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  • „Keine Feier, sondern Kampf“

    Tausende demonstrierten am 8. März in Leipzig gegen Diskriminierung und Gewalt an Frauen und anderen marginalisierten Gruppen und für tatsächliche Gleichberechtigung.

    Emma Goldman statt Wilhelm Leuschner, Olympe de Gouges statt Kurt Eisner und Clara Zetkin statt Karl Liebknecht. Einige gewohnte Leipziger Straßennamen wichen am Sonntag den Namen wichtiger Vertreterinnen der feministischen Bewegung. Aktivist*innen hatten die Straßenschilder zwischen Alexis-Schumann- und Richard-Wagner-Platz überklebt – entlang der Strecke, an der sich ab 16 Uhr der Demonstrationszug des Bündnisses Feministischer Streik Leipzig bewegte. Etwa 3.000 Menschen sind dem Versammlungs- und Streikaufruf gefolgt, heißt es laut Veranstalter*innen und Medienberichten. Berta und Lena vom Streikbündnis verweisen auf die lange Tradition des 8. März als feministischen Kampftag: ein geeigneter Anlass, um auf Missstände, denen vor allem Flint*-Personen (Frauen, Lesben, Intersexuelle, Nonbinäre und trans Personen) ausgesetzt sind, hinzuweisen. Da der diesjährige Internationale Frauentag auf einen Sonntag, den klassischen Familientag, fällt, haben die Organisator*innen das Bestreiken, somit Niederlegen, der Care-Arbeit fokussiert. Flint*-Personen übernähmen den Großteil der unbezahlten Sorge für Haushalt, Erziehung und Pflege Angehöriger: insgesamt jede Woche 31 Stunden pro Person, zusätzlich zur Lohnarbeit.

    Mit einem lauten kollektiven Schrei beginnt der Aufzug. „Wir haben es satt, Frauenkörper als Unterhaltung zu sehen“, ertönt es von einem Lautsprecherwagen. Ein Plakat fordert „Patriarchat abtreiben“. Demonstrant*innen skandieren „One struggle, one fight: Feminismus, Klimastreik“. Redner*innen informieren über neue, einfachere Wege zur Personenstandsänderung für trans Personen, kritisieren weißen cis Feminismus oder das Selbstbild der linken Szene als nur vermeintlich von Sexismus freier Raum. Die Forderungen und Beweggründe der Einzelnen an diesem Sonntag auf die Straße zu gehen, sind vielfältig. Frauen von Damigra, dem Dachverband der Migrantinnenorganisationen, wollen sich solidarisch mit den syrischen Frauen zeigen: Viele seien in Idlib Gewalt und Bomben ausgesetzt, andere steckten auf der Flucht zwischen der Türkei und Griechenland fest. „Alle Frauen haben ein Recht auf ein gutes Leben mit ihren Familien, auf Arbeit und Gleichberechtigung, auch die Frauen mit Kopftuch“, erklärt eine Aktivistin. Engagierte von Círculo Feminista, einem lateinamerikanischen und spanischen feministischen Kreis, verfolgen das Anliegen, auf geschlechterbedingte Lohnunterschiede oder Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen, die in Deutschland viel zu wenig thematisiert werde, außer ein ausländischer Täter habe sie ausgeübt. Sie fordern besseres Zusammenarbeiten zwischen Frauen und verweisen auf die große Beteiligung an 8. März-Demonstrationen in Lateinamerika, die sie hier zu Lande vermissen. Auch Schüler*innen von Fridays for Future sind gekommen, um aufzuzeigen, dass Klimagerechtigkeit Gerechtigkeit auf allen Ebenen bedeute. Auf der südlichen Globushälfte betreffe der Klimawandel gerade Frauen, die etwa immer längere Wege zum Wasserholen auf sich nehmen müssten.

    Neben kritischen Gedichten, Forderungen und Erfahrungsberichten tönt aus den Lautsprechern an diesem oft sonnigen Nachmittag auch Musik. Etliche Kinder sind anwesend. Eine Gruppe junger Männer ist hier „aus politischen Gründen“ und „um einen schönen Tag zu haben“.  Es wird getanzt und getrommelt. Ab und an riecht es nach Gras. Menschen schwenken bunte Transparente und zum Abschluss der Demonstration findet ein Konzert von Kapa Tult, Salomé und Sir Mantis statt. „Aber eine Feier soll der 8. März gerade nicht sein, sondern ein Kampf“, bekräftigen die Frauen von Círculo Feminista.

    Wo Wilhelm war, steht nun Emma.
    Zwischenkundgebung auf dem Wilheilm-Leuschner-Platz
    Der Mendebrunnen wurde tagesaktuell verziert.

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