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  • Auf fremdem Terrain

    Reizüberflutung versus schnuckelige Heimeligkeit beim Mittagessen, überfüllte Hörsäle versus Klassenzimmerfeeling. Zwei Leipziger Studentinnen von Uni und HTWK tauschen für einen Tag ihre Hochschulen.

    Jede Woche der gleiche Trott: Man sitzt im Seminaraum, dessen Nummer man im Tiefschlaf aufsagen kann, neben denselben Kommilitonen, wählt mittags in der Mensa irgendwie doch immer dieselbe Nudelsoße und lauscht derselben Professorin, aus deren wöchentlichem Füllwörtergebrauch man schon längst das arithmetische Mittel gebildet hat. Zeit für einen Blick über den Mensatellerrand: Wir haben HTWK-Studentin Elisa (Bibliotheks- und Informationswissenschaft) und student!-Redakteurin Annika, die an der Uni Kulturwissenschaften studiert, in den Hochschulalltag der jeweils anderen reinschnuppern lassen.

    Elisa an der Uni

    Elisa zwischen Büchern in der Campus-Bib

    Zu Besuch in der Campus-Bib am Campus Augustusplatz

    Ganz ehrlich: Als ich mich dafür entschied, bei diesem eher ungewöhnlichen Austauschprogramm mitzumachen, hat­­­­­te ich eine Menge Vorurteile: Uni-Studierende haben alle Zeit der Welt und verbringen diese kaum in der eigentlichen Universität, deren riesige Hörsäle trotzdem irgendwie immer überfüllt sind. Pro Semester vielleicht so drei Module – wie entspannt das für mich klingt!
    Der Sportcampus ist mir nicht fremd, aber das Gebäude der Erzieh­ungswissenschaften habe ich noch nie von innen gesehen. An meinem Schnup­­pertag nimmt mich Annika mit zu einem Entwicklungspsychologie-Seminar. Nach einer Einführung durch den Dozenten übernehmen Studierende das Seminar und führen einen Workshop durch. Für reichlich Motivation wird mit Süßigkeiten gesorgt und ich erfahre, dass auch große Schaumstofflöffel nicht in Wasser untergehen.

    Das nächste Seminar in Kulturgeschichte findet am Campus Augustusplatz statt, also heißt es Bahn fahren. Zum Glück ist die Pause zwischen den Veranstaltungen ausreichend für die kleine Reise. Bei unseren 15 Minuten in der HTWK wäre das schon hektischer. Im Seminar geht es um Ernährungs­geschichte nach 1945 und Annika darf selbst mit einem kleinen Referat aktiv werden. Dank ihr weiß ich jetzt, dass Rügenwalder Teewurst aus Pommern nach Deutschland kam und Hefeklöße ursprünglich im Sudetenland hei­misch waren. Das Seminar wird frühzeitig beendet, worüber sich vor allem einer mächtig freut: mein Magen.

    Der Besuch in der Mensa am Park ist der überwältigendste Moment des Tages. An Auswahl mangelt es bei verschiedenen Pastasoßen, Pizzen, Wok- und Grillgerichten, veganen Optionen und einem üppigen Salat- und Obstangebot wirklich nicht. Mit dieser neu gewonnenen Freiheit bin ich so überfordert, dass ich mich für die sicherste Variante entscheide: Nudeln mit Pesto. Einen Sitzplatz zu finden ist zur mittäglichen Stoßzeit gar keine leichte Aufgabe. Es tummeln sich schrecklich viele Menschen, entsprechend hoch ist der Geräuschpegel. Um uns unterhalten zu können, müssen wir uns förmlich anschreien. Mir fällt auf, dass hier mehr Werbung für Angebote an Studierende gemacht wird als ich gewohnt bin. Ich kann fast nirgendwo hinschauen, ohne ein Plakat vom Studen­tenwerk zu sehen.

    Mit vollem Magen geht es in die Kulturmanagement-Vorlesung. Entgegen meiner Erwartung stellt sich die Größe des Hörsaals als recht übersichtlich heraus. Dafür ist er gut gefüllt, manche Studierende nehmen sogar auf der Treppe Platz. Nach der letzten Veranstaltung entspannen wir noch ein Weilchen im Innenhof des Hauptcampus. So eine Möglichkeit, sich draußen hinzusetzen und ein wenig zu entspannen, ist etwas, das mir an der HTWK sehr fehlt. Die Pause in der Sonne tut gut und gibt mir die Möglichkeit, mich mit Annika über ihr Studium zu unterhalten. Sie selbst hat dieses Semester vier Module und erhält dennoch so viele Leistungspunkte wie ich in sechs Semestern, da ihre Module mehr Creditpoints wert sind. Außerdem hat sie andere Prüfungsleistungen. Ihr Studium kommt mir während des ganzen Tages sehr viel theoretischer vor als meins. Sie erzählt mir, dass sie keine Projekte durchführen muss, sondern sehr viele Texte liest.

    Meine Vorurteile gegenüber dem Uni-Alltag können nach unserem Austausch nicht alle bestätigt werden. So hatte ich mit Annika einen recht langen, anstrengenden Tag und auch wenn sie mir erzählt, dass sie freitags frei hat, denke ich nicht mehr, dass Uni-Studierende nur auf der faulen Haut liegen. Die wenigen Module pro Semester sind mit mehr Arbeitsaufwand verbunden und auch die Hörsäle sind nicht alle riesig, aber immer gut gefüllt. Fazit: Ein Tag an der Uni unterscheidet sich erstaunlich wenig von einem Tag an der HTWK.

    Gastbeitrag von Elisa Klar

     

    Annika an der HTWK

    Studentin Annika in der HTWK unterwegs

    Skeptischer Blick über die Flure der HTWK

    Mittwoch ist der Tag, an dem ich ausschlafen kann. Also eigentlich, denn stattdessen begebe ich mich heute auf neues Terrain: die HTWK. Zwar bin ich schon das ein oder andere Mal an der Hochschule vorbeigefahren, aber mehr als ein vorbeiziehendes Gebäude war es für mich nicht. In der Straßenbahn treffe ich mich mit Elisa. Als ich die Länge der Fahrt anspreche – Leutzsch ist leider nicht das Nächste – meint sie nur: „Dann kommt man mal zum Lesen.“ Dieses Vorhaben kenne ich nur zu gut, jedoch entscheide ich mich meist doch gegen die chaotische Blätterflut in meiner Mappe. Elisas Geheimtipp: Wer nicht unnötig an den tückischen Fußgängerampeln festhängen will, steigt erst am Connewitzer Kreuz aus.

    Über Treppen und Aufzüge gelangen wir zum Seminarraum, der noch verschlossen ist. Ich nutze die Zeit, um meine Flasche mit Wasser aufzufüllen, denn das habe ich in der Eile am Morgen irgendwie vergessen. Der Wassergeschmackstest ist bestanden. Im Seminarraum dann angekommen, spüre ich gleich die Klassenzimmeratmosphäre: Eine große grüne Tafel, ein Projektor aus einer anderen Zeit, lange Tischreihen mit cyanblaugerahmten Stühlen. Das Thema heute: Ausleihe von E-Book-Readern. Erstmal kurze Planung des Ausfluges nächste Woche, dann ein Referat zum Thema E-Book-Reader und deren Verwendung in Bibliotheken. Halb anwesend, halb im Handy vertieft, werde ich aufmerksam, als es allgemein um das Dasein dieser kleinen technischen Bücher geht. E-Book-Reader sind tot, weil Smartphone und Co. multifunktionaler sind? Nach langem Überlegen, ob ich mich melden soll, siegt der Reiz. Ich persönlich habe keine Lust beim Lesen, von WhatsApp-Nachrichten und Co. gestört zu werden, was immerhin ein Vorteil der „einfachen“ Geräte ist. Damit ist mein erster und einziger Redebeitrag über­standen. Im Kopf bei meinem neuen zukünftigen E-Book-Reader ist die Stunde dann auf einmal vorbei. Auf geht es zur Mensa.

    Lange Schlangen vor der Essensausgabe, der Kampf um den perfekten Sitzplatz – darauf besinne ich mich, wenn ich an unsere vom Quietschen zurückgeschobenen Stühle erfüllte Mensa denke. Vom Tageslicht erhellt sieht es hier jedoch ganz schnuckelig aus, da sie einfach nicht so groß ist. Anstatt sich gleich durch die Essensausgabe zu quetschen, kann man hier erstmal seinen Kram am auserwählten Tisch ablegen und sich entspannt sein Mangoldgemüse mit Reis holen. Es gibt sogar extra eine Stunde Mittagspause für alle. Am Tisch sitzen wir mit zwei Kommilitoninnen von Elisa. Ich war schon kurz davor zu fragen, was sie denn studieren, weil ich es gewohnt bin, dass in meinem Kurs verschiedene Fachsemester und teils Studierende aus anderen Studiengängen sitzen. Gesprächsthema am Tisch ist vorrangig der Bibliothekartag in Berlin, eine Fortbildungsveranstaltung für Bibliothekare. Dafür bekommen sie sogar eine Woche frei, da die Professoren sowieso alle dort sind. Als die Mensa sich geleert hat, machen wir noch einen kurzen Abstecher in die Bibliothek. Ich bin schon gespannt auf das geometrische Gebäude. Wie sich herausstellt, ist sie sehr betonlastig und verziert mit knallgrünen Treppenaufgängen und Teppichen. Soweit nicht spektakulär und da der vierte Stock, wo die Bücher der Bibliothekswissenschaften sind, nicht betretbar ist, wird es nur ein kurzer Rundgang durch die teils dunklen Räume.

    Mein Fazit: Ein interessanter Tag mit neuen Einsichten. Die oft gepredigte Praxisnähe von Hochschulen wird an der HTWK, soweit Elisa es mir darstellte, doch weitestgehend erfüllt. Ich habe aber auch festgestellt, dass ich ganz froh bin, dass mein Studium etwas freier bezüglich der Gestaltung ist. Und die Albertina kann nun mal keine Bibliothek toppen.

    Annika Seiferlein

     

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