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    Auf ihrem Tiktok-Kanal klärt Susanne Siegert über die Verbrechen der Nationalsozialisten auf. Mit ihrem Buch "Gedenken neu denken" informiert die Leipzigerin nun auch auf Papier.

    Auf Tiktok und Instagram ist Susanne Siegert als „keine.erinnerungskultur“ bekannt. Dort verwebt sie historische Fakten, Personen und Ereignisse aus der Zeit des Nationalsozialismus mit der Gegenwart und zeigt eindrücklich, „dass wir nicht Schuld, aber Verantwortung haben“, wie sie im Gespräch betont. Siegert verbindet wissenschaftliche Präzision mit einer klaren, schnörkellosen Sprache und versucht, Geschichte für alle zugänglich zu machen – ohne dabei an Tiefe zu verlieren.

    Von Opfer- über Täterrecherche oder der Frage nach neuen Interpretationen bestimmter Gedenktage hangelt sich Siegert auch in ihrem ersten Buch – ähnlich wie in ihren Videos – entlang historischer Ereignisse, die abseits der großen, in der Schule gelehrten Kapitel liegen. Sie lenkt den Blick auf das, was zu verschwinden droht – auf Geschichten, die in der kollektiven Erinnerung kaum noch Platz finden. Auf charmante und zugleich eindringliche Weise legt sie einem das Werkzeug zur eigenen Recherche in die Hand, ohne belehrend zu wirken. „Alle Bürger*innen spielen bei der Gedenkarbeit eine Rolle“, unterstreicht sie, „und es ist unsere Entscheidung, wie wir diese Rolle ausgestalten.“ Es sei „unsere Verantwortung, nicht zu vergessen, dass wir Deutschen die Täter“ gewesen seien und in fast allen Familien die Groß- oder Urgroßeltern dazugehört hätten. Siegert ermutigt deshalb, die eigene Familien- oder Ortsgeschichte aktiv aufzuarbeiten, sich den Tätergeschichten im eigenen Umfeld zu stellen und diese Auseinandersetzung nicht zu tabuisieren.

    Ihre Offenheit, auch die eigene Familiengeschichte im Buch zu beleuchten, verleiht dem Werk besondere Authentizität. Mit „Gedenken neu denken“ plädiert Susanne Siegert, die in diesem Jahr für ihre Aufklärungsarbeit mit dem Margot-Friedländer-Preis ausgezeichnet wurde, für einen neuen, selbstkritischen Umgang mit unserer Vergangenheit. Sie zeigt Wege auf, wie Scham und Verdrängung überwunden werden können – und macht deutlich: Die Opferrolle, in die viele Deutsche nach dem Krieg hineingewachsen sind, war in Wahrheit oft eine Täterrolle. Eine für viele schmerzlicher, aber notwendiger Gedanke.

    Gedenken neu denken. Wie sich unser Gedenken an den Holocaust verändern muss. Susanne Siegert, München: Piper 2025. 240 S., 18 €.

    Dieser Text wurde zuerst im Kreuzer veröffentlicht.

    Titelgrafik: hk

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