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  • „Weird, aber geschmackvoll“

    Musik aus Österreich, Europa und den Bilderbuch-Look, darüber sprachen wir mit dem Bassisten Peter Horazdovsky von der Band Bilderbuch bei ihrem Tourstop in Leipzig.

    Im Februar erschien das sechste Album „Vernissage my Heart“ der österreichischen Band Bilderbuch. Auf ihrer Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz haben sie auch in Leipzig halt gemacht. Vor ihrem Auftritt im Haus Auensee traf student!-Redakteurin Pia Benthin den Bassisten Peter Horazdovsky zum Interview. Während des Gesprächs trägt er eine Sonnenbrille, aber nicht um die Müdigkeit zu überdecken: Den Vorabend hat die Band entspannt in Leipzig verbracht. Für das Konzert am Donnerstagabend tauscht Peter die Sonnenbrille sehr rockig gegen schwarzen Kajal aus.

    student!: Wie würdest du eure Musik beschreiben?
    Peter: Das ist sehr schwierig. Wir sind da unabhängig und haben uns nie auf ein Genre geeinigt. Es gibt auch keines, was uns beschreibt. Unsere Musik ist das, was dabei raus kommt, wenn wir produzieren. Es ist eine Mixtur aus modernen Elementen, aber auch aus Sachen, die wir in der Vergangenheit irgendwie aufgreifen konnten. Es ist ein großes Cluster von Genres und Ideen, die es schon gegeben hat oder die wir im besten Fall selbst zusammenstellen.

    Gibt es einen Bilderbuch-Look der eure Musik ausmacht?
    Weird, aber geschmackvoll. (lacht)

    Woher kommt der Name Bilderbuch?
    Früher haben wir Märchengeschichten vertont. Maurice (der Sänger; Anm. d. Red.) hat sich damals noch nicht ready gefühlt, Texte zu schreiben. Er hatte nichts Krasses zu erzählen, nichts was ihm auf der Seele brannte. Wir wollten aber trotzdem Musik machen und da ist die Message erstmal nicht so wichtig gewesen. Maurice hat dann gemeint, dass wir Märchengeschichten vertonen könnten. Das war das einfachste, um an Stoff zu kommen und auch das, was uns damals von anderen Bands aus unserer Region abhob. Das hat dazu geführt, dass wir relativ schnell Festivals gespielt haben. Die Leute meinten: „Hey, das ist irgendwie lustig.“

    Peter Horazdoysky von der Band Bilderbuch sitzt in seiner Garderobe und trägt eine Sonnenbrille.

    In Rockstarmanier trägt Peter Horazdoysky während des Interviews Sonnenbrille.

    Wie seid ihr von Märchen zu dem gekommen, was ihr heute macht?
    Das mit den Märchen hat so zwei Jahre gedauert. Irgendwann hängt es einem zum Hals raus und es ist gut, wenn man wieder damit aufhört. Es war der Punkt gekommen, an dem man denkt, man will auch über sich selbst singen und über die Welt. Wir haben uns dann in vielen Schritten weiterentwickelt. Man entdeckt in 15 Jahren ganz viel neue Musik und viele coole Sachen und Beats. Man verändert sich und wird älter, man wird einfach anders. Und im besten Fall verändert sich damit auch die Musik. Immer gleich zu bleiben, ist fade und sollte nicht passieren.

    Woher nehmt ihr eure Inspirationen und Einflüsse?
    Die Inspirationen trennen uns gar nicht so sehr von anderen Bands. Einflüsse kommen zum Beispiel von David Bowie und Talking Heads. Talk Talk finde ich momentan auch total super. Also expressive Musik, die einen förmlich anspringt. Die Art und Weise, wie wir Musik machen, ist total wichtig. Denn wir machen das alles gleichberechtigt. Dann kommt irgendwas dabei raus, was in erster Linie weird ist. Aber etwas, das auch eine Melange aus unseren vier Persönlichkeiten ist. Das ist das Einzigartige.

    Euer fünftes Album “Mea Culpa“ wurde am 4. Dezember 2018 veröffentlich und das sechste „Vernissage my Heart“ wenige Monate später am 22. Februar 2019. Wie schafft ihr es in so kurzer Zeit zwei Alben zu veröffentlichen?
    Im Vergleich zu anderen Künstlern sind wir nicht ganz so lange auf Tour. Wir spielen meistens in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
    Darum haben wir viel Studiozeit zur Verfügung und die nutzen wir auch. Wir sind nach der Tour sofort im Studio und machen Tracks. Für die letzte Platte hatten wir so 60 Ideen und da muss man sich auf einen Pool einigen, den man fertig machen möchte. Das waren dann immer noch 18 Tracks und wir haben uns da so drin verliebt, dass wir die einfach aufgeteilt haben auf zwei Platten. Eine Platte von 72 Minuten wäre unfair den Songs gegenüber, die letzten werden dann wahrscheinlich nicht mehr so oft gehört, weil es schwierig ist 72 Minuten durchgängig Musik zu hören. Wir machen ja auch nicht die entspannteste Musik. Bei uns kann es hin und wieder auch mal anstrengend sein und das soll und darf es auch.

    Der Bassist von der Band Bilderbuch auf der Bühne

    Der Bassist ist eines der Gründungsmitglieder von Bilderbuch.

    Was bedeuten die Albentitel?
    Sie sollen klanglich zu den Songs passen. „Mea Culpa“ ist eine introvertierte Platte. Es beschreibt dieses Gefühl, das in einem selber, im Herzen eines jeden stattfindet. „Vernissage my Heart“ ist eine expressive Platte. Es sind 18 Tracks aus der gleichen Session, die musikalisch eine Geschichte erzählen. Auch „Schick Schock“, die komische Zusammenstellung von den „K“-Wörtern. (macht Laute nach) „Magic Life“ ist irgendwie was weirdes. Komische Titel waren bei uns schon immer dabei.

    Bei Musik aus Österreich denken viele zuerst an Falco oder Mozart. Wie ist das für euch, mit diesen Künstlern in einem Satz genannt zu werden?
    Es ist unbestritten, dass wir eine Band aus Österreich sind. Das hört man ja auch, wenn wir reden. Aber wir sind kein Aushängeschild für eine Nation. Diese Idee ist auch einfach blödsinnig. So sehen wir uns nicht.

    Seht ihr euch dann eher als europäische Band? Auf der neuen Platte gibt es ja auch ein Lied namens „Europa22“.
    Also wir sind schon eine österreichische Band. Und wir sind auch eine europäische Band. Bei Europa turnt mich die Idee an, dass man über nationale Grenzen hinwegdenkt. Dass sowas nicht mehr relevant ist. Was ich an der europäischen Idee interessant finde, ist die Sprengung der Grenzen. Und das muss ja gar nicht in Europa aufhören. Das ist nicht das Ende der Station. Es geht darum, dass man die Welt als einen Platz begreift und dass man dessen gerechter werden sollte. Genau diese Idee steckt hinter „Europa22“.

    Wie sprengt man Grenzen, wenn man auf Deutsch und nur teilweise auf Englisch singt?
    Es geht schon viel um die Musik. Wir machen keine Musik, die durch unsere Nation oder unseren Wohnort geprägt ist. Der deutsche Gesang ist uns einfach ein bisschen näher. Das Englische, also das Internationale, möchten wir reinbringen, weil es sich einfach leichter singt. Wir bräuchten zum Texteschrieben viel länger, wenn wir auf englische Passagen verzichten würden.
    (In starkem Österreichisch) Die deutsche Sprache is a Hund. Das ist schon schwierig. Musik ist ja auch etwas extrem Emotionales. Ich sehe es nicht als problematisch, in der eigenen Sprache zu singen und sich trotzdem international zu sehen.

    In euren Liedern findet man ja auch immer wieder Austrizismen, also Wörter die typisch für Österreich sind. Wie beeinflusst euch eure Herkunft?
    Natürlich sagen wir sowas. Wir reden ja mit vielen Leuten in Österreich. Und da sind dann bis zu einem gewissen Grad Begriffe dabei, die man in Deutschland möglicherweise nicht kennt. Also ganz ein einfaches Beispiel: Sagt ihr zu Marillen Marillen?

    Nein, Aprikosen.
    (wir lachen)
    Das ist ein klassisches Beispiel, was viele kennen. Natürlich verwenden wir diese Begriffe. Die gehen ja in einen über. Und dann redet man, wie man redet. Beim Singen bemühen wir uns, dass wir verstanden werden. Aber sowas kommt trotzdem immer wieder vor. Auch unbewusst.

    Eine Frage zum Abschluss: Was ist dein persönliches Lieblingslied von euch?
    (überlegt sehr lange) Den bestens Song, den wir in der Theorie je geschrieben haben, ist „Sprit’n’Soda“ vom zweiten Album „Magic Life“. Beim Produzieren sind wir aber leider nicht auf den Punkt gekommen und niemand versteht den Song. Live ist der Track dagegen 100 von 1. Ein wenig Selbstkritik, wir sind live viel besser als auf Platte. Unser großes Ziel für die Zukunft ist, dass wir auf Platte besser werden.

     

    Fotos: Pia Benthin, Hagen Küsters

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