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  • Immergut: „Anne with an E“

    Wir verraten euch wöchentlich die besten Medien, um den Quarantäneblues zu vertreiben. Heute gibt es einen Wegweiser zu dem Schatz: die Serie „Anne with an E“.

    Nach den vier Wochen Corona-Stillstand hat vielleicht der*die Eine oder Andere das Gefühl, jede Serie und jeden Film bei Netflix schon mindestens zweimal gesehen zu haben. Zum Glück gibt es aber doch ein paar versteckte Schätze, die oftmals übersehen werden und deutlich zu wenig Aufmerksamkeit bekommen.

    Freudestrahlend macht sich Anne an ihrem ersten Schultag auf den Weg. Die Cuthberts sind im Hintergrund vor ihrem Hofs sehen.

    Man kann Anne und ihre ehrliche und mutige Art nur lieben.

    Die Serie „Anne with an E“ ist ein solcher Schatz, ein absolutes Meisterwerk und (leider) immer noch ein Geheimtipp. Der Historien-Flair der 1890er Jahre vermischt sich mit der liebenswürdigen Coming-of-Age-Geschichte der Anne Shirley, einem Waisenkind, das durch einen glücklichen Zufall von den unverheirateten Geschwistern Matthew und Marilla Cuthbert adoptiert wird und fortan auf dem Hof Green Gables“ im Dorf Avonlea lebt. Zunächst will Marilla Anne wieder zurück in das Kinderheim schicken, da sie eigentlich einen Jungen wollten, der ihnen mit der Arbeit auf dem Hof hilft. Doch Anne lässt sich nicht so schnell abschütteln: „Es ergibt keinen Sinn, dass Mädchen keine Hofarbeit tun dürfen, denn Mädchen können alles was ein Junge kann, und mehr!“ ruft sie verständnislos aus und fragt Marilla: „Halten Sie sich für empfindlich und unfähig? Ich jedenfalls nicht.“ Schnell gewinnt sie die beiden für sich und darf auf dem Hof bleiben.

    Mit ihrer fantasievollen und impulsiven Art bereichert Anne ihre neue Heimat und bekommt dafür die Liebe, Familie und Freundschaft zurück, von der sie im Kinderheim all die Jahre zuvor geträumt hat. Mit ihrer unendlich großen Lebensfreude rüttelt sie nach und nach die verschlafene Dorfgemeinschaft wach und stellt dabei Autoritäten, Rollen und Vorurteile infrage. Als Zuschauer*in ergeht es einem wie den Dorfbewohner*innen: Am Anfang ist man noch überfordert von der lauten, extrovertierten Anne, die wie ein Wasserfall redet. Doch schnell schließt man das Mädchen mit den roten Haaren und leuchtenden Augen ins Herz, fühlt sich tief verbunden mit ihr und behält sie als Heldin in Erinnerung. Denn sie kämpft gegen die Ungerechtigkeiten des Lebens an und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Ganz im Gegenteil: Genau in den Momenten, in denen andere wegsehen und schweigend hinnehmen, erhebt sie ihre Stimme.

    Mit eingewoben in die Geschichten und Abenteuer, die Anne erlebt, sind Konflikte sowie kleine Lebensweisheiten, die sanft und doch bestimmt Themen wie Toleranz, Feminismus, Armut, Rassismus und Sexualität einbinden.

    Die Sprache der Serie ist ein einziges wunderschönes Gedicht, jedes gesprochene Wort ist voller Intensität, jeder Satz gefüllt mit Feingefühl und Wortgewandtheit. So klug und emotional trifft die Serie einen mitten ins Herz und streichelt die Seele, ohne dabei kitschig oder gewollt zu sein.

    Hinter der Serie steckt erfreulicherweise auch noch doppelte Frauenpower: Die kanadische Dramaserie basiert auf der Buchreihe „Anne auf Green Gables“ von der Autorin Lucy Maud Montgomery und wurde von Moira Walley-Beckett entwickelt, die schon an vielen Breaking-Bad-Episoden als Autorin und Produzentin mitgewirkt und dafür dreimal mit dem Emmy ausgezeichnet wurde. Deswegen ist es auch kein Wunder, dass diese Serie so gut geworden ist.

    Also macht euch auf die Schatzsuche!

    Titelgrafik: Lisa Bullerdiek

    Bildschirmfoto: Netflix

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