• Menü
  • Film
  • Ein regnerischer Tag fürs Kino

    Woody Allens neuer Film „A Rainy Day in New York“ ist so schlecht, dass er schon fast wieder gut ist, aber leider nur fast.

    A Rainy Day in New York ist eine romantische Komödie, die –  wer hätte es gedacht – an einem regnerischen Tag in New York spielt. Im Zentrum stehen die privilegierten Collegestudent*innen Gatsby Welles (Timothée Chalamet) und seine Freundin Ashleigh (Elle Fanning), die ein Wochenende im Big Apple verbringen wollen. Sie arbeitet für die Unizeitung und hat in New York ihr erstes wichtiges Interview mit ihrem Lieblingsregisseur Roland Pollard (Liev Schreiber). Schnell trennen sich jedoch die Wege der beiden und das romantische Wochenende, das der exzentrische Gatsby mit seiner Freundin in verstaubten Hotelbars und an Pokertischen verbringen wollte, bringt die beiden auseinander statt näher.

    Der Film hat drei große Probleme, die einen zuerst nicht daran hindern, das bisschen Nostalgie und die auch hier sehr überzeugenden Leistungen der beiden Hauptdarsteller*innen zu genießen. Die ersten dreißig Minuten macht es wirklich Spaß, Timothée Chalamet dabei zuzusehen, wie er in Erinnerungen des glanzvollen alten New Yorks schwelgt, aber am Ende ist man so genervt von allem anderen, dass auch die schönen Bilder des regnerischen Central Park den Film nicht mehr retten können.

    Zunächst sind da die Meta-Ebenen. So viele Meta-Ebenen. Sätze wie „Aber das hier ist das echte Leben“, Kommentare über Eskapismus und Flucht in die Vergangenheit, auf all dem wird mit einer Intensität herumgetrampelt, die man in den besten Techno-Clubs nicht findet. Es ist zu einem unglaublich nervigen Trend geworden, in Filmen über Filme zu reden und über nichts anderes, nur damit die Zuschauer*innen sich mit wissender Miene zu den Nachbar*innen wenden und flüstern können: „Die Reden über diesen Film.“ Nur weil man sich über die verrostete Aura des eigenen Films lustig macht, macht es ihn noch nicht modern.

    Auf dem Bild ist Timothée Chalamet in seiner Rolle als Gatsby Welles in „A Rainy Day in New York“ zu sehen. Es ist eine Nahaufnahme, die ihn von der Brust abwärts zeigt. Seine Haare sind durchnässt vom Regen und er hat einen durchsichtigen, aufgeklappten Schirm unter seinen Arm geklemmt um sich beim telefonieren vor der Nässe zu schützen. Er hält ein Handy an sein Ohr.

    Gatsbys Handy ist der einzige Hinweis darauf, dass „A Rainy Day in New York“ in der Gegenwart spielt.

    Problem Nummer zwei ist Woody Allen selbst und seine – ähem – Vorgeschichte. Der Regisseur ist in Hollywood mittlerweile ziemlich unbeliebt. So wurde „A Rainy Day in New York“ in den USA nicht in den Kinos gezeigt. Im Zuge der #MeToo-Debatte sind Missbrauchsvorwürfe über den 83-jährigen Regisseur wieder aufgetaucht. In Deutschland und in anderen europäischen Ländern wird der Film jedoch gezeigt. Ich werde hier nicht den Versuch anstellen, den Künstler von seiner Kunst zu trennen. Das ist ein unmögliches Unterfangen, besonders in diesem Fall. Zu versuchen, die Anschuldigungen gegen ihn für anderthalb Stunden zu ignorieren, wird nicht dadurch erleichtert, dass Ashleigh von gleich drei älteren Männern umgarnt wird, inklusive sehr taktvoller Kommentare über die Faszination junger Frauen für ältere Männer. Gatsby trifft auf die jüngere Schwester (Selena Gomez) einer Exfreundin und merkt an, sie wäre von einem „kleinen Mädchen zu einer jungen Frau geworden“. Zur Erinnerung: Allen hat seine eigene Adoptivtochter geheiratet. Wirklich und wahrhaftig unerträglich wird es dann, als Ashleigh von einem der älteren Männer in Unterwäsche vor die Tür gestellt wird. Es regnet und sie stolpert im strömenden Regen eine Feuertreppe hinunter. Einen Mantel, den sie von ihm mitgenommen hat, zieht sie sich natürlich nicht über, sondern schlingt das klatschnasse Ding nur um ihre Hüften. Ihn vernünftig anzuziehen wäre vermutlich zu schwer und würde das bizarre und etwas verstörende Bild der verwirrten Elle Fanning kaputt machen.

    Das Bild zeigt Ted Davidhoff (Jude Law) und Ashleigh (Elle Fanning) in dem Film „A Rainy Day in New York“. Sie sitzen an einer Bar und Ted redet eindringlich auf Ashleigh ein, die ihn erschrocken anguckt.

    Ted Davidhoff (Jude Law) ist nur einer der älteren Männer, die es auf Ashleigh (Elle Fanning) abgesehen haben.

    Nun zum letzten Problem: Es gibt keinen emotionalen Kern. Keine der Figuren ist sympathisch oder vielschichtig, weder die Hauptdarsteller*innen noch die Armada von Nebenfiguren. So bleibt am Ende nur ein Durcheinander von durchnässten Sachen und existentiellen, gänzlich fabrizierten Sorgen zurück. Gatsby, der zum Schluss verliebter in New York ist als seine Freundin, fragt: „Was ist so schön daran, zu leiden?“ Während ich „A Rainy Day in New York gucke, denke ich: „Nichts.“

    Ab 5. Dezember im Kino

    Fotos: Gravier Productions, Jessica Miglio

    Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.

    Verwandte Artikel

    Wahnsinnsfilm

    „Der Leuchtturm“ ist die Geschichte zweier Männer, die auf einer einsamen Insel ihren Verstand verlieren. In 1920er-Stummfilm-Optik transportiert der Film Lagerkollerromantik vom Feinsten.

    Film Kultur | 27. November 2019

    Hochverräterin oder Heldin?

    Der Polit-Thriller „Official Secrets” erzählt die spannende Geschichte von Whistleblowerin Katharine Gun, die 2003 vor dem Irak-Krieg ein streng geheimes NSA-Memo durchsickern ließ.

    Film | 20. November 2019