Die Tatortreiniger der sozialen Medien
Die Dokumentation „The Cleaners - Im Schatten der Netzwelt“ beleuchtet das Phänomen der digitalen Zensur und gibt den Menschen eine Stimme, das Internet von anstößigen Beiträgen säubern müssen.
„Ignore – Delete – Delete – Ignore“, murmelt die junge Philippina vor dem Rechner, während sich in ihren Brillengläsern die Grausamkeiten der Menschheit spiegeln. Sie ist eine von tausenden sogenannten Content-Moderatoren, die digitale Beiträge anhand der Richtlinien entweder für unbedenklich erklärt oder aus dem sozialen Netzwerk des Auftraggebers löscht.
Die düstere Dokumentation „The Cleaners – Im Schatten der Netzwelt” der Regisseure Hans Block und Moritz Riesewieck gibt diesen Menschen ein Gesicht und die Möglichkeit, die Welt über ihre Arbeit zu informieren. Soziale Medien wie Facebook oder YouTube sind heutzutage fest in unserer Gesellschaft verankert und fördern weltweite Vernetzung. Doch damit wird auch die Aufgabe, die Netzwerke von anstößigen Inhalten rein zu halten, immer größer. Von der unglaublichen Fülle an Material, das täglich hochgeladen wird, verstößt einiges gegen die Richtlinien und zeigt Dinge wie Kindesmissbrauch, Terrorismus, Gewaltverherrlichung und Hass.
Die Bekämpfung dieser Schattenseite der sozialen Medien wird in den meisten Fällen einfach an fremde Firmen ausgelagert. Hinter verschlossenen Türen in anonymen Großraumbüros in Manila auf den Philippinen sichten meist junge College-Absolventen bis zu 25.000 Onlinebeiträge pro 10-Stunden-Schicht und entscheiden, ob dieser Post gelöscht wird oder nicht. Knebelverträge der Dienstleistungsunternehmen sorgen dafür, dass einige der Interviewten nur anonym auftreten können. Sie sprechen über traumatisierende Einblicke in die tiefsten Abgründe der Menschheit und was diese nervenaufreibende Arbeit mit ihnen macht.
Der gesamte Film wirkt wie ein Albtraum, der aber leider die Realität ist. Es wird kaum explizites Bildmaterial der zu verrichtenden Arbeit gezeigt. Die lebendigen Schilderungen der Angestellten reichen aus, um die Gänsehaut und ein unwohles Gefühl die ganze Zeitspanne der Dokumentation über zu erhalten. Über hundert Enthauptungen habe er schon ansehen müssen, meint ein Mitarbeiter. Fachkundig erläutert er anhand eines geposteten aber schon aus dem Netzwerk gelöschten Bildes, welche Tötungsmethode hier angewandt wurde. Es erscheint kaum vorstellbar, welche Grausamkeiten die Angestellten zu Gesicht bekommen und wie sie es schaffen, mit diesen Bildern einen normalen Alltag zu meistern.Mit brüchiger Stimme berichtet eine Angestellte von den vielen kinderpornographischen Inhalten, die sie bis in ihre Träume verfolgen. Die Selbstmordrate in dieser totgeschwiegenen Branche ist unglaublich hoch.Unter extremen Zeitdruck müssen Entscheidungen gefällt werden, die im schlimmsten Fall schwerwiegende globale Konsequenzen mit sich ziehen.
Die Dokumentation macht zwar auf die Missstände aufmerksam, liefert aber keine Lösung für das Problem. Stattdessen wird einem nochmal mehr bewusst gemacht, wie sehr die Informationen in den sozialen Netzwerken reglementiert sind und was für Schicksale dahinterstecken. Der Film verdient es auf jeden Fall, gesehen zu werden. Es ist keine leichte Kost, vor allem da es ein jeden von uns mit einem Internetanschluss betrifft. Aber der Appell an die Gesellschaft, diese Vorgänge hinter der Fassade unserer heilen Social-Media-Welt in Frage zu stellen, ist wichtig und dringend nötig. Nur so kann eine Veränderung in den sozialen Netzwerken erreicht werden, die übrigens laut den Regisseuren jegliche Anfrage während der Dreharbeiten verweigerten.
In den Kinos ab 17. Mai 2018
Fotos: gebrueder beetz filmproduktion
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