischen dem Lindenauer Markt und der Innenstadt verbessert werden. Damit folgt die Stadt einer Forderung der Leipziger Grünen, die verkehrspolitische Sprecherin, Kristina Weyh hat das Rad als das „Verkehrsmittel der Wahl“ zum Schutz vor Übertragung von Viren bezeichnet. Langfristig stellt die Stadtverwaltung bislang nur eine Evaluierung dieser Radwege in Aussicht. Es wären die neuesten Kilometer, die zu den insgesamt 516 Kilometern Radverkehrsanlage auf dem Leipziger Stadtgebiet hinzukommen. Zum Vergleich: das gesamte Leipziger Straßennetz ist in etwa 1800 Kilometer lang. Nach Ansicht von Tino Supplies, verkehrspolitischer Sprecher des Leipziger Umweltbundes Ökolöwe, könnten das ruhig mehr sein, denn Radfahren habe diverse Vorteile: Es sei leise, stöße keine Schadstoffe aus und es sei platzsparend. Außerdem integriere man durch das Fahrradfahren leicht Bewegung und Sport in den Alltag. Darüber hinaus sei es billig, insbesondere im Vergleich zur Anschaffung und Unterhaltung eines PKW. Laut Supplies konsumieren Radfahrer*innen vermehrt in kleinen Läden, da sie flexibler sind und leichter parken können. „Mehr Rad zu fahren,“ so Supplies, „heißt also auch, indirekt den lokalen Kiez zu erhalten und eine Vereinheitlichung der Städte zu vermeiden.“

    Radfahren kann man in Leipzig, zumindest im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten, nicht schlecht. Leipzig konnte im Fahrradklimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) aus dem Jahre 2018 den dritten Platz in der Kategorie der Städte mit mehr als 500.000 Einwohner*innen erringen, hinter Bremen und Hannover. Laut Alexander John vom ADFC Leipzig könnte die Stadt nach den Sternen greifen und „Weltfahrradhauptstadt“ werden, da es ideale Voraussetzungen mit sich bringe: „Leipzig ist flach, eine Stadt der kurzen Wege und hat ein sehr fahrradfreundliches Klima.“ Theoretisch könne der Radverkehrsanteil bei über 35 Prozent liegen. Derzeit stellen Radfahrer*innen laut dem ADFC 19 Prozent der Verkehrsteilnehmer*innen. Zum Vergleich: In der unmittelbaren Nachwendezeit der frühen 1990er lag der Anteil bei nur fünf Prozent. Um den Radverkehrsanteil zu steigern, sei es notwendig, ein stadtweites Netz von Alltags- und touristischen Wegen zu bauen. Innerhalb dieses Netzes müsse man durchgehende, intuitive Routen schaffen. Auch Supplies vom Ökolöwen pflichtet John bei, „denn ein Flickenteppich von Radwegen, wie wir ihn derzeit haben, birgt bei jedem Sprung von Radweg zu Radweg eine Gefahr für den Radelnden.“ Allerdings bräuchte Leipzig auch mehr Radwege entlang der Verkehrsstraßen und die bereits vorhandenen Radwege müssten deutlich breiter werden. Gleicher Ansicht ist auch Christopher Zwenker, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Stadtrat, der die Schaffung eines Radwegenetzes als „enorm wichtig“ bezeichnet. Zusätzlich regt er an, über sogenannte „Fahrradzonen“ in Leipzig nachzudenken. Dies sei ein Viertel bestehend nur aus Fahrradstraßen. Das Konzept sei vielversprechend und würde zu Leipzig passen, so Zwenker. Jedoch hat die Stadtverwaltung noch nicht mit der Planung angefangen, wie aus einer Anfrage der SPD-Fraktion vom 20.05.2020 an die Stadt Leipzig hervorgeht.

    Die Entwicklung der Infrastruktur richtet sich nach dem 2012 vom Stadtrat beschlossenen Radverkehrsentwicklungsplan 2010 bis 2020. Laut der Stadt wurden insgesamt 36 Prozent der geplanten Maßnahmen mindestens bearbeitet, manche vollendet. Der ADFC Leipzig führt dagegen lediglich 26 Prozent der Maßnahmen als vollendet auf. Laut John, seien außerdem die meisten der vollendeten Maßnahmen nur „Kleinkram“.

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