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  • Psychische Krise

    Die Versorgung psychisch kranker Menschen leidet unter der Coronakrise besonders. Wie sieht die Lage von Notfallseelsorgen und anderen Hilfsmaßnahmen in Leipzig aktuell aus?

    In Leipzig wurden laut dem Psychiatriebericht des Gesundheits­amtes von 2017 insgesamt 18.235 Patient*innen in den drei Psychiatrien ambulant versorgt. Durch die Coronakrise sind diese ambu­lanten Besuche nicht mehr möglich, zugleich verstärkt sich die Belastung von vielen Men­schen mit psychisch­en Krank­heiten. Welche Möglich­keiten zur mentalen Versorgung­ in Leipzig gibt es zurzeit?
    Georg Schomerus, Arzt und Direktor der Poliklinik für Psychiatrie des Universitätsklinikums Leipzig, schätzt, dass sich die Versorgungslage für Menschen mit psychischen Problemen in Leipzig aktuell massiv verschlechtert hat. Ambulant stehen tagesstrukturierende, nie­drig­­­­­­­­schwellige Angebote, wie der Besuch einer Tagesklinik oder tägliche The­rapie in dieser, nicht mehr zur Verfügung. Behandlungen werden nun häufig digital durchgeführt, während persönliche Kon­takte und Gruppenangebote fast ganz wegfallen. Stationär gibt es viel weniger Behandlungsplätze, da Gruppen verkleinert und in den Kliniken auch Distanzregeln eingehalten werden müssen. Schomerus sagt: „Es dürfen nur akute Notfälle aufgenommen werden, Menschen mit schweren chronischen Krankheiten, deren Aufnahme planbar wäre, bleiben auf der Strecke.“
    Im Krankenhaus Altscherbitz im Osten des Landkreises Leipzig, beurteilt die Chefärztin Barbara Richter die Versorgungslage ebenfalls als un­zureichend. Eine besondere Ver­schlechterung sieht die Ärztin für Menschen, die ohnehin schon unter Wasch-, Kontroll- und Zählzwängen leiden: „Angst- und Zwangspatienten fühlen sich alleingelassen, verlassen weniger das Haus, die Isolierung nimmt zu. Es kommt zur Symptomverschlechterung.“ Außerdem kommt es laut Richter öfter zu Konflikten in Partner­*innenschaften.
    ­Ulrich Hegerl, Vorstandsvor­sitzender der Stiftung Deutsche Depressions­hilfe, warnt außer­dem davor, dass bestehende Depressionen durch die Kon­takt­­armut weiter verstärkt wür­den. Er schätzt, dass Suizidraten und Alkoholabhängigkeiten zunehmen könnten, wenn Menschen zu Hause bleiben müssen, anstatt ihrer Arbeit auswärts nachzugehen. Laut einer Studie des Deutschen Ärzteblattes vom 8. April dieses Jahres ist der durchschnittliche Alkohol­kon­sum pro Person gestiegen. Hilfe erhalten Leipziger*innen über die kostenfreie Hotline der Telefonseelsorge, das Krisentelefon und im Notfall, bei akuter Suizidgefahr, über die Telefon­nummer 112. Die Klinik in Altscherbitz bietet zudem zu jeder Zeit eine Aufnahme an. Mittlerweile ist zur Hilfe gegen Depressionen das iFight Depression-Tool der Stiftung Deutsche Depressionshilfe kostenlos freigeschaltet. Das Tool könne Menschen mit Depressionen helfen, „wieder mehr Mut und Lebensfreude und eine neue Tages- und Schlafstruktur zu gewinnen“, so Hegerl.

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