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  • „Wenn alles scheiße ist, muss ich das so schreiben“

    Jonas Waack schreibt für die taz und erzählt über seine Arbeit als Klimajournalist.

    Wie schafft man es, über ein Thema zu berichten, das oft abstrakt wirkt, aber konkrete Auswirkungen auf unser aller Leben hat? Unter anderem diese Frage stellt sich Jonas Waack. Seit einem Jahr ist er Klimaredakteur bei der taz. Zudem hat er eine luhze-Vergangenheit: Als Chefredakteur gründete er 2020 zusammen mit der Redaktion das Klimaressort. Im Interview mit Redakteur Eric Binnebößel spricht er über die Notwendigkeit eines Klimaressorts, gute Klimaberichterstattung und über Nachrichten, die ihm Hoffnung geben.

    luhze: Was gab den Anstoß, vor fünf Jahren das Klimaressort dieser Zeitung zu gründen? 
    Waack: Wir haben das Ressort zu einer Zeit gegründet, als das Klimathema in der Öffentlichkeit sehr hoch im Kurs stand: 2018 nahm die Fridays-for-Future-Bewegung Fahrt auf und 2019 wurde das Klimaschutzgesetz beschlossen, wo die Klimaneutralität bis 2050 festgeschrieben wurde, die nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil 2021 noch fünf Jahre vorgezogen werden musste. Es gab eine sehr große Aufbruchsstimmung. Sehr viele lernten, wie schlimm eine Eskalation der Klimakrise sein kann. Und es stellte sich dann auch die Frage, wie der Journalismus darauf reagieren muss. Wir wollten uns dazu zwingen, mehr über den Klimawandel nachzudenken und was er mit Studieren und Leipzig zu tun hat. Und dafür hielten wir – meine Co-Chefredakteurin Sophie Goldau, die Redaktion und ich – es 2020 für eine gute Idee, dieses Klimaressort zu gründen.

    Braucht es zwingend ein Klimaressort, um das Thema in einer Zeitung abzubilden oder reicht es nicht aus, dem Thema in anderen Ressorts Raum zu geben? 
    Ich glaube ehrlich gesagt, dass es reicht, wenn es die Expertise in anderen Ressorts gibt. Möglicherweise ist es vielleicht sogar besser. Ich weiß nicht, ob ich mit dem Wissen von heute nochmal dafür eintreten würde, ein Klimaressort zu gründen. Man provoziert damit, dass Leute das automatisch überblättern, wenn sie glauben, sich nicht fürs Klima zu interessieren. Ich merke das an den Aufrufzahlen für meine Artikel: Wenn der Artikel nach dem Motto „Hier ist dieses spezielle Klimathema. Willst du etwas darüber wissen?“ aufgemacht ist, bekommt das immer deutlich weniger Klicks. Anders ist es, wenn ich den Artikel als politischen Streit aufziehe oder wenn es um so einen Teilaspekt geht, zum Beispiel wie soziale Gerechtigkeit vom Klimawandel beeinflusst wird. Sobald es konkreter wird und nicht so abstrakt, wie Klimapolitik ist, scheinen das viele Leute deutlich interessanter zu finden.

    Nehmen Sie im Vergleich zum Zeitpunkt der Gründung des Ressorts einen Wandel in der Berichterstattung über den Klimawandel wahr? 
    Ich habe den Eindruck, dass es den journalistischen Reflex gab, während der Zeit der Ampelregierung plötzlich wieder eher gegen Klimaschutz zu sein. Die Ampelkoalition wurde als Regierung wahrgenommen, die für Klimaschutz ist. Es besteht die journalistische Grundhaltung, eher kritisch gegen die Regierung zu sein. Deshalb wurde wieder das Grundsätzliche infrage gestellt, zum Beispiel, mit welchem Tempo Deutschland klimaneutral werden soll. Auch das war ein Grund, warum Habecks Heizungsgesetz medial so eingeschlagen ist, weil das so eine total gute Möglichkeit für Journalist*innen war, gegen die Regierung zu sein – neben dem Aspekt, dass das Gesetz auch einfach schlecht gemacht und zunächst unsozial war.

    Sind wir mit der Berichterstattung also wieder auf dem Stand von 2017, als es noch keine Fridays-for-Future-Bewegung gab? 
    Nein. Es gibt heute deutlich mehr Journalist*innen und auch deutlich mehr Ressourcen für Journalist*innen, die über Klimaschutz berichten und diesen nicht kleinreden oder aufgrund von sozialen Spannungen für unmöglich erklären wollen. Dadurch, dass wir jetzt eine Regierung haben, in der die Wirtschaftsministerin einer schnellen Transformation hin zur Klimaneutralität eher skeptisch gegenübersteht und der Bundeskanzler den Anteil Deutschlands am Klimawandel kleinredet, ist es journalistisch plötzlich wieder sehr nützlich, für einen stärkeren Klimaschutz zu sein.  Man kann dadurch wieder gegen die Regierung sein. Journalist*innen denken oft, dass sie dann kritisch sind, wenn sie gegen die Regierung sind. Sie machen es teilweise vielleicht weniger von der Realität abhängig, wofür und wogegen sie in Interviews und Kommentaren argumentieren. Das finde ich problematisch.

    Gibt es einen guten oder schlechten Klimajournalismus? 
    Es gibt guten oder schlechten Klimajournalismus genauso wie es guten oder schlechten Journalismus im Allgemeinen gibt: Wenn die Artikel gut recherchiert, sorgfältig geprüft und mit zahlreichen Perspektiven versehen sind, dann ist es gut. Ich würde auch weiterhin dafür plädieren, dass Klimajournalismus kritisch gegenüber der Klimabewegung auftreten muss, genauso wie gegenüber Klimapolitiker*innen und klimaschützenden Industrien. Das erwarte ich grundsätzlich vom Journalismus.

    Wie vermeiden Sie, in der Berichterstattung belehrend zu wirken? 
    Ich versuche auf jeden Fall, nicht belehrend zu wirken, sondern die Sachen so aufzuschreiben, dass die Leute sie von selbst interessant finden. Unter belehrend verstehe ich, dass man den Leuten von oben herab erklärt, warum sie sich betroffen fühlen sollten oder mit erhobenem Zeigefingern argumentiert. Ich würde jedoch niemandem vorhalten, dass er oder sie noch Fleisch isst, mit dem Auto zur Arbeit fährt oder mit Gas heizt. In den allermeisten Fällen ist die Emissionsreduzierung ein strukturelles Problem, das eben von Unternehmen und Politiker*innen gelöst werden muss und weniger von Individuen. Die einzige Ausnahme sehe ich persönlich bei regelmäßigen Urlaubsreisen mit dem Flugzeug. Das ist dermaßen überproportional schlecht fürs Klima, dass ich entschieden habe, in dieser Sache extrem nervig gegenüber meinen Freund*innen zu sein.

    Wie finden Sie die Balance zwischen dem Aufrütteln der Menschen und dem Vermeiden von Überforderung oder Trotzreaktionen? 
    Ich glaube nicht, dass das meine Aufgabe ist, da besonders doll abzuwägen. Ich muss schreiben, was stimmt. Und wenn stimmt, dass es eine nicht zu vernachlässigende Chance gibt, dass die nordatlantische Umwälzzirkulation Ende des Jahrhunderts kollabiert und wir dadurch langfristig ultrakalte Temperaturen in Europa haben werden, dann muss ich das so aufschreiben. Am Ende muss es mir egal sein, ob Leute da so viel Angst bekommen, dass sie nie wieder etwas zum Klimawandel lesen wollen. Wenn gerade alles scheiße ist, dann muss ich das auch so aufschreiben. Meine Aufgabe als Journalist ist es, eine informierte Öffentlichkeit zu schaffen. Ein weitergehendes politisches Projekt habe ich nicht. Was die Leute mit der Information anfangen, das will und kann ich nicht kontrollieren.

    Ich finde, dass die taz es gut macht, dass es zum Beispiel dieses Zukunftsressort am Wochenende gibt, das konstruktiv berichten will. Ich glaube, das ist total wertvoll, aber man darf da eben auch nicht übertreiben. Die Chance, dass wir die Erderhitzung bei 1,5 Grad halten bis Ende des Jahrhunderts, ist einfach wahnsinnig gering. Und es ist genauso gut möglich, dass irgendein Kipppunkt kippt, den wir nicht kannten – und das Ding rennt uns komplett davon in den nächsten zehn Jahren. Wir Menschen verstehen die Erde einfach wirklich nicht besonders gut.

    Sprechen Sie eher von einer Klimakrise oder ist das für Sie schon eine Klimakatastrophe? 
    Ich finde es wichtiger, dass wir den Begriff Klimakatastrophe für konkrete Ereignisse wie die Flut im Ahrtal 2021 verwenden. Da war ja ziemlich schnell klar, dass Fluten wie diese ohne die Erderhitzung gar nicht möglich gewesen wären. Und den Begriff Klimakrise finde ich oft gar nicht so supernützlich. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass ich mir weniger abstrakte Gedanken über „Gesellschaft in der Klimakrise” mache und mehr konkret auf die Effekte des Klimawandels eingehe. Damit möchte ich gar nicht sagen, dass das, worüber ich schreibe, wichtiger oder besser ist. Es liegt einfach daran, dass ich mich in meinem Journalismus mit anderen Sachen beschäftige als Leute, die eher abstrakt über die Klimakrise als Phänomen schreiben.

    Welche Klimanachrichten haben Ihnen in letzter Zeit Hoffnung gegeben?  
    In China werden die Erneuerbaren ausgebaut in einem Tempo, das wir noch nie gesehen haben. Es ist komplett durchgedreht: Da wurde im Mai mehr Erneuerbaren-Kapazität geschaffen, als die EU im gesamten Jahr 2024 gebaut hat. Also ich glaube, die Sache, die einem gerade Hoffnung geben kann, ist, dass in China gerade die Emissionen sinken. Und zwar nicht, weil da die Wirtschaft einbricht oder so, sondern weil der Stromverbrauch weniger stark steigt als der Zubau der Erneuerbaren. Und China ist der größte CO2-Emittent der Welt. Wenn dieses Land nicht die Emissionen senkt, dann wird das weltweit auch nichts.

    Foto: David-Pierce Brill

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